Ums Ganze im "Superwahljahr"

Bunte Faust: Straßengemälde von Fridays for Future am 19. März in Berlin. Foto: FFF

Die Gewerkschaft ver.di, Fridays for Future und das Bündnis "Unteilbar" wollen mit gemeinsamen Aktionen auf der Straße Druck für eine soziale und zukunftsfähige Politik entfalten

Laut Fabia Klein von Fridays for Future geht es bei der Zusammenarbeit mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Bündnis "Unteilbar" darum, "voneinander zu lernen", "Fehler zu reflektieren" - und die Forderung nach effektivem Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit und Antirassismus zu verbinden. Die Wechselwirkungen zwischen den Problemen müssten erkannt werden, um gemeinschaftlich die Welt zu verbessern - so erklärte die Aktivistin an diesem Mittwoch auf einer Pressekonferenz mit ver.di-Chef Frank Werneke und der Unteilbar-Vertreterin Rebecca Rahe den Begriff "Klimagerechtigkeit". Es gehe darum, nicht nur sich selbst zu sehen, sondern alle Betroffenen.

Obwohl es bereits im vergangenen Jahr gemeinsame Aktionen von Fridays for Future (FFF) und ver.di gab, musste die Klimaschutz-Jugendbewegung immer wieder Kritik einstecken: Sie sei zu stark von Kindern der Mittel- und Oberschicht geprägt, habe die soziale Frage zu wenig auf dem Schirm und ignoriere die Zukunftsängste von Beschäftigten von Branchen wie Auto- und Kohleindustrie. Gemeinsame Aktionen mit Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs reichten demnach nicht.

Konsequenz aus vielfältiger Kritik

Der Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, hatte im Herbst 2020 erklärt: "Was wir bis heute vermissen, ist eine klare Positionierung von Fridays for Future als Bewegung für eine sozial gerechte Klimawende". Auch die Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht hob in ihrem neuen Buch "Die Selbstgerechten - mein Gegenprogramm für Gemeinsinn und Zusammenhalt" eher Negativbeispiele hervor.

Zum Teil aus den eigenen Reihen kam die Kritik, FFF sei zu einseitig "weiß" geprägt, People of Colour seien nicht angemessen repräsentiert - was wohl auch mit der Mittelschichtsprägung und der eher geringen Beteiligung von Arbeiterkindern zu tun hatte. Rund 69 Prozent der Aktiven hatten sich in einer Umfrage im Sommer 2019 selbst zur Mittelschicht gezählt, davon die Mehrheit zur oberen, und weniger als fünf Prozent zur Arbeiterschicht.

Wesentliche Teile dieser Kritik wurden aber von der Bewegung angenommen und offenbar auch als Chance gesehen. Eine der Konsequenzen daraus ist die verstärkte Zusammenarbeit mit ver.di und Unteilbar. Rebecca Rahe hob hervor, wie die Corona-Krise gesellschaftliche Probleme offengelegt und verschärft, aber auch zu wichtigen Erkenntnissen geführt habe. "Systemrelevanz" im Sinne unverzichtbarer Arbeit sei "vor allem weiblich und vor allem migrantisch", sagte Rahe mit Blick auf Pflegekräfte, Beschäftigte der Lebensmittelindustrie, des Einzelhandels und der Paketdienste sowie Reinigungspersonal.

Enteignungskampagne als Positivbeispiel

Als beispielhaft für soziale Kämpfe, die Menschen verschiedener Milieus und Berufsgruppen vereinen, nannte Rahe die Berliner Kampagne für das Volksbegehren "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", das eine Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen vorsieht. "Wir verbünden uns: Unteilbar für eine lebenswerte und solidarische Zukunft", fasste sie den Sinn der Kooperation mit ver.di und Fridays for Future zusammen. Alle drei Zusammenschlüsse wollen in diesem "Superwahljahr" gemeinsam für "eine solidarische Gesellschaft, in der alle selbstbestimmt und frei von Angst leben können" sowie für eine nachhaltige Klimapolitik eintreten.

"Klimaschutz, gute Arbeit und soziale Gerechtigkeit müssen Hand in Hand gehen", sagte ver.di-Chef Frank Werneke mit Blick auf die nötigen Angebote für Menschen, die bisher in umwelt- und klimaschädlichen Branchen arbeiten müssen, um kurz- und mittelfristig ihre Existenz zu sichern. Er kritisierte auch diesbezüglich das deutsche Klimaschutzgesetz, das vergangene Woche vom Bundesverfassungsgericht wegen unzureichender CO2-Reduktionsziele beanstandet worden war. Das Gesetz gehe weder weit genug, noch enthalte es eine soziale Komponente, so Werneke. Nötig seien "ambitionierte und machbare" Ziele, denn Klimaschutz sei auch eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit.

Für die nächsten Wochen und Monate haben ver.di, FFF und Unteilbar bereits gemeinsame Aktionen geplant: in Sachsen-Anhalt, wo am 6. Juni ein neuer Landtag gewählt wird, soll es am 29. Mai eine Demonstration in Halle geben. Mit Blick auf die Bundestagswahl und die Landtagswahl in Berlin am 26. September kündigten Rahe, Klein und Werneke eine Großdemonstration in der Hauptstadt an. Fridays for Future ruft außerdem zu einem bundesweiten Aktionstag am 18. Juni auf. Welche weiteren Aktionen wo geplant werden, hängt auch davon ab, inwieweit dann noch Einschränkungen durch die Corona-Pandemie beachtet werden müssen.

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