Unangenehme Wahrheiten
"Business as usual" heißt für Apple (wie für andere): Neo-Kolonialismus wie üblich
Chinesische Autoren verklagen Apple wegen Urheberrechtsverletzungen, angeblich werden gestohlene Inhalte von ihnen im iBooks-Store gehandelt. Ob Versehen oder nicht - Apple hat mit China generell ein dickes Problem. Oder umgekehrt.
Konkret geht es um eine Zivilklage, die eine Gruppe um die Autoren Han Han und Li Chengpeng gegen Apple angestrengt hat. Für die angeblich illegale Verbreitung ihrer Werke durch Apple wollen sie vom Prozessgegner aus Cupertino umgerechnet 1,9 Millionen Dollar haben.
Dass sie nicht völlig auf verlorenem Posten stehen, belegen ähnliche Prozesse gegen Google und Baidu (den Konzern hinter der beliebtesten chinesischen Suchmaschine), die für beide Suchmaschinenbetreiber unschön ausgingen. Was die Klage gegen Apple aber besonders macht, ist die Tatsache, dass sie zusammen mit anderen Vorgängen in China ein wenig freundliches Licht auf die Beziehungen zwischen dem Hersteller der iGeräte und vor allem der Volksrepublik China, respektive ihren Bewohnern, wirft. So steht Apple zum Beispiel (wieder einmal) am Pranger, was die Arbeitsbedingungen seiner chinesischen Zuliefererfirmen angeht.
Das Kloster muss florieren
Wie Henry Blodget, der ehemalige Wall Street Analyst und Chefredakteur des "Business Insider", in einem seiner jüngeren Artikel beschreibt, hat sich an den Arbeitsbedingungen, die seinerzeit eine Suizidwelle bei Foxconn auslösten (Die Barbarei des Normalzustands) nichts geändert. Kinderarbeit, Überausbeutung durch extrem lange Wochenarbeitszeiten, lächerliche Löhne und das Verbot gewerkschaftlicher Organisation sind nach wie vor an der Tagesordnung.
Daran ändern auch die schönen Worte des neuen Apple-CEO Tim Cook nichts, der in einem neuerdings an die Öffentlichkeit gelangten Memo behauptet hat, dass all diese Missstände auf dem Weg der Besserung seien.
Missstände dieser Art sind deswegen nicht verbesserbar, weil sie so nützlich sind. Es mag sogar stimmen, wenn Tim Cook behauptet, dass Geld für ihn keine Motivation darstellt. Die Apple-Granden geben sich ja gern als eine Art Zen-Mönche der IT-Branche, und wie bei Zen-Klöstern kann es durchaus sein, dass die einzelnen Funktionäre nicht mit Geld um sich werfen - aber das Kloster muss florieren.
Gerade Apple ist neben seiner Prozessfreudigkeit dafür bekannt, dass man seine unglaublich hohen Barreserven für die strategische Optimierung der eigenen Zuliefererketten verwendet - bis hin zum Erwürgen von Konkurrenten. Möglich gemacht hat diese beispiellose Gängelung der Zulieferer das strategische Genie von - Tim Cook.
Apple braucht China und benutzt es nach Belieben
Wenn man so flüssig bleiben will, dann kommen die außergewöhnlich hohen Gewinnspannen, die den Erfolg von Apple begleiten, gerade recht, und diese Gewinnspannen werden garantiert durch Zulieferer, die 13-Jährige pro Tag 16 Stunden schuften lassen, und die Ansätzen gewerkschaftlicher Organisation mit blanker Repression begegnen. Neo-Kolonialismus wie aus dem Bilderbuch. Deswegen ist auch die Idee von Henry Blodget zur Missstandsmilderung so naiv: Die Strategen von Apple werden den Teufel tun, strategische Vorteile aus der Hand zu geben, die ihnen durch die Hyper-Liquidität der Firma erwachsen sind.
Die Moral von der Geschicht' ist eine mehrfache. Die chinesischen Arbeiter und Arbeiterinnen können sich auf ein Fortdauern von Arbeitsbedingungen gefasst machen, die jeder Beschreibung spotten. Der Skandal wird der Normalfall bleiben. Apple wird weiterhin sein "intellektuelles Eigentum" mit extremer Militanz verteidigen, während die chinesischen Autoren und Autorinnen, die sich von Apple betrogen sehen, mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Einzelfall bleiben werden - immerhin sind sie überhaupt in der Lage, sich juristisch gegen den IT-Giganten zu wehren, was den Kinderarbeitern eher schwer fallen dürfte. Fazit: Apple braucht China und benutzt es nach Belieben.
Dass Apple faszinierende Produkte von marktbeherrschender technologischer Kreativität auf den Markt bringen kann, weil Leute wie Jonathan Ive sie designen, ist das Eine. Dass die Firma dabei kein Wunderding, sondern ein Musterbeispiel für modernen Kapitalismus ist, dessen "Funktionieren" durch Hunderttausende Arbeitern und Arbeiterinnen unter elenden Bedingungen garantiert wird, ist das Andere. Und dass die anderen es nicht anders, sondern in der Regel schlechter machen, macht die ganze Sache eher noch schlimmer.