Umfrage: Ukrainer glauben nicht an Rückgabe der Krim
Vizeregierungschef der Halbinsel kritisiert Missbrauch des Eurovision Song Contest
Einer Umfrage des Fernsehsenders 112 Ukraina zufolge glauben 72 Prozent der Ukrainer nicht, dass die Russische Föderation die Herrschaft über die Krim, die von 1954 bis 1991 zur Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik und von 1991 bis 2014 zur Ukraine gehörte, wieder in die Hände der Regierung in Kiew legen wird. 12 Prozent wählten auf die Frage danach die Antwort "Möglicherweise, aber nicht in absehbarer Zukunft", weitere 15 Prozent glauben, dass dies durch "ständigen politischen und ökonomischen Druck auf Russland" auch in absehbarer Zeit möglich wäre.
Die Kiewer Staatsführung gibt sich weiterhin als Anhänger dieser Mindermeinung: Innenminister Arsen Awakow lässt nach eigenen Angaben eine Sondereinheit der Nationalgarde speziell dafür trainieren und Staatspräsident Petro Poroschenko sagte dem Sender Vesti, der Rückgabeprozess sei zwar "äußerst schwierig", aber auch "aussichtsreich" und habe bereits begonnen. Konkret lässt er seinen Sicherheits- und Verteidigungsrat prüfen, wie Russland vor internationalen Gerichten verklagt werden könnte. Das Verteidigungsministerium und der Generalstab sollen Pläne zum Ausbau der nordwestlich der Krim gelegenen Stadt Cherson und anderer Schwarzmeerhäfen ausarbeiten.
Der ukrainische Inlandsgeheimdienst Sluschba Bespeky Ukrajiny (SBU) soll außerdem dafür sorgen, dass Matrosen von Schiffen, die Häfen auf der Krim anlaufen, in der Ukraine nicht mehr von Bord gehen. Das Verbot gilt vorerst drei Jahre lang. Reeder, die während dieses Zeitraums beide Gebiete anlaufen wollen, müssen dafür in Kiew eine Ausnahmegenehmigung beantragen.
Der "Kampf gegen die Annexion an allen Fronten", wie es der Rada-Abgeordnete Georgi Logwinski formulierte, umfasst auch Ermittlungen gegen Mitarbeiter ausländischer Unternehmen, wenn diese Karten verwenden, auf denen die Krim kein Teil der Ukraine ist. Der Coca-Cola-Konzern tauschte deshalb bereits eine Grafik aus.
Eine weitere Front ist der Schlagerwettbewerb Eurovision Song Contest (ESC), der dieses Jahr vom 10. bis 14. Mai in der schwedischen Hauptstadt Stockholm stattfindet. Dort lässt sich die Ukraine von der in Kirgisistan aufgewachsenen Sängerin Susana Dschamaladinowa alias "Jamala" vertreten, deren Mutter Armenierin und deren Vater Krimtatare ist.
Sie singt mit 1944 ein Lied mit einem krimtatarischen Refrain, das von der Vertreibung ihrer Volksgruppe durch den Georgier Josef Stalin von der Halbinsel handelt, auf die Hitler die Südtiroler umsiedeln wollte. Ruslan Balbek, der (ebenfalls krimtatarische) stellvertretende Ministerpräsident der Regionalregierung der Krim, kritisierte die Entscheidung als Missbrauch des Schicksals seiner Volksgruppe und warnte vor einem "politischen Spektakel", bei dem Kiew versuche, den Fernsehzuschauern in anderen Ländern mit dem Rückgriff auf eine 72 Jahre alte Tragödie eine angebliche aktuelle Verfolgung von Krimtataren zu suggerieren.
Jamala bezeichnete Balbek als "talentierte Sängerin". Das anzuzweifeln hat Kiew - anders als unerwünschte Äußerungen über den Status der Krim - nicht unter Strafe gestellt. Auch die Teilnehmer aus anderen Staaten werfen die Frage auf, warum das Spektakel zu einem großen Teil mit Zwangsgebühren finanziert wird: Praktisch alle Teilnehmer, die bereits jetzt bekannt sind, wirken entweder wie Karikaturen der Einwohner ihrer Herkunftsländer - oder wie misslungene Versuche, genau das nicht zu sein, was beispielsweise für die deutsche Castingshowgewinnerin Jamie-Lee Kriewitz gilt.
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