Undemokratischer Rüstungsdeal heißt jetzt "Ringtausch"
Deutscher Bundeskanzler informiert die Griechen über Panzergeschäft zugunsten der Ukraine. Nicht nur das sorgte in Athen für Verwunderung
In der vergangenen Woche erfuhren die Griechen aus dem Mund des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz, dass ihr Land Panzer in die Ukraine liefern wird. Im Gegenzug soll jeder gelieferte Panzer sowjetischer Bauart vom Typ BMP-1 durch einen deutschen Marder 1A 3/5 ersetzt werden.
Die Reaktionen auf die Nachricht fielen gemischt aus. Das, was Scholz bekannt gab, hatte der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis in seiner Pressekonferenz nach dem Treffen mit Scholz schließlich verschwiegen.
Zunächst einmal störten sich sämtliche Oppositionsparteien daran, dass sie von der griechischen Regierung nicht informiert worden waren. "Wir halten es für ein Unding, dass das griechische Volk diese Nachricht von dem deutschen Bundeskanzler erfährt, zu einem Zeitpunkt, an dem der griechische Ministerpräsident in seinem eigenen Interview kein Wort gesagt hat", heißt es in der Verlautbarung der linksgerichteten Oppositionspartei Syriza.
"Die Regierung muss die politischen Parteien über alle Aspekte dieser Vereinbarung informieren, die Herr Mitsotakis während seiner Äußerungen vor Journalisten verschwiegen hat und was berechtigte Fragen zum wahren Inhalt des Treffens mit Herrn Scholz aufgeworfen hat", meint die sozialdemokratische Pasok.
Die in Griechenland einflussreiche Kommunistische Partei kommentierte: "Die Regierung der Nea Dimokratia intensiviert die gefährliche Beteiligung unseres Landes am Krieg in der Ukraine, diesmal durch die Entsendung von gepanzerten Fahrzeugen." Auch die Kommunisten wiesen darauf hin, dass Scholz den Deal bekannt gemacht hatte, "während Herr Mitsotakis ihn in seiner eigenen Pressekonferenz verschwieg".
Es ist bezeichnend, dass sich die ersten Nachrichten über den Ringtausch in griechischen Medien auf die Nachrichtenagentur Reuters und nicht auf griechische Quellen beriefen.
Nach Scholz‘ Verlautbarung wurde mitgeteilt, dass Einzelheiten des Deals von den jeweiligen Verteidigungsministern ausgehandelt würden. Wenige Stunden nach Scholz Bekanntgabe erst meldete sich das griechische Verteidigungsministerium:
Das Verteidigungsministerium gibt bekannt, dass nach vorangegangenen Gesprächen und nach dem heutigen Treffen des Premierministers Kyriakos Mitsotakis mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz die Abgabe gepanzerter Kampffahrzeuge ostdeutscher Herkunft (sic!) vom Typ BMP-1 (Lieferung 1994) an die Ukraine vereinbart wurde und diese gleichzeitig durch eine gleiche Anzahl in Deutschland hergestellter Marder-Kampffahrzeuge ersetzt werden.
Die Einzelheiten werden zeitnah zwischen dem Bundesministerium der Landesverteidigung und dem Bundesministerium der Verteidigung geregelt, um die Vereinbarung schnellstmöglich umzusetzen.
Berlin und Washington informieren, Griechenlands Premier schweigt
Durch Scholz‘ Äußerung löste sich ein Rätsel auf. Denn eine Woche zuvor schon hatte sich der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bei Griechen und Tschechen für die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine bedankt. Dies führte zu einer bis dahin unbeantworteten parlamentarischen Anfrage der größten Oppositionspartei Syriza. Sie lautete:
Der zuständige Minister wird gefragt: Beabsichtigt er, das griechische Volk über das griechische Parlament anlässlich unserer aktuellen Anfrage über die Mengen und Kategorien von Waffen und Munition der griechischen Streitkräfte, die seit Beginn des Krieges bis dato von der griechischen Regierung in die Ukraine geschickt worden sind, zu informieren und darüber in Kenntnis zu setzen, ob es einen Plan gibt, diese Lieferungen fortzusetzen?
