Unterhaus lehnt Mays Brexit-Deal zum dritten Mal ab

Grafik: TP

EU-Ratspräsident Tusk beruft für 10. April Sondergipfel ein

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Heute Nachmittag stimmte das britische Unterhaus nach einer fünfstündigen Debatte zum dritten Mal über Theresa Mays Ausstiegsdeal ab - und verwarf ihn erneut. Dieses Mal mit 344 zu 286 Stimmen. Weil Parlamentssprecher John Bercow mit Verweis auf eine Regel aus dem Jahr 1604 "substanzielle Änderungen" gefordert hatte, bevor der Deal ein Drittes Mal vