Ukrainischer Verteidigungsminister bereitet Truppen auf neue Kämpfe vor
Nato: "Russische Panzer, Artillerie, Luftabwehrsysteme und Kampfsoldaten" werden in die Ukraine gebracht
Donezk stand einmal wieder unter heftigem Artilleriebeschuss, auch in Luhansk sollen gestern Kämpfe stattgefunden haben. Der Waffenstillstand besteht seit den Wahlen in den "Volksrepubliken" nur noch auf dem Papier. Beide Seiten rüsten ihre Positionen auf, noch ist der Krieg aber nicht wieder ausgebrochen und werden die OSZE-Beobachter akzeptiert. Aber wenn keine neuen ernsthaften Verhandlungen schnell eingeleitet werden, stehen die Zeichen auf Krieg. Der ukrainische Verteidigungsminister Stepan Poltorak hat die Streitkräfte bereits aufgefordert, sich wieder auf Kampfhandlungen einzustellen. Die militärischen Aktivitäten Russlands und der von Russland unterstützten "Terroristen" würde dies erforderlich machen. In Donezk wurde die Website des Bürgermeisters Oleksandr Lukianchenko mer.dn geschlossen, die Informationen über die Lage in der Stadt veröffentlichte. Von der Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats über die Lage in der Ukraine ist wenig zu erwarten.
Die OSZE-Beobachtermission hatte in den letzten Tagen von mehreren Konvois von militärischen Fahrzeugen mit Artillerie und von Panzern gesprochen, die in den von den Separatisten besetzten Gebieten Richtung Frontlinie gefahren seien. Nato-Oberkommandeur Philip Breedlove hat die Berichte gegenüber Journalisten bestätigt. Man habe auch solche Konvois gesehen, es seien "russische Panzer, Artillerie, Luftabwehrsysteme und Kampfsoldaten" in die Ukraine gebracht worden. In der Ukraine befänden sich mehr russische Soldaten, die Separatisten an modernen Waffen ausbilden. Am stärksten besorge ihn die offene, völlig poröse Grenze, über die alles von Russland aus in die Ukraine gebracht werden könne.
Er berichtete auch, dass Russland auf der Krim angeblich atomwaffenfähige Systeme installiert und die Truppen verstärkt habe. Breedlove sprach nach dem Bericht der BBC zwar nicht davon, dass Russland ukrainische Stellungen angreifen wolle, sondern dass man das Ziel der Truppenverstärkungen nicht wisse. Er gab zur Vermutung, dass die mutmaßlichen Truppenverstärkungen dazu dienen könnten, eigene Stellungen zu verstärken, um so eine zusammenhängendere und besser zu verteidigende Frontlinie herzustellen. Allerdings hatten die Separatisten vor einigen Tagen angekündigt, zur Not auch mit militärischer Gewalt Mariupol, Kramatorsk und Slawjansk einzunehmen, die zu Neurussland gehörten.
Moskau streitet weiterhin alle militärischen Aktivitäten in der Ukraine ab. Generalleutnant Igor Konashenkov, der Sprecher des Verteidigungsministeriums, sagte lakonisch, man habe schon längst aufgehört, Breedlove zuzuhören, wenn er von russischen Militärkonvois in der Ukraine spricht. Das sei "heiße Luft". Allerdings kündigte Verteidigungsminister Sergej Schoigu neue Patrouillenflüge von Langstreckenflugzeugen an. Damit würde erneut eine Praxis des Kalten Kriegs wieder aufgenommen. Die Flugzeuge würden nicht nur an den russischen Grenzen und im Nordpolarmeer fliegen: "Unter den gegenwärtigen Umständen sind wir gezwungen, im westlichen Atlantik, im östlichen Pazifik, in der Karibik und im Golf von Mexiko militärisch präsent zu sein." Man rückt also auch den USA näher, wie diese an Russland herangerückt ist.
Russland will die nächsten Tage den inzwischen siebten Hilfskonvoi in die "Volksrepubliken" schicken. In einem Telefongespräch mit US-Außenminister Kerry betonte der russische Außenminister Lawrow, dass direkte Gespräche zwischen Kiew und Lugansk/Donezk unumgänglich seien. Offensichtlich haben für Moskau die Wahlen in Donezk und Lugansk die Legitimität der dortigen politischen Führung bestätigt. Lawrow hatte die Wahlen nicht anerkannt, aber gesagt, Russland respektiere sie. Kiew lehnt direkte Verhandlungen mit den Separatistenführern ab und bezeichnet die Wahl als illegal.
Nachdem die Regierung in Kiew angekündigt hat, solange keine Renten oder anderen staatlichen Gelder an die Menschen in den "Volksrepubliken" zu zahlen, bis diese wieder unter der Kontrolle von Kiew stehen, und überdies Gaslieferungen damit zu verrechnen, reagierten die Volksrepubliken mit der Ankündigung, keine Kohle mehr in die Ukraine zu liefern, so lange der Krieg nicht beendet ist. Zudem hätte Kiew die Konten der Arbeiter in den Kohlegruppen gesperrt. Auch die nach Russland geflüchteten 400.000 Ukrainer würden keine Sozialleistungen erhalten. Kiew steht angesichts des beginnenden Winters vor Problemen, weil die Vorräte nicht reichen und der Import von Kohle aus Südafrika aus kaum durchschaubaren Gründen gestoppt werden musste, was zu Streit in der Regierung geführt hat. Regierungschef Jazenjuk hat den Geheimdienst SBU beauftragt, die Hintergründe zu klären. Kohle aus den USA oder Australien sei 15-20 Prozent teurer als Kohle aus Russland oder den "Volksrepubliken". So kommt zur Abhängigkeit vom russischen Gas noch eine weitere Abhängigkeit hinzu.