Undercover als Praktikant im Propagandakrieg bei RT Deutsch
- Undercover als Praktikant im Propagandakrieg bei RT Deutsch
- Aus dem Anfangsverdacht "vom Kreml gelenkt" wurde ein "sehr verschlossenes Medienunternehmen"
- "Es werden Halbwahrheiten und Falschinformationen verbreitet"
- Auf einer Seite lesen
Martin Schlak über seine Zeit beim russischen Auslandssender
Drei Wochen lang hat Martin Schlak für eine NEON-Reportage ein Undercover-Praktikum bei RT Deutsch gemacht. Nun kann er auch "Propaganda schreiben", wie er nach seinem Erfahrungsbericht meint: Undercover bei Putins Propagandasender. Damit liegt er voll im Kurs der Leitmedien, auch ohne Beweise gefunden zu haben. Ein Gespräch mit GEO-Reporter Schlak.
Herr Schlak, welcher Verdacht veranlasste die NEON-Redaktion, einen Mitarbeiter als Undercover-Praktikanten zu RT Deutsch zu schicken?
Martin Schlak: Ziel der Recherche war es herauszufinden, wie in der Redaktion von "RT Deutsch" gearbeitet wird. Es gab ausreichend Hinweise darauf, dass die Berichterstattung nicht ausgewogen ist, sondern vom Kreml gelenkt, um die politische Debatte und öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen. "RT Deutsch" wird vom Bundespresseamt beobachtet. In den internen Berichten heißt es, die Berichte hätten "einseitig tendenziösen, propagandistischen Charakter". Gerade im Zusammenhang mit den sogenannten Fake News, die dazu geeignet sind, politische Stimmungen und Wahlentscheidungen zu beeinflussen und somit potenziell demokratiegefährdend wirken können, hat das Thema eine außerordentlich hohe gesellschaftliche Relevanz.
Welche konkreten Hinweise lagen denn vor? Einseitige, tendenziöse und propagandistische Berichterstattung kann man, geht es um Syrien, die Ukraine oder die US-Wahlen, nahezu jedem deutschen Leitmedium vorwerfen. Und wenn Sie von Falschmeldungen sprechen. Die tödlichsten "Fake News" der letzten Jahre, ob die Brutkastenlüge, der Hufeisenplan oder die Massenvernichtungswaffen im Irak, wurden von westlichen Leitmedien verbreitet. Nur wer selber seriös und sauber arbeitet, kann andere glaubwürdig verurteilen. Sollte man nicht lieber den Balken im eigenen Auge entfernen?
Martin Schlak: Zur ersten Frage verweise ich auf die detaillierte Arbeit der EU East StratCom Task Force, die regelmäßig den Disinformation Review herausgibt. Dieser Newsletter protokolliert falsche Informationen auf russischen Nachrichtenseiten, darunter auch auf rt.com.
Ich möchte hier nur ein Beispiel nennen: Am 13. April schrieb "RT Deutsch" über einen Einsatz der Bundeswehr: "Vor wenigen Wochen (...) hat man die deutsche nationale Entscheidung über den sogenannten Parlamentsvorbehalt aufgegeben und der NATO-Befehlsgewalt die verzugslose Unterstellung der Bundeswehr garantiert." Das ist falsch. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz sagt: Ein Einsatz der Bundeswehr im Ausland muss immer vom Bundestag beschlossen werden. Es gibt weitere Beispiele, für jeden nachzulesen: bereits widerlegte Behauptungen, die weiter verbreitet werden, Halbwahrheiten, Verdrehungen, Lügen.
Ich kann keinem deutschen Leitmedium propagandistische Berichterstattung vorwerfen, denn das hieße: staatlich gelenkt zu sein. Und dafür gibt es hierzulande keine ernsthaften Anhaltspunkte - zum Glück. Dass Medien einseitig berichten und sich Journalisten ganz sicher zu selten ihre eigenen Urteile hinterfragen, kommt leider immer wieder vor, und genau das wird in meinem Artikel ja auch thematisiert.
Gut, lassen wir die genannten Beispiele und den Balken im eigenen Auge beiseite. Sind Sie zum Praktikum bei RT mit einer Zielvorgabe losgezogen oder wäre auch ein Ende ohne Artikel möglich gewesen, etwa weil sich Ihr Verdacht nicht bestätigt hat?
Martin Schlak: Es hat keine Zielvorgabe seitens der "NEON"-Redaktion gegeben. Die Recherche war als offene Recherche angelegt. Da ich als freiberuflicher Journalist beauftragt war, kann ich über die redaktionellen Entscheidungen der Redaktion im Falle eines anderen Ausgangs der Recherche nichts sagen.
Sie machen aus Ihrer Befangenheit gegenüber RT kein Geheimnis. Im Medienmagazin "Journalist" bringen Sie den Sender, die Partei Die Linke und die Friedensbewegung zusammen. Die Leute bei RT würden zu ihrer Arbeit stehen. Sie fragen sich auch, "ob man mit RT im Lebenslauf weit kommt". Vertreten Sie Ihre Arbeit auch oder geht es Ihnen, wie angedeutet, primär um die Karriere, weniger um die Wahrheit?
Martin Schlak: In dieser Frage verwechseln Sie Anfangsverdacht mit Befangenheit. Es gab einen Anfangsverdacht, aber keine Befangenheit meinerseits. Es ging mir immer um die Wahrheit. Ich weise darauf hin, dass mein Text selbst von der "RT"-Redaktion mit den Worten "Fairness und Ehrlichkeit" bedacht wurde.
Sie schreiben in Ihrem Artikel, dass die "Welt", der "Focus" und der "Spiegel" RT als "Putins Propagandasender" bezeichnen, bringen aber keine Gegenstimmen oder Beweise und schreiben, dass Sie es sich irgendwie anders bei Putins Propagandasender vorgestellt haben. Also für mich klingt das schon etwas befangen. Herr Schlak, ganz ehrlich, die Stimmung gegen RT hat Sie kein bisschen beeinflusst?
Martin Schlak: Natürlich gehen Sie mit einer gewissen Überzeugung in eine solche Recherche, so wie in jede andere Recherche. Doch Befangenheit hieße ja, diese Überzeugung nicht revidieren zu wollen, wenn die Fakten anders sind. Dazu wäre ich bereit gewesen.