Krieg und Krise
Politische Gespräche, Militarisierung und Krise in Kolumbien
In wenigen Wochen ist die Regierung Uribe zwei Jahre im Amt (Ein akzeptiertes Gewaltregime), und es scheint, als gerieten die kolumbianischen Verhältnisse zur Hälfte der Wahlperiode in Bewegung. Allerdings nicht unbedingt in dem Sinne, die der rechte Hardliner seinen Wählern im Juni 2002 versprochen hatte ("Keinen Schritt zurück").
"Harte Hand und großes Herz" lautete das Motto, mit dem der von einer Allianz aus Liberalen und Konservativen unterstützte Kandidat damals angetreten war. Ein großes Herz zeigte Uribe seitdem jedoch v.a. gegenüber den für mehrere tausend politische Morde jährlich verantwortlichen Paramilitärs. Trotz einiger - medial in Szene gesetzter - Rückzieher hat die Regierung den Tabubruch vollzogen und den rechtsextremen AUC-Todesschwadronen (Autodefensas Unidas de Colombia) den Status eines politischen Akteurs zugestanden.
Anfangs Juli werden in einer den Paramilitärs überlassenen, 400 Quadratkilometer großen Zone im nordkolumbianischen Departement Córdoba die Demobilisierungsgespräche beginnen. Bis zu 20.000 rechte Kämpfer, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Auftrag von Großgrundbesitz und Industrie Bauern vertrieben und Gewerkschafter sowie Menschenrechtsaktivisten verfolgt haben, sollen im Rahmen dieser Verhandlungen in die Legalität zurückkehren.
Noch nicht ausgemacht ist, ob die Verantwortlichen eines der umfangreichsten Vernichtungsfeldzüge in der Geschichte Lateinamerikas mit Straffreiheit rechnen können oder einige Jahre mit Hafterleichterungen absitzen müssen. Umstritten ist außerdem, ob die AUC-Kommandanten einen Schutzbrief gegen Auslieferungen in die USA erhalten. Adolfo Paz, der lange Jahre als Sicherheitsmann des Kokain-Barons Pablo Escobar arbeitete und später maßgeblich zu dessen Ermordung 1993 beitrug, gilt heute als der wichtigste Drogenhändler Kolumbiens und fürchtet sich vor einer Strafverfolgung durch US-Behörden.
Milde gegenüber den Todesschwadronen der Paramilitärs
Dass sich Präsident Álvaro Uribe gegenüber dem Konglomerat aus Drogenhandel und rechten Todesschwadronen so nachgiebig zeigt, ist nicht allzu verwunderlich. Uribes Vater stammt aus dem selben Milieu wie die AUC-Kommandanten. Er war mit dem Capo des Medellín-Kartells Fabio Ochoa befreundet und wurde Anfang der 1980er, wahrscheinlich bei einer Vendetta der Mafia, ermordet. Die Mancusos, deren Sprössling Salvatore heute die AUC leitet, waren Nachbarn der Uribes, und als der heutige Präsident seine Karriere in den 1980er Jahren in der zivilen Luftfahrtbehörde begann, wurden auffällig viele Fluglizenzen an die damals aufstrebenden Drogenhändler vergeben. Einige Jahre später tat sich Uribe, mittlerweile zum Gouverneur des Departements Antioquia aufgestiegen, dadurch hervor, dass er mit den so genannten CONVIVIR legale Paramilitärs organisieren ließ.
Wenn sich die Gespräche zwischen Regierung und Paramilitärs, die von Menschenrechtsbeobachtern ironisch als "Monolog" bezeichnet werden, dennoch immer wieder schwierig gestalten, hat dies wohl auch mit der Furcht im Staatsapparat zu tun, die demobilisierten AUC-Chefs könnten brisante Geheimnisse ausplaudern. Schon aus den heute vorliegenden Justizakten geht hervor, dass Teile des kolumbianischen Establishments am Aufbau und der Finanzierung der Todesschwadronen beteiligt waren und die Armee in vielen Regionen symbiotisch mit den AUC koexistieren.
Der Versuch der Regierung, die Paramilitärs wieder ins normale Leben einzugliedern, geht deshalb mit Anstrengungen einher, weitere Enthüllungen zu vermeiden. Die Regierung macht dies, indem sie gegenüber den Kommandanten Drohgebärden übt. Die AUC-Chefs sollen wissen, dass sie im Ernstfall vom kolumbianischen Staat jederzeit als potenzielle Kronzeugen ausgeschaltet werden können: durch Armeeoperationen oder Auslieferung.
Verhandlungen mit den Guerillas, aber Festhalten am Versuch einer militärischen Lösung
Weil die Legalisierung der Paramilitärs in der internationalen Öffentlichkeit nicht als Friedensprozess wahrgenommen wird, hat Präsident Uribe nun eine zweite Verhandlungsinitiative gestartet. Unter Vermittlung der mexikanischen Regierung hat man Kontakte mit der ELN-Guerilla aufgenommen. Deren inhaftierter Sprecher Francisco Galán verließ unlängst für einen Tag das Hochsicherheitsgefängnis von Itaguí, um sich mit hochrangigen politischen Kommissionen zu treffen.
Die von hohen Erwartungen begleitete Kontaktaufnahme ist vom Status politischer Verhandlungen jedoch noch Lichtjahre entfernt. Die ELN hat im Vorfeld der Gespräche erneut betont, dass ihr Abkommen mit den FARC weiterhin gültig sei und sie mit der Regierung nur über humanitäre Themen wie die Freilassung von Gefangenen sprechen werde. "Uribe führt Krieg gegen die sozialen Bewegungen und ist unfähig zu einer politischen Lösung", hieß es in dem ELN-Kommuniqué. Dass die unter Druck stehende Organisation dennoch zu Gesprächen mit kolumbianischen und internationalen Vermittlern bereit ist, hat mit der Isolation zu tun, in die die Organisation seit der Aufnahme auf die internationalen Terror-Listen geraten ist.
Festzustehen scheint damit, dass die Gespräche, die die Regierung Uribe zur Zeit führt, die grundsätzliche Entwicklung nicht aufheben, sondern eher noch beschleunigen wird. Der rechte Präsident hat mit dem "Plan Patriota" eine neue Runde in der Militarisierung des Landes eingeläutet und setzt weiter auf kriegerische Lösung des sozialen Konflikts. Das Hauptproblem an diesem Konzept ist, dass die wachsenden Militärausgaben der Gesellschaft teuer zu stehen kommen. Seit diesem Jahr werden die Mittelschichten verstärkt besteuert, für die arme Bevölkerungsmehrheit ist die soziale Krise ungebrochen. Eine Regierungsstudie warnte vor diesem Hintergrund bereits im vergangenen Herbst vor dem Aufbruch von Elendsrevolten in den kommenden Jahren. Aus dieser Sicht läuft es für Präsident Uribe trotz hoher Sympathiewerte bei den Meinungsumfragen alles andere als glatt.