Umverteilung als mögliche Lösung des Anlagenotstands
Seite 4: Abstieg der gesellschaftlichen Mittelschichten
- Umverteilung als mögliche Lösung des Anlagenotstands
- Anlageobjekte durch Privatisierung
- Umwandlung des Liquiditätsüberschusses in Anleihen
- Abstieg der gesellschaftlichen Mittelschichten
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Da die Bonität von Kommunen und Staaten mit dem Verschuldungsgrad abnimmt, werden die Zinssätze anziehen müssen. Andernfalls würden Anleger die Anleihen wegen zu hohen Risikos meiden, ähnlich wie sich Immobilien in Geisterstädten nicht verkaufen. Wäre das Zinsangebot bei Staatsanleihen zu niedrig, dann würde dies dennoch nicht zu einer Aufstockung der Spekulationskassen führen. Vielmehr würde sich das Interesse auf den Erwerb anderer Anlageobjekte fokussieren und dort weitere Preisschübe verursachen. Solange Wertpapierkurse im Steigen begriffen sind, dürften Anleger eher bestrebt sein, Liquidität abzubauen.
Infolge höherer Zinsen steigt der Schuldendienst der öffentlichen Haushalte, sodass weniger Mittel für reguläre Ausgaben verbleiben. Es verschwindet Kaufkraft, was die Wirtschaft belastet, sodass sich Investitionen und Kreditnachfrage vermindern. Die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage von Anlageobjekten wächst und zwingt öffentliche Haushalte zu immer höherer Schuldenaufnahme, damit die in den Anlagemarkt drängende Liquidität absorbiert werden kann. Die Bonität der Staaten sinkt daraufhin weiter, was zu steigenden Zinssätzen für Staatsobligationen führt. Der Zirkel ist damit geschlossen.
Ähnlich gravierend sind die Auswirkungen auf die Eigentumsverhältnisse der Bürger. Gesellschaftliche Absteiger, die Wertpapiere oder andere renditeträchtige Objekte wie Immobilien besitzen, müssen diese sukzessive veräußern. Zwar profitieren sie vom höheren Preisniveau, doch bald sind die Mittel aufgebraucht. Dagegen sind für gesellschaftliche Aufsteiger, die ihre Ersparnisse anlegen wollen, die Anlageobjekte zunehmend unerschwinglich. Es vollzieht sich ein Enteignungsprozess, der die Konzentration von Vermögen in den Händen weniger beschleunigt. Haushalte der gesellschaftlichen Mittelschichten müssen sich nicht nur immer häufiger mit prekärer Beschäftigung abfinden, sondern verlieren zugleich Ersparnisse und persönliches Eigentum.
Die Rücklagen der Privathaushalte sinken, Wohneigentum wird durch Mietverhältnisse ersetzt. Dadurch wird die Konsumnachfrage beeinträchtigt und in deren Folge die Investitionstätigkeit. Es vollzieht sich auch hier ein Teufelskreis, der die weiteren Schritte Verminderung der Anlageobjekte, Vermehrung der überschüssigen Geldmittel, noch stärkere Kurssteigerungen und schließlich weitere Vermögenskonzentration durchläuft.
Ferner wird die Volkswirtschaft durch Spekulation mit Rohstoffen, Lebensmitteln und Immobilien belastet. Je knapper das Angebot an Anlagetiteln in Relation zur verfügbaren Geldmenge ist, desto mehr Mittel streben in Bestände des Gütermarkts. Die steigende Volatilität der Kurse überträgt sich in Gestalt zunehmender Preisschwankungen auf die Realwirtschaft.
Dennoch erscheinen Ängste vor einer bevorstehenden Hyperinflation nicht begründet. Bei drohenden Versorgungsengpässen bis hin zu Hungersnöten dürfte es Regierungen und internationale Organisationen überwiegend gelingen, das Preisniveau durch eine Aktivierung von Reserven zu glätten. Auch soll die Reaktionsfähigkeit der Märkte nicht unterschätzt werden, da sich bei Knappheit die Gewinnmargen erhöhen. Auf Angebotsengpässe folgt daher meistens ein Überangebot mit Preissenkungseffekten. Befürchtungen eines drohenden Überschwappens der Inflation im Anlagebereich auf die Realwirtschaft verkennen den Tatbestand, dass beide Märkte unterschiedliche Züge tragen.
Eine Umverteilung zu Gunsten der Konsumentenseite bietet offenbar die einzig tragbare Lösung. Der bequemste und effektivste Weg ist eine größere steuerliche Belastung vermögender Haushalte. Mittels höherer Steuereinnahmen ließen sich Privathaushalte entlasten und öffentliche Leistungen ausbauen. Staatliche Mittel könnten für Zukunftsinvestitionen, für ökologische Zwecke und zur Unterstützung armer Volkswirtschaften verwendet werden. Zwar garantiert ihre Vermehrung keinen nachhaltigen Einsatz, aber sie ist unerlässlich für eine prosperierende Wirtschaft.