Ungeimpfte in EU-Staaten bald ohne Lohn und Arbeitslosengeld
Klassenkampf von oben: Anders als in Frankreich wird hier der Angriff auf erkämpfte Rechte von Lohnabhängigen noch nicht als das beantwortet, was er ist
Am 22. September kommen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern zusammen. Ein wichtiger Punkt wird dort die Frage sein, ob Ungeimpfte, die in Quarantäne müssen, der Lohn weitergezahlt wird. Von verschiedenen Ländern wird Druck auf eine bundeseinheitliche Lösung gemacht. Dabei ist schon klar, dass eine solche Lösung, wenn sie denn zustande kommt, ein Angriff auf die Lohnfortzahlung sein wird. Aus einer Zusammenstellung des Redaktionsnetzwerks Deutschland geht klar hervor, dass schon jetzt in den Bundesländern der Trend besteht, die Lohnfortzahlung abzuschaffen.
Die Politiker berufen sich dabei auf einen Passus im Infektionsschutzgesetz, nach dem sie entfallen soll, wenn die Quarantäne durch eine Impfung vermeidbar gewesen wäre. In diesem Sinne ist Baden-Württemberg als erstes Bundesland vorgeprescht. Dort ist seit dem 15. September die Regelung in Kraft, dass es keine Lohnfortzahlung für Ungeimpfte, die in Quarantäne müssen, mehr gibt.
Bayerns christsozialer Gesundheitsminister Klaus Holetschek will die Lohnfortzahlung für Ungeimpfte ebenfalls abschaffen. Auch die Berliner Landesregierung zeigt Verständnis für diese Vorstöße, drängt aber auf eine bundeseinheitliche Lösung beim Treffen der Gesundheitsminister. Auch Bremen will ab Oktober die Lohnfortzahlung für Ungeimpfte abschaffen.
Fortgesetzte Burgfriedenspolitik
Bremen und Berlin werden von einer Koalition aus SPD, Grünen und Linken regiert. Hier zeigt sich, dass dieses Bündnis der linksreformerischen Parteien auch in dieser Frage den Kurs des Burgfriedens fortsetzt und in Zeiten von Corona nicht als Opposition auftritt. Das ist bei der Frage der Lohnfortzahlung schon aus zwei Gründen bemerkenswert.
Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist durch einen erbitterten Streik erkämpft worden und von der Kapitalseite immer wieder angegriffen worden. Darauf hat auch der gesundheitspolitische Sprecher der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, Wolfgang Albers, mit Recht hingewiesen. Er sieht in der Streichung der Lohnfortzahlung bei Ungeimpften Einfallstor. Künftig könnten auch andere angeblich selbstverschuldete Krankmeldungen auf diese Weise sanktioniert werden.
Wirtschaftsliberale fordern so etwas seit Langen. Deshalb hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) moderaten Protest eingelegt. Doch eigentlich wären gegen diesen Angriff auf die Rechte von Lohnabhängigen Proteste auf der Straße und in den Betrieben nötig. Sie könnten sich von der teilweise irrationalen Bewegung der Corona-Maßnahmenkritiker abheben, indem sie soziale Themen wie den Angriff auf die Errungenschaften der Arbeiterbewegung in den Mittelpunkt stellen.
Europaweite Angriffe auf Rechte von Lohnabhängigen
Dabei könnte man sich an ähnlichen sozialen Protesten in anderen europäischen Ländern berufen. So waren beispielsweise in Frankreich auch viele Basisgewerkschafter auf der Straße, um gegen den Impfzwang in bestimmten Berufsgruppen zu protestieren. Es ging den Gewerkschaftern dabei nicht um eine generelle Ablehnung des Impfens, aber gegen den Impfzwang und gegen die Sanktionierung von Ungeimpften. Derweil gehen auf europäischer Ebene die Angriffe auf soziale Rechte weiter.
Hier ist Italien auf EU-Ebene vorgeprescht und schreibt allen Beschäftigten eine Impfung vor. Wer ohne Impfzertifikat zur Arbeit kommt, wird ohne Lohn beurlaubt, aber nicht gekündigt. Die "schwarz-grüne" Regierung Österreichs zieht die Daumenschrauben noch weiter an und will Ungeimpften, die in Teilen der Presse gleich zu Impfverweigerern erklärt werden, das Arbeitslosengeld verweigern, wenn sie eine angebotene Stelle nicht annehmen, weil dort eine Impfung verlangt wird oder weil sie sich auf eine solche Stelle erst gar nicht bewerben.
Da immer mehr Unternehmen von den Beschäftigten eine Impfung verlangen, kann diese Regelung den Druck enorm erhöhen. Sowohl der Angriff auf die Lohnfortzahlung als auch der auf das Arbeitslosengeld hätten vor Corona eine massive Protestbewegung zur Folge habt, weil hier eben Klassenkampf von oben betrieben wird und über Jahrzehnte erkämpfte Rechte angegriffen werden.
Solche Proteste gibt es aktuell in einigen Ländern wie in Frankreich. In Deutschland hingegen hat man bis auf die kritischen Erklärungen von DGB-Gewerkschaftern keine Straßenproteste gegen den Angriff auf ein erkämpftes Recht vernommen. Das ist auch eine Folge der Burgfriedenspolitik von großen Teilen der parlamentarischen Linken und auch großer Teile der Gewerkschaften, die sich gar nicht mehr trauen, ihre Mitglieder auch gegen solche Regelungen zu mobilisieren.
Macht des Kapitals gestärkt
Dabei wird mit diesen Angriffen die Macht des Kapitals auch im EU-Raum gestärkt. Schließlich haben Kapitalvertreter immer wieder Angriffe auf die Lohnfortzahlung und das Arbeitslosengeld gestartet. Wenn die EU-Ratspräsidentin in ihrer Rede zum Stand der Union mit viel Pathos beschreibt, wie gut die EU die Corona-Krise bewältigt hat, sollte man die Angriffe auf die Rechte von Arbeitern und Erwerbslosen immer mit im Blick haben. Denn für Ursula von der Leyen (CDU) und andere konservative Politiker ist der Angriff auf Arbeiterrechte ein gutes Signal für die Kapitalakkumulation in der EU.
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