Un-Happiness Is A Warm Gun
Gespräche über das Morden
Vor gut 40 Jahren wurde John Lennon in New York erschossen. Irgendeine Berühmtheit nebenan hörte den typischen Knall der Pistole, Peng, Peng, Peng und nochmal Peng, und dachte, es ist eine Schande, schon wieder erschießt die New Yorker Polizei irgendeinen unschuldigen Schwarzen.
Dass gerade eben ein kapitales Verbrechen an einem der berühmtesten weißen Männer passiert war, erfuhr besagte Celebrity erst später. Truman Capote war auch anwesend und erzählte nachher, genau in dem Moment, als John Lennon erschossen wurde, sei in dem Dakota Hochhaus, wo er (Lennon) wohnte, eine große dänische Dogge aus dem Fenster im 20. Stock hinaus gesprungen. Ebenfalls in den Tod. Vielleicht hatte der Hund einen besonderen Draht zu Lennon gehabt und wollte ihm zu Hilfe eilen? Oder Capote hat einfach nur gesponnen, er hatte ja so eine Sehnsucht danach, sich in Mordgeschichten ("Kaltblütig") mit hinein zu drängen.
Jedenfalls war der Täter ein junger Mann, der sich in Hawaii eine japanische Frau zugelegt hatte - von denen es in Hawaii nicht eben wenige gibt - und war damit schon mal in einer guten psychischen Disposition, um sich an Lennons Stelle in die Weltgeschichte einzuspinnen. Er würde Lennon werden, und die kleine Japanerin aus Hawaii würde Yoko sein.
Nun war es ja für einen Verrückten eine Kleinigkeit, sich in Lennons Welt hinein zu denken. Denn obwohl das jetzt quasi der weltgrößte Beatle war, so hatte er doch zum Beispiel nur eine geringe Kenntnis vom Blues und Rockenroll. Auf seinen herzlich unanhörbaren R&R-Nostalgie-Aufnahmen aus den Siebzigerjahren sticht eben grade mal ein Song hervor - den er nicht einmal selber geschrieben hat, aber so klingt, als hätte er ihn geschrieben. "Stand By Me" - aber zu der Aufnahme war Paul McCartney eben zufällig nicht im Studio erschienen.
Im Grunde war Lennon eine Art Wild Man Fisher ohne Zappa, großartig mit einem fachkundigen Gehilfen, eher zweitrangig ohne einen solchen. Die vorher nicht einstudierten R&R-Nummern aus Montreal, Live mit Hilfe von Clapton und Co vorgetragen, konnten deshalb eben doch noch begeistern, weil die richtigen Hiwis mit dabei waren. Während Yoko natürlich ein bisschen langatmig daher wimmerte, aber man kann das auch eine Art Totengesang nennen. Es kommt eben auf die Stimmung an. Die finnischen Värttinä-Frauen singen nicht viel anders als Yoko, aber man hört deutlich, welche Hexenverfluchungen sie da vorbringen.
Gut möglich, dass Lennon nicht ahnte, oder nie ahnte, woher das Unheil ihn ereilen würde. Aber es war sicher nicht schwer, sich vorzustellen, wie das verrückte Mörderpaar aus Hawaii ihre Beute anpeilte.
Erst fahren wir nach New York, dann warten wir draußen vor dem Dakota. Dann gehst du auf ihn zu und lässt dir sein neues Album signieren. Dann folgen wir ihm nachher, wenn er aus dem Studio zurückkommt. Wenn Leute mit dabei sind, machen wir's morgen, aber Security hat er ja keine, oder ist dir was aufgefallen? Nein.
Und also hingegangen und dann KNALL. "I think I've been hit", ich glaub ich bin getroffen, sollen Lennons letzte Worte gewesen sein. Mark Chapman blieb stehen und wartete bis die Polizisten kamen, Yoko schrie, und die Japanerin aus Hawaii stand wie beim Zappelphillip aus dem Struwwelpeter dabei und schaute bloß stumm in die Runde.
