Umfrage: ZDF will differenzieren - und tut es nicht
Nachrichtensendungen der Öffentlich-Rechtlichen erreichen hohen "Glaubwürdigkeitswert"
Die Forschungsgruppe Wahlen (FGW) hat im Auftrag des ZDF eine repräsentative Meinungsumfrage durchgeführt und kam zu dem Ergebnis, dass das Vertrauen der Mediennutzer in die großen Medien seit 2015 stabil ist und die Nachrichtenflaggschiffe der Öffentlich-Rechtlichen ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießen.
In einem Fazit zu der Umfrage heißt es: "Die Befragten unterscheiden deutlich zwischen seriösen Qualitätsmedien und -nachrichten auf der einen und Boulevardmedien und Social Media auf der anderen Seite. Regionalen und überregionalen Tageszeitungen, den öffentlich-rechtlichen Fernsehprogrammen von ARD und ZDF und ihren Nachrichten sowie auch den wöchentlichen Printmagazinen wird eine hohe Glaubwürdigkeit zugeschrieben. Dagegen ist das Vertrauen in die sozialen Medien wie Twitter und Facebook sowie in die Boulevardmedien gering."
Zur Datenerfassung verwendete die FGW eine 11er Skala, das heißt, die Befragten konnten auf einer Skala von +5 bis -5 und einem Nullpunkt angeben, wie sie die jeweiligen Medien einstufen würden. Eine Frage lautete:
Was meinen Sie ganz allgemein zur Glaubwürdigkeit von verschiedener Medien? Stellen Sie sich einmal ein Thermometer vor, das aber lediglich von plus 5 bis minus 5 geht, mit einem Nullpunkt dazwischen. Plus 5 bedeutete, dass Sie persönlich diese Medien für besonders glaubwürdig halten. Minus 5 bedeutet, dass Sie diese Medien für überhaupt nicht glaubwürdig halten. Mit den Werten dazwischen können Sie Ihre Meinung abgestuft sagen. Wie bewerten Sie die Glaubwürdigkeit ...
Regionale Tageszeitungen erhielten einen "Glaubwürdigkeitswert" bzw. eine Skalenwert von 2,4 und 2,5, während soziale Medien wie Twitter und Facebook auf Werte von -1,3 bis -1,5 kamen. Überregionale Tageszeitungen (z.B. SZ und FAZ) kamen auf Werte von 2,2-2,4, Nachrichtenmagazine wie Der Spiegel und Focus lagen bei einem Skalenwert von 2,0-2,2. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender wie ARD, ZDF und dritte Programme allgemein finden sich bei einem Skalenwert von 1,8-2,0.
Der Bild Zeitung misstrauen die Befragten noch mehr als den sozialen Medien. Ihre Glaubwürdigkeit stuften die Umfrageteilnehmer auf der Skala mit - 1,9 bzw. -2,0 ein.
Die FGW (bzw. das ZDF) wollte auch wissen, wie die Umfrageteilnehmer die Nachrichtenformate der jeweiligen Sender im Hinblick auf den Glaubwürdigkeitsfaktor betrachten. Die Nachrichtensendungen der ARD erreichten einen "Glaubwürdigkeitswert" von 2,7, die des ZDF einen von 2,6. Die Nachrichtensendungen der Privatsender RTL und SAT kamen auf einen Skalenwert von 0,9-1,1 bzw. 1,0-1,3 (SAT 1). Laut Angaben der FGW sind die angeführten Zahlen Skalenmittelwerte und stammen aus insgesamt drei gleich angelagerten Umfragen, die im Juni 2015, im Mai und November 2016 durchgeführt wurden.
Das ZDF geht davon aus, dass sich so eine "belastbare Entwicklungskurve" ergeben habe. Die Ergebnisse würden zeigen, "dass es notwendig ist, die Glaubwürdigkeit verschiedener Medien sehr differenziert abzufragen. Eine nur allgemeine Frage nach der Glaubwürdigkeit von Medien insgesamt führt zu undifferenzierten Verallgemeinerungen."
Anmerkung: Das ZDF scheint mit etwas Genugtuung die Umfrageergebnisse veröffentlicht zu haben. Schließlich: Bestätigt die Umfrage letztlich nicht genau das, was die kritisierten "Qualitätsmedien" immer wieder betonen, nämlich, dass die Glaubwürdigkeit auf ihrer Seite liegt? Und das wird in der Tat in der Umfrage bestätigt - oberflächlich betrachtet.
Die Differenzierung, die das ZDF betont, erfolgt aber in der Umfrage nicht soweit, wie sie nötig wäre. Es fehlt die Frage nach der Glaubwürdigkeit der Berichterstattung zu einzelnen großen Nachrichtenereignissen, wie beispielsweise die Euro- und Griechenlandkrise , der Ukraine-Konflikt oder zu "Russland". Denn an Themen wie diesen und der immer wieder festgestellten Schieflage im Programm der Öffentlich-Rechtlichen entzündet sich letztlich der Konflikt um die Rolle der Qualitätsmedien.
Selbst die heftigsten Kritiker der großen Medien dürften nicht abstreiten, dass durchaus in eben diesen Medien immer wieder auch seriöser und qualitativ hochwertiger Journalismus zu finden ist. Von daher ist es alles andere als überraschend, dass Mediennutzer beispielsweise der ARD-Tagesschau eine höhere Glaubwürdigkeit zuschreiben als etwa einem Eintrag auf Facebook. Die Umfrage müsste unterscheiden zwischen "allgemeiner Glaubwürdigkeit" und der Glaubwürdigkeit im Hinblick auf spezielle Ereignisse.
Dennoch ist die Umfrage nicht ohne Wert. Sie verdeutlicht nämlich genau das Gegenteil von dem, was bisweilen in den Medien dargestellt wird, wonach der Mediennutzer dringend eine Empfehlung für den Umgang mit "seriösen" und "unseriösen" Medien benötige. Mediennutzer sind durchaus sehr gut in der Lage, im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit zwischen in vielerlei Hinsicht problematischen sozialen Medien und großen Nachrichtenformaten zu unterscheiden.
Selbst die jungen Mediennutzer, denen immer wieder die Fähigkeit zur Einordnung von Nachrichten abgesprochen wird, können laut Umfrage Medien vernünftig einschätzen: "Eine Ausnahme bildet... die jüngste Gruppe der 16-29-Jährigen. Sie haben ein relativ großes Vertrauen in die Qualitätsmedien und eine größere Skepsis gegenüber den Boulevardmedien und auch gegenüber den sozialen Medien."
Anders gesagt, die Umfrage des ZDF belegt, was man auch vermuten durfte: Grundsätzlich haben Mediennutzer ein größeres Vertrauen in sogenannte "Qualitätsmedien" als in Medien, deren Nachrichtengewinnung und Nachrichtenverbreitung im Nebulösen liegt. Eine Art Reinwaschung von den Vorwürfen, die seit geraumer Zeit immer wieder gegen die großen Medien erhoben werden, wenn es um zentrale gesellschaftliche und politische Themen geht, liefert die Umfrage aber keinesfalls.