Unterhaltung mit Harndrang

Mit dem virtuellen Stefan Raab pullern

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Den Stinkefinger darf man nicht in die Luft halten, egal ob man Effenberg oder Clement heißt. Dagegen darf man als Prinz schon mal ungestraft in der Öffentlichkeit Wasser lassen. Genitalien zu zeigen, wird allerdings sofort vom Jugendschutz abgestraft. Nur einer hat Narrenfreiheit: Stefan Raab, der jetzt sogar im Computerspiel seinen "Pulleralarm" schlägt, wenn er zu viel getrunken hat. Dann sollte es so schnell wie möglich auf eine Toilette gehen, doch die ist nicht immer in der Nähe. Und so pinkelt er im Spiel öffentlich an Bäume, in den Swimmingpool oder gleich irgendwo im Bundestag. Ernst August lässt grüßen, das zeigt sich auch im Aufbau der Spieloberfläche.

Stefan Raab steht mit seiner Sendung TV Total ganz im Zeichen der heutigen Fungesellschaft. Nichts ist ihm heilig, keiner ist vor ihm und seinen Fernsehausschnitten sicher. Berühmt und berüchtigt wurde er mit dem Maschendrahtzaun. Um den sagenhaften Slang von Frau Regine Zindler wurde ein Song komponiert, die streitsüchtige Nachbarin mit dem Knallerbsenstrauch in ein Video eingebunden, ab und zu in der Sendung gespielt und schon hat Raab wieder ein paar Millionen verdient.

Auch unserer Bundeskanzler war vor Raab nicht sicher. Einmal verlangte er vor Spiegel-TV-Kameras ganz nebenbei eine Flasche Bier, prompt kann er sich als Texter und Interpret auf einer CD wiederfinden. Stefan Raab geht mit seiner Sendung immer an die Grenzen des so genannten "Guten Geschmacks" und hat einen riesigen Erfolg damit.

Neuster Trend in der Sendung sind Aufnahmen, bei denen Prominenten und weniger Prominenten unglücklicherweise die Genitalien aus der Hose rutschen. Begonnen hatte es mit einem nackten Fallschirmspringer, dem nicht nur die Haare im Wind flatterten. In solchen Momenten stürzt Stefan Raab voller Empörung an sein Pult und bedient den inzwischen stürmisch umjubelten "Pulleralarmknopf". Daraufhin wird der entsprechende Schriftzug eingeblendet und das ganze Studio wird mit rotem Blinklicht illuminiert. Traditionell wird noch schnell eine beliebige Zuschauerin gezeigt, die sich möglichst vor Lachen nicht mehr halten kann. Raabs Vermarktungsstrategie ist ganz einfach, zwei- bis dreimal die Aktion in den Folgesendungen zeigen und schon ist ein Kult kreiert. Kein Wunder, wenn man den Pulleralarm jetzt auch noch vermarkten will. Aber dies war wohl schon kalkuliert, denn was passiert seit der Dauerwerbesendung Big Brother im Fernsehen zufällig?

Also heißt es jetzt: "Pullern statt Ballern!" Schon im September wurden 100.000 Vorbestellungen des Computerspiels gemeldet. Nachdem man ca. 100 MByte auf dem Rechner installiert hat, kann es mit dem Pulleralarm losgehen. In dem zeichentrickfilmartigen Spiel steuert man per Cursor-Tasten die Spielfigur Stefan Raab. Der muss zunächst möglichst viele Flaschen austrinken, worauf sich natürlich irgendwann die Blase meldet und es heißt: "Pulleralarm". Also schnell aufs nächste Klohäuschen oder sich sonst eine Gelegenheit wie Bäume oder ähnliches suchen. Doch so einfach ist das nicht, denn überall stromern die Gegner herum.

Zu den prominenten Zeichentrick-Gegnern gehören zum Beispiel Rudi Carrell oder der Bundeskanzler. Kommt Stefan mit diesen in Berührung, verliert er sein Leben. Um den Level zu schaffen, muss man alle Flaschen leer trinken. Genauso wichtig ist allerdings der Punktestand - und hier haben sich die Leveldesigner einiges einfallen lassen. So erzählt Stefan Witze oder es werden gar Videosequenzen eingeblendet. Selbst die berühmt berüchtigten Raabigramme sind zu hören und das wird nicht nur die Fans freuen. Die Wettpinkler können ihre Punkte in einer High-Pinkel-Liste eintragen und diese sogar ins Internet übertragen.

In einem Download kann man sich kostenfrei noch einen Zusatzlevel (8,5 MByte) downloaden, dann kann man im Bundestag spazieren gehen und dort trinken. Im Hintergrund hört man den Kanzler nach seiner Flasche Bier rufen. Hier muss man auch einmal an einen Baum neben der Flagge pullern. Schafft man es nicht schnell genug, gibt es durchnässte Hosen.

Raab zum Spiel: "Außerdem ist Pulleralarm das beste Spiel seit Erfindung des Fußballs und um gegen Pulleralarm anzustinken, müssten die bei Lara Croft erst einmal die Körbchengröße verdoppeln. Außerdem ist Pulleralarm eine Hommage an alle Stehpinkler!" Wie kein anderer versteht es Raab, moderne Fernseh-Comedy anzubieten und gleichzeitig eine aktuelle Homepage zu betreiben. Respekt, aber ein Kultspiel wird Pulleralarm nie. Für knapp 50 DM ist es eine nette spielerische Abwechslung für zwischendurch, doch irgendwann wird es langweilig, zumal die Cursorsteuerung ziemlich ungenau ist. Da warten wir doch lieber auf "Raab in Gefahr" und wollen endlich "Ballern statt Pinkeln".