"Unsere Nation wird auseinandergerissen. Die Wahrheit wird in Frage gestellt"

Bild: C-Span-Video

Fiona Hill greift in den Impeachment-Anhörungen Trumps "fiktives Narrativ" an, die US-Geheimdienste sekundieren, ein russisches Netzwerk sei seit 2017 am Werk, die Wahlen 2020 seien wieder im Visier

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Im Kontext der Impeachment-Anhörungen hat Fiona Hill, die für den National Intelligence Council, als Geheimdienstanalystin für Bush und Obama und von 2017 bis Juli 2019 nach Einladung des schnell geschassten Verteidigungsminister McFlynn als Direktorin für Europäische und Russische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat gearbeitet hat, eine neue Variante eingeschlagen. Sie gibt sich in ihrer Rede vor dem Impeachment-Ausschuss als Patriotin, aber nicht parteilich gebundene Expertin, stellt den russischen Einfluss auf die amerikanische Politik und Öffentlichkeit enorm hoch und geht scharf auf Distanz zu Donald Trump und seinem Telefongespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyi. Sie beschuldigt vor allem den EU-Botschafter Gordon Sondland und Ralph Giuliani, im Auftrag von Trump versucht zu haben, die ukrainische Regierung zu erpressen, gegen Biden und seinen Sohn vorzugehen.

Tatsächlich hatte sie ihren Job im Weißen Haus bereits vor dem Gespräch verlassen, man darf vermuten im Gefolge von John Bolton. Jetzt sagt sie, die gleichzeitig eine Annäherung an Russland fördern und es zugleich abschrecken wollte, dass Russland die "ausländische Macht war, die systematisch unsere demokratischen Institutionen angegriffen hat". Das sei das Ergebnis der Geheimdienstuntersuchungen und stehe zweifelsfrei fest, auch wenn Details als geheim klassifiziert seien.

Bekannt ist sie für eine starke antirussische Einstellung. Dass Biden die ukrainische Regierung nach seinen eigenen Aussagen mit einem Milliardenkredit erpresst hat, wird zwar von den Republikanern und Trump, auch von russischen Medien angeführt, spielt aber für die US-Medien, die in den politisch gespaltenen USA oft mit Geheimdiensten und Co. gegen Trump agieren und damit auch Gewinne erzielen, kaum eine Rolle.

"US-Unterstützung für die Ukraine wurde politisiert"

Dass sich Russland in den Wahlkampf in den USA eingemischt hat und eigene Interessen verfolgt, ist allerdings ebenso klar, wie umgekehrt die USA Wahlen und Politik in Russland in ihrem Sinn steuern wollen, egal ob dies über die Finanzierung der Opposition oder über Medien und Geheimdienste passiert. Es geht aber vor allem um das Ausmaß, den Erfolg und ob es Absprachen mit Trump gab. Hill hat in einer geheimen und einer öffentlichen Anhörung vor dem Kongress ausgesagt und behauptet, dass nicht Kreise in der Ukraine zunächst versucht hätten, 2016 im Wahlkampf Trump zu schaden, sondern dass Russland die Ukraine mit einem "fiktiven Narrativ" in ein schlechtes Licht rücken wollte. Offenbar verfolgen die US-Geheimdienste eine ähnliche Argumentation gegen Trump, sie hatten schon 2016 stets versucht, Trump mit Russland zusammenzubringen und das wie die amerikanischen Demokraten zu skandalisieren. Trump sieht darin neben der Hexenjagd den "tiefen Staat" am Werk.

Tatsächlich kamen, wie immer aus Kreisen der damaligen Poroschenko-Regierung veranlasst, über die ukrainische Botschaft in Washington Informationen über Geschäfte von Trumps Wahlkampfmanager John Manafort mit dem gestürzten Janukowitsch an das Wahlkampfteam der Demokraten, die dafür zu Recht sorgten, dass er zurücktreten musste und schließlich wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Es liegt auf der Hand, dass die damalige ukrainische Regierung lieber die Demokratin Clinton wünschte als Trump, der sich Russland annähern wollte und auch skeptisch gegenüber der Nato war. Möglicherweise war das aber nur ein Abfallprodukt, um Janukowitsch weiter zu belasten. Und erfolgreich war der Versuch, sollte damit Clinton unterstützt worden sein, auch nicht.

Fiona Hill ging symptomatisch nicht weiter auf Verwicklungen von Biden und die Wahlkampfhilfe aus ukrainischen Regierungskreisen für die Demokraten ein, sondern sagte, dass die "US-Unterstützung für die Ukraine, das weiter mit einer bewaffneten russischen Aggression konfrontiert ist, politisiert wurde". Das ist entweder plumpe Propaganda oder die Behauptung des Narrativs von der interessenfreien Unterstützung von Freiheit und Demokratie und dem Kampf gegen das Böse. Natürlich war die Unterstützung der Maidan-Bewegung wie schon zuvor der "orangenen Revolution" "politisch" motiviert. Es ging darum, die Ukraine aus dem russischen Einflussbereich herauszubrechen und in die EU und die Nato zu integrieren, um Russland einzudämmen.

Dass der auch von rechtsnationalistischen Gruppen und Personen vollzogene Putsch, der in den Bürgerkrieg mündete, von der US-Regierung vorbehaltslos akzeptiert wurde, obwohl eine friedliche Übergangslösung ausgehandelt worden war, bestätigt das hohe geopolitische Interesse. Die undifferenzierte Rede von der "bewaffneten russischen Aggression" ist ebenso Versatzstück des vor allem von den Demokraten gepflegten Narrativs. Man muss sich eher wundern, warum Hill in die Regierung von Trump eingetreten ist und so lange ausgeharrt hat.