Angeblich hatte Mark Chapman den "Fänger im Roggen" mehrfach gelesen, das amerikanische Kultbuch mehrerer Teenager-Generationen. Mittlerweile hatten etliche Generationen von Schulbibliotheksleiterinnen in den USA das Buch auch studiert und mitgezählt, dass das Wort "Fuck" 44 mal in dem Text vorkam.
Die Penguin-Lektoren hatten es geflissentlich 44 mal herausgestrichen, so dass der deutsche Autor Heinrich Böll, der ja vor seinem Millionengewinn bei der Nobel-Lotterie noch einfache Brotarbeiten leisten musste, das besagte Wörtchen ebenfalls 44 mal nicht übersetzen musste. Was ihm allerdings zeitlebens unbekannt blieb. In einem Interview erzählte er später, dass ihm das Übersetzen von Salinger aber sehr geholfen habe, beim Schreiben seines eigenen Buches - "Ansichten eines Clowns" - für das er eben den Nobelpreis bekam, eine runde Million.
Soweit mir bewusst, hat Bölls Text aber noch niemanden zu einem Mord animiert, während der Fänger im Roggen neben Chapman auch noch jenen Möchtegern-Mörder inspirierte, der seine Winz-Patronen auf Ronald Reagan abfeuerte. Bei Chapman stelle ich mir vor, wie er mit seiner Braut zum Beispiel auf Honolulu die Beatles- und Stones-Platten anhört - und bei den Stones wissen wir ja, dass es Brian Jones war, der sich richtig mit dem Blues auskannte.
Der Blues-Sänger Howlin' Wolf besang recht unzweideutig seinen eigenen Schwanz: "Ich hab da einen kleinen roten Gockelhahn, der hält sonst immer die ganzen Hühner auf dem Hühnerhof in Trab, aber jetzt ist er irgendwie abgeschlafft. Wenn ihr ihn findet, schickt ihn wieder heim zu mir."
Klagelied eines älteren Herrn, lange vor Viagra
Der junge Mick Jagger sang, "ICH bin ein kleiner roter Gockelhahn, ich halte die Hühner hier auf Trab", und es war ihm scheißegal, ob Brian Jones mit der Gitarre den Hofhund bellen ließ - der Little Red Rooster zog seine Sache durch.
Lennon hatte von der gesamten Blues-Euphemistik offenbar immer nur das eine Bild mitbekommen: Da zückt einer seine Pistole und ballert seiner Frau auf die Zielschreibe. "When I pull my trigger" - wenn ich an meinem Abzugshahn ziehe - uhhh, dann solltet ihr mal hören, wie sie aufjault. Also Liebe immer auch mit Schmerzen zufügen verbunden, oder anders gesagt "Happiness is a warm gun", Glücklichsein bedeutet, dass einem die Schusswaffe heiß gelaufen ist.
Ja und daneben immer die Selbstmordtexte, oder wie die Dinge jetzt laufen, werden sie mich noch mal ans Kreuz schlagen. Todessehnsucht. Die Ballade von John und Yoko. Eigentlich ein öder Song, ein langweiliger Vers nach dem anderen, aber der geniale Paul McCartney spielt mit, Schagzeug, Bass, Elvis-Gitarre und wir haben wieder mal einen weiteren Beatles-Klassiker.
Und Mark Chapman denkt, Ja, du dumme Sau, das kannst du gerne haben. Du bist ja nur ein Phoney, ein verlogener falscher Hund, du mit deiner japanischen Schnepfe, die im Dakota ein ganzes Stockwerk nur für ihre Pelzmäntel gemietet oder eingekauft hat. Von wegen "Imagine no possessions" - ich möcht gern wissen ob DU dir vorstellen kannst so wie wir in totaler Armut in Honolulu zu leben, umgeben von Kakerlaken.
Also zieht das Mörderpaar nach New York, und wer weiß, ob es nicht der Hass auf Yoko war, der Mark Chapmans Freundin noch mal extra aufreizte, Mark Chapman aufzustacheln. Der Hass auf die Pelzmäntel.