Und da dies der Fall zu sein scheint: Auf der Grundlage welcher offiziellen Entscheidungen hat die Regierung diese Initiativen ergriffen? Wurden Verträge unterzeichnet? Warum wurden die zuständigen parlamentarischen Ausschüsse nicht informiert und schließlich, auf welcher Rechtsgrundlage stehen diese Lieferungen?
Statt im Parlament antworteten Regierungsvertreter wie der ministerielle Staatssekretär im Bildungsministerium, Angelos Syrigos, nach Scholz‘ Bekanntgabe im Fernsehen. Syrigos meinte in einer Nachrichtensendung des Staatssenders ERT 1, dass die überalterten BMP-1 durch diesen Deal mit ultramodernen Waffensystemen, wie dem Marder ersetzt würden.
Sind die Marder "ultramodern"?
Zwischen Regierung und Opposition brach daraufhin ein Streit darüber aus, wie sinnvoll der Austausch der auf Grenzinseln in der Ägäis stationierten BMP-1 durch "Marder" ist. Einige der Argumente glichen der Diskussion, die es in Deutschland über eine mögliche direkte Sendung der "Marder" in die Ukraine gab; etwa die Frage, wie es um die Wartung der Panzer und die Schulung der Fahrer steht.
Zudem merken Vertreter der Opposition an, der "Ringtausch" sei nichts als der Tausch eines Schrottpanzers gegen den nächsten. Dabei legen die Kritiker ihr Augenmerk auf das Kaliber der Panzerkanone. Der BMP-1 hat mit 73 mm das größere Kaliber.
Der ehemalige Oberkommandierende der griechischen Streitkräfte, Konstantinos Ziazias, aber warf ein, dass die Bordkanone des BMP-1 vorwiegend bei schlechten Wetterverhältnissen in Manövern jede Schießübung zum Glücksspiel werden ließ. Ziazias bezeichnete die BMP-1 als "Todesfallen für die Besatzung" und beruft sich hierbei auch auf deren Einsatz durch Israel im Jom-Kippur-Krieg. Laut Ziazias soll ohnehin erst dann in die Ukraine geliefert werden, wenn die Marder aus Deutschland eingetroffen sind.
Ist der Marder ein besseres gepanzertes Fahrzeug?
Gemäß dem Studienleiter am Institut für Sicherheits- und Verteidigungsanalyse, Zacharias Michas, steht die Überlegenheit der Marder außer Frage, wenn die aus Deutschland gelieferten Marder mit der von der Bundeswehr verwendeten Panzerabwehrwaffe Milan geliefert werden. Auch ohne Milan meint Michas, dass die Waffensysteme des Marders präziser und die Panzerung effektiver sei. Die passende Munition wird zudem in Griechenland hergestellt.
Griechenland hatte in den Neunzigerjahren 501 BMP-1 aus den Beständen der NVA übernommen. Hergestellt wurden die BMP-1 des griechischen Heers von 1966 bis 1976. Das Heer besitzt auch BMP-1P Modelle aus den Jahren 1979-1983.
Rund 100 dieser Fahrzeuge wurden ab Mitte der 2010er-Jahre modernisiert, mit neuer Bewaffnung ausgestattet und auf den Inseln der Ost-Ägäis eingesetzt. Die übrigen noch in Beständen der griechischen Armee befindlichen BMP-1 sollen laut der griechischen Regierung in den Lagern des Militärs vor sich hin rosten
2005 wollte die damalige griechische Regierung unter Kostas Karamanlis von der Nea Dimokratia die 501 BMP-1 an die irakische Armee übergeben. Auch damals sollten sie durch Marder ersetzt werden. Der Deal platzte.
Schließlich übernahm der Irak 100 Panzerfahrzeuge, 50 wurden von der griechischen Armee zur Ersatzteilbeschaffung zerlegt. Im Jahr 2016 verkaufte der rechtspopulistische Koalitionspartner von Alexis Tsipras, Verteidigungsminister Panos Kammenos, 92 BMP-1A1 nach Ägypten. Sie wurden durch 196 US-Panzerfahrzeuge vom Typ M-113A2 ersetzt.