"Unersetzbarer Retter"
Die oppositionelle Linke konnte zwar einen Achtungserfolg bei den Präsidentschaftswahlen in Kolumbien erzielen, aber Uribe wurde mit großer Mehrheit als Präsident bestätigt
Mit fast zwei Drittel aller abgegebenen Stimmen wurde Präsident Álvaro Uribe Vélez bei den Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag in Kolumbien für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. Damit entzog sich das Land weitgehend den Linkstendenzen auf dem Kontinent, aber nicht dem Hang zum Populismus, den Uribe als “unersetzbarer Retter” verkörpert.
Die Überraschung blieb bei den Präsidentschaftswahlen in Kolumbien am vergangenen Sonntag aus. Der rechtskonservative amtierende Präsident Álvaro Uribe Vélez wurde nicht nur für weitere vier Jahre im Amt bestätigt, sondern konnte entgegen letzter Prognosen weit mehr Stimmen auf sich vereinen als noch im Jahr 2002 (Krieg und Krise). Mit 62,2 Prozent setzte sich Uribe bei einer schwachen Wahlbeteiligung von rund 45 Prozent bereits im ersten Wahlgang gegen seine Kontrahenten durch, von denen Carlos Gaviria vom linken Alternativen Demokratischen Pol bis zum letzten Moment auf eine Stichwahl mit dem Amtsinhaber hoffte. Offenbar gelang es aber Uribe, die große Mehrheit der kolumbianischen Bevölkerung von einer Kontinuität seiner Politik der “Demokratischen Sicherheit” zu überzeugen, die eine stärkere militärische Konfrontation gegenüber den Rebellengruppen vorsieht.
Die Linke unter Gaviria konnte trotz des Erdrutschsiegs von Uribe einen historischen Erfolg erzielen. Mit 22 Prozent setzte sich Gaviria an die zweite Stelle und festigte damit die Linke nach einer blutigen Vergangenheit als ernst zu nehmende politische Kraft in Kolumbien, welche sich nun auf die Opposition konzentrieren will. Gaviria forderte die Anhänger des Bündnisses energisch auf, geschlossen diese Rolle wahrzunehmen. “Wir werden uns spürbar machen”, so Gaviria, der auf eine Stärkung der Linken in den nächsten Jahren in der Oppositionsrolle “ohne auf die Knie zu fallen” hinarbeiten will. “Wir haben unseren Stimmenanteil im Vergleich zu den letzten Wahlen vervierfachen können”, stellte Gaviria euphorisch fest. “Warum sollten wir das bis 2010 nicht noch einmal schaffen können?”
Doch zunächst hat Kolumbien eine geeinte Opposition nötig. Bei den Kongresswahlen im März dieses Jahres konnten dem Präsidenten nahestehende Parteien rund 60 Prozent der Sitze im Senat und Abgeordnetenhaus gewinnen, was Uribe in der kommenden Amtszeit freie Hand für seine Politik gibt. Der abgeschlagene Präsidentschaftskandidat und Ex –Bürgermeister von Bogota, Antanas Mockus, warnte daher vor Überheblichkeit durch die absolute Mehrheit. “In einer Demokratie muss die Minderheit respektiert werden”, so Mockus, der damit auf den autoritären Führungsstil Uribes abzielte. Präsident Uribe erklärte dazu, dass “unter dem gemeinsamen patriotischen Himmel Platz für eine pluralistische Politik” herrsche und rief versöhnlich zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit seiner Regierung auf. Nötig hat er diese parlamentarisch jedoch nicht.
“Kollektive Verliebtheit”
Mehrere Korruptionsskandale in den letzten Wochen und der Verdacht des Wahlbetrugs bei den Präsidentschaftswahlen 2002 zugunsten Uribes, in welche der kolumbianische Geheimdienst verstrickt gewesen sein soll, konnten Uribes Ansehen offenbar nicht beeinflussen. Die kolumbianische Tageszeitung El Tiempo begründete Uribes Rückhalt in der Bevölkerung mit der Figur “eines Vaters, den sie niemals hatten”, und einer Art “kollektiver Verliebtheit” in den Präsidenten, der seinen Landsleuten mit festem Blick und deftigen Worten ein hartes militärisches Durchgreifen gegen linke Rebellengruppen verspricht. Damit konnte er schon vor vier Jahren einen Erdrutschsieg erzielen, nachdem die Friedensgespräche zwischen Präsident Pastrana und der FARC-Guerilla gescheitert waren. Zwar ist die Regierung weit von einem militärischen Sieg gegen die Guerilla entfernt, was ständige Offensiven der Rebellen bewiesen. Doch für Uribe ist das Grund genug, weiter zu machen: “Die Schlange lebt noch”, erklärte dieser vor den Wahlen die Notwendigkeit weiterer vier Jahre unter seinem Mandat.
Trotz einer neoliberal geprägten Wirtschaftspolitik, welche eine Privatisierungswelle im Land und soziale Einschnitte etwa bei der Familienfürsorge nach sich zogen, konnte Uribe die letzten Jahre beständig eine Popularität von über 60 Prozent verbuchen, die sich nur schwer erklären lässt. So ging zwar die offizielle Arbeitslosigkeit bei einer kräftig wachsenden Wirtschaft von knapp 20 Prozent auf etwas über zehn Prozent zurück, dagegen stieg die Unterbeschäftigung und die Arbeit im informellen Sektor bedeutend an. Besonders im Bereich der Erziehung schnitt die Regierung die letzten Jahre schlecht ab: Der Anteil der Analphabeten an der Gesamtbevölkerung stieg mit über zehn Prozent die letzten Jahre wieder an, die Zahl der Schul- und Universitätsabschlüsse sank dagegen. Um Uribes Popularität zu begründen, lassen sich daher weniger wirtschaftliche Zahlen oder soziale Daten heranziehen, sondern dessen Gespür für die politische Konjunktur seines Landes.
Laut dem kolumbianischen Soziologen Victor Reyes gelingt es Uribe, sich als den Präsidenten zu verkaufen, der den bewaffneten Konflikt im Land eindämmt. Aber dass dieser nach wie vor nicht beendet ist, bringe ihn laut Reyes in die Position eines “unersetzbaren Retters” in weiten Teilen der Gesellschaft, die ungeduldig auf ein Ende des Konflikts warten. “Die Liebe ist blind”, meint Reyes, der damit begründet, dass Uribes begangene Fehler unter diesem Stigma bisher unter den Wählern Vergebung gefunden haben.
Uribe ließ sich, seiner Popularität bewusst, vor den Wahlen denn auch auf keine öffentlichen Debatten mit seinen Kontrahenten ein, die ihm nur Stimmen hätten kosten können. Nicht zuletzt deshalb machte sich der Eindruck breit, dass der Wahlkampf überaus langweilig und emotionslos über die Bühne ging, da Uribe nie die Rolle des Favoriten einbüßte. “Demokratische Sicherheit oder ein maskierter Kommunismus”, so schilderte Uribe die Alternative, nachdem Gaviria die Wochen vor den Wahlen überaus schnell punkten konnte. Die Mehrheit folgte ihm und bestätigte Uribe für weitere vier Jahre im Amt. Und dabei könnte es nicht bleiben: Bereits jetzt basteln Abgeordnete und Anhänger an einem Entwurf zu einer weiteren Verfassungsänderung, welche eine dritte Amtszeit Uribes 2010 ermöglichen soll.