Umverteilung als mögliche Lösung des Anlagenotstands
Seite 2: Anlageobjekte durch Privatisierung
Da eine Umverteilung von Reich zu Arm gegenwärtig keine realistische Option ist, wird versucht, den Anlagenotstand durch Erhöhung des Volumens der Anlageobjekte zu beheben. Als erfolgreich erweisen sich Privatisierungen, wenn auch meist als Motiv angegeben wird, von den vermeintlichen Segen privatwirtschaftlicher Konkurrenz profitieren zu wollen.
Privates und staatliches Eigentum, dessen ursprünglicher Zweck die Befriedigung von persönlichen und gesellschaftlichen Bedürfnissen war, wird in eine Profitquelle umgewandelt. Öffentliche Dienstleistungen, die bislang von Staaten und Kommunen in Eigenregie produziert wurden, werden durch ein entsprechendes Angebot von Privatunternehmen ersetzt. Sowohl die ehemaligen Betreiber als auch Privatpersonen werden zu Käufern, die keinen Einfluss auf die Preisgestaltung haben.
Manche Staaten verfügen über Produktivvermögen und Kapitalanlagen, die jährliche Erträge abwerfen. Soweit es sich - wie etwa bei Erdöl-Exporteuren - um Überschussvolkswirtschaften handelt, werden Staatsfonds eher aufgestockt als geplündert. Andere Länder besitzen größere Anteile an Versorgern wie Elektrizitäts- und Wasserwerken, Verkehrsbetrieben und Unternehmen der Telekommunikation. Wenn diese an private Akteure veräußert werden, wird meist weniger eine Stärkung des Wettbewerbs angestrebt als vielmehr eine Sanierung der öffentlichen Kassen.
Privatisierungen erhöhen zum einen das Angebot an Anlageobjekten direkt, zum anderen vermittelt über eine zusätzliche Nachfrage auf dem Gütermarkt. Letztere setzt voraus, dass die Verkaufserlöse für öffentliche Ausgaben verwendet werden. Die Effekte sind jedoch einmalig und begrenzt. Überdies ist das Potential mittlerweile weitgehend ausgeschöpft. Stattdessen werden zunehmend Forderungen erhoben, Privatisierungen rückgängig zu machen, da die versprochenen Einsparungen und Qualitätsverbesserungen ausgeblieben sind. Wenn auch politische Entscheidungsträger einen solchen Schritt scheuen, lässt sich Staatseigentum angesichts des breiten Widerstands immer schwieriger verscherbeln.
Angebotszuwachs durch Wertpapierverkauf
Der Rückgang der Rohölpreise während der letzten Jahre hat einige Förderländer gezwungen, die über einen längeren Zeitraum angehäuften Überschüsse abzubauen. Um die gewachsenen Defizite zu finanzieren, werden Wertpapiere auf dem Kapitalmarkt verkauft. Mancherorts verdichten sich Pläne, in Staatsbesitz befindliche Ölgesellschaften an die Börse zu bringen.
Das Anlagevermögen kann auch vergrößert werden, wenn Personengesellschaften in Aktiengesellschaften umgewandelt oder neue Aktien ausgegeben werden. Eine gegenteilige Wirkung erzielen Aktienrückkäufe. Diese haben sich in den letzten Jahren vor allem in den USA großer Beliebtheit erfreut.
Schließlich kann die Zentralbank das Angebot an Anlageobjekten erhöhen. Hierzu dienen Offenmarktgeschäfte, die zu dem Zweck getätigt werden, dem Markt Liquidität zu entziehen. Zwar würden die Anlagemärkte allmählich ins Lot kommen, der Realwirtschaft hilft dies jedoch wenig. Da die Konsumgüternachfrage hinter den Einkommen zurückbleibt, sehen sich Unternehmen gezwungen, die Produktion zu senken. Ausgangsmaterialien werden weniger nachgefragt, Belegschaften abgebaut und Investitionen zurückgestellt. Die wirtschaftliche Regression dürfte im darauffolgenden Jahr fortdauern, weil sich bei den vermögenden Haushalten erneut überschüssiges Geld ansammeln würde.
Die Europäische Zentralbank (EZB) agiert aktuell gerade gegenteilig. Einerseits wird erkannt, dass eine restriktive Geldpolitik die Realwirtschaft in die Enge treibt. Andererseits wird hingenommen, dass sich der Anlagenotstand auf dem Kapitalmarkt verschärft. Seit der Finanzkrise wurde im Rahmen eines Wertpapierkaufprogramms der Gesamtbetrag von 2,2 Billionen Euro in die Märkte gepumpt. Nach offizieller Lesart soll durch ein Fluten der Märkte mit Liquidität das Zinsniveau gedrückt werden, um die Investitionsbereitschaft der Unternehmen zu stärken.
Dass das Programm trotz sichtbaren Misserfolgs bis heute fortgesetzt wird, nährt den Verdacht, dass andere Intentionen dahinterstehen. Auffallend werden in großem Stil Obligationen gekauft, die sich nur schwer auf den Anlagemärkten absetzen lassen. Sie betreffen jene Volkswirtschaften der Euro-Zone, in denen sich angesichts der zu starken Währung chronische Schwächen offenbaren. Da ein direkter Erwerb nach dem Statut der EZB ausgeschlossen ist, werden Staatsanleihen über Sekundärmärkte bezogen. Es sind Zweifel angebracht, ob sie sich jemals über Offenmarktgeschäfte veräußern lassen.