Umstrittene Rolle des Zensurkübels
"Aktion Kinder des Holocaust" geht mit juristischen Mitteln gegen antisemitische Beiträge auf der Newsplattform Indymedia vor
Am vergangenen Freitag hat Samuel Althof, Sprecher der Vereinigung Aktion Kinder des Holocaust verschiedene Schweizer Polizeibehörden auf mögliche Verstöße gegen das Anti-Rassismus-Gesetz durch die Verantwortlichen von Indymedia Schweiz aufmerksam gemacht. Als Grund für sein Vorgehen gibt Althof die Häufung von antisemitischen Beiträgen auf dem linken Infoportal und den fehlenden Willen der Indymedia-AktivistInnen an, diese zu entfernen.
"Es ist überhaupt nicht unser 'Lieblingsmittel', erst wenn es nicht mehr anders geht, greifen wir zu Strafanzeigen", rechtfertigt Samuel Althof, Sprecher der Aktion Kinder des Holocaust, sein Vorgehen. Althof hat in einem Schreiben die zuständigen Polizeibehörden und den Dienst für Analyse und Prävention DAP (vormals: Bundespolizei) darauf aufmerksam gemacht, dass die Moderatoren und Redakteure von Indymedia Schweiz nicht gewillt seien, antisemitische Text- und Bildbeiträge vollständig zu löschen. Anzeige muss in diesem Fall von Amtes wegen erstattet werden, da es sich beim vermuteten Verstoß gegen das Anti-Rassismus-Gesetz um ein Offizialdelikt handelt. Die Behörden sind nun verpflichtet, den Sachverhalt zu prüfen und, falls er als genügend erhärtet angesehen wird, eine Strafverfolgung einzuleiten. DAP-Sprecherin Danièle Bersier bestätigte gegenüber Telepolis den Eingang eines entsprechenden Hinweises. Man werde nun die notwendigen Abklärungen treffen und allenfalls auch noch die Bundeskriminalpolizei einschalten.
Entfernt ist nicht gelöscht
Die Verantwortlichen von Indymedia tolerieren durchaus nicht jede Äußerung, die auf ihrem Portal gemacht wird. Vollständig gelöscht werden die beanstandeten Beiträge allerdings nicht; sie wandern in den sogenannten Zensurkübel und sind dort weiterhin einsehbar. Genau daran stört sich der Sprecher der "Aktion Kinder des Holocaust". Althof geht sogar soweit, die Funktion des Zensurkübels ins Zentrum seiner Kritik zu rücken. Schließlich könne man "rassistische Beiträge mit der Absicht einer Veröffentlichung an Indymedia-Switzerland gesendet werden, denn sie können davon ausgehen, dass ihre Beiträge im 'Zensurkübel' neu publiziert werden".
Besonders ins Auge gestochen sind Althof zwei Cartoons eines mexikanischen Zeichners, der von sich behauptet, die "israelische Apartheid gegenüber den Palästinensern zu kritisieren", sich dabei aber in den Fallen anti-semitischer Stereotypen verstrickt. Die Dokumentation der beiden Beiträge auf der Website der "Aktion Kinder des Holocaust" wiederum waren für einen Indymedia-Aktivisten Anlass für eine geharnischte Reaktion. "Ihr werft uns vor, durch das nicht-total-Löschen von antisemitischen Beiträgen, antisemitisch zu sein und veröffentlicht ebendiese Beiträge noch einmal auf eurer Page. Das ist abstrus", schreibt der Indymedianer. Ob bereits eine Gegenanzeige vorliegt, war nicht zu erfahren. Auch sonst wollte von Indymedia niemand zu der drohenden Strafanzeige Stellung nehmen.
Ermuntert von früheren "Erfolgen"
Althof ist kein unbekannter, wenn es um reale oder vermutete Straftatbestände im Internet geht. So hat er etwa im vergangenen Jahr erreicht, dass mehrere Schweizer Internetprovider den Zugang zu rassistischen Websites blockierten (Schweizer Provider sperren Zugang zu amerikanischer Website). Von der Swiss Internet User Group (SIUG) wurde diese Aktion scharf kritisiert, da auf diese Weise das Problem des Rechtsextremismus nur verdrängt werde.
Nach den straf- könnten auch noch urheberrechtliche Probleme auf Indymedia Schweiz zukommen. Und auch in diesem Fall spielt der verflixte Zensurkübel eine Rolle. Das Verlagshaus Tamedia hat wegen der integralen Veröffentlichung eines Artikels aus einem seiner Magazine auf Indymedia interveniert, worauf der Text in den Zensurkübel verschoben wurde. Auf Anfrage von Telepolis meinte ein Mitarbeiter des Rechtsdienstes von Tamedia erstaunt, dass dieses Vorgehen eigentlich nicht der Forderung nach Löschung des Artikels entspreche. Allerdings habe man keine Zeit, um jeder einzelnen Verletzung der Urheberrechte des Verlags nachzugehen.