Der Erfolg der russischen Beeinflussungskampagne wird von ihr grotesk aufgebläht und verleugnet, dass es auch vor 2016, spätestens seit der Tea Party Bewegung und der Präsidentschaft von Obama: "Der Einfluss der 2016 erfolgreichen russischen Kampagne ist auch heute offensichtlich. Unsere Nation wird auseinandergerissen. Die Wahrheit wird in Frage gestellt. Unser hochprofessioneller, von Experten getragener Auslandsdienst wird untergraben."

Dass die Nation auseinandergerissen wird, dürfte kaum etwas mit der russischen Beeinflussungskampagne zu tun haben. Selbst wenn Trump aufgrund russischer Beeinflussung in einem Wahlkampf, für den 2,1 Milliarden US-Dollar ausgegeben wurden, um politische Beeinflussung zu bewirken, während die paar Millionen, die aus Russland kamen, und die behaupteten Hacks zur Veröffentlichung der Mails von Clinton und die USA politisch aus den Angeln gehoben haben sollen (Russische "Einmischungsoperation" wird zu einem Monstrum aufgeblasen). Zudem hatte die Mehrheit der Amerikaner Clinton und nicht Trump gewählt, der nur dank des amerikanischen Wahlsystems durch Siege in einigen Swing States zum Präsidenten wurde.

"Russlands Geheimdienste und ihre Proxies bereiten sich vor, ihren Eingriff in die Wahlen 2020 zu wiederholen"

Fill suggeriert, um die Ukraine von den Vorwürfen zu entlasten und Russland zu beschuldigen, dass der Wahlsieg von Trump als Erfolg gesehen werden müsse. Trump hat das Außenministerium geschwächt und in besonderem Maße fake news in die Welt gesetzt. Und seine Strategie ist auch die Spaltung der Nation. Aber es ist auch in den Anti-Trump-Medien kaum mehr die Rede davon, dass der Kreml für den Wahlerfolg Trumps verantwortlich sei, man spricht wie Fill vage von dem russischen Ziele, die demokratischen Institutionen zu unterminieren oder die USA zu destabilisieren. Wenn solche Behauptungen von Irans Regierung, Assad oder Erdogan geäußert werden, spricht man gerne von Verschwörungstheorien, die dem Machterhalt dienen, um politischen Dissens einzig auf Einfluss von außen zurückzuführen, ohne den im Land alles ganz harmonisch wäre.

Fill machte bei der öffentlichen Anhörung im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses klar, was sie antreibt: "Ich weigere mich, Teil der Bemühungen zu sein, ein alternatives Narrativ zu legitimieren, dass die ukrainische Regierung eine Gegnerin der USA ist und dass die Ukraine - und nicht Russland - uns 2016 angegriffen hat." Solche "Fiktionen" seien schädlich, auch wenn sie von den republikanischen Unterstützern Trumps nur aus innenpolitischen Motiven geäußert würden. Trump favorisiert die völlig unbelegte Spekulation, dass die Ukraine etwas mit dem Hack der DNC-Server zu tun hätte, wenn er immer mal wieder behauptet, dass einem "reichen Ukrainer" gehörende "ukrainische Firma" - in Wirklichkeit die kalifornische Firma CrowdStrike - einen DNC-Server in der Ukraine versteckt halte. Crowdstrike hatte den Hack untersucht, dem FBI aber nicht die Computer.

Nach Fill machen sich Trump und Republikaner damit "ein fiktionales Narrativ" zu eigen, das von russischen Geheimdiensten verbreitet und propagiert wird". Sie würden damit "russische Interessen" befördern. Zudem würden sich "Russlands Geheimdienste und ihre Proxies" rüsten, "ihren Eingriff in die Wahlen 2020 zu wiederholen. Uns geht die Zeit aus, sie zu stoppen."

Die New York Times berichtet bestärkend im Zusammenhang mit den Aussagen von Hill, dass Mitarbeiter der amerikanischen Geheimdienste Senatoren unterrichtet hätten, dass "Russland in einer Jahre langen Kampagne die Ukraine im wesentlichen für Moskaus eigenes Hacking der Wahlen 2016 verantwortlich machen" wolle. Und sie sollen auch gesagt haben, dass Russland die Beeinflussungsversuche verstärken werde, wenn der Wahlkampf heißer wird. Russland gelinge es nach den Geheimdiensten überdies besser, seine Aktivitäten zu verschleiern.

Um die Ukraine verantwortlich zu machen, hätten russische Geheimdienste, weiß die NYT mit Verweis auf die anonym bleibenden Geheimdinestmitarbeiter, ein "Netzwerk an Agenten" eingesetzt. Spätestens seit 2017 hätten sie eine "Mischung aus jetzt entlarvten Verschwörungstheorien und etablierten Fakten angerührt, um den Eindruck zu erwecken, dass die Regierung in Kiew und nicht Moskau für das Hacken der Demokraten und andere Beeinflussungsoperationen 2016 verantwortlich" sei. Das klingt alles selbst wie ein Produkt von Geheimdiensten, die einem Narrativ ein anderes entgegensetzen wollen und gleichzeitig die amerikanischen Interessen an der Ukraine zu schützen. Allerdings ist seitdem eine neue Regierung im Amt, die kaum etwas mit der alten Regierungstruppe zu tun hat.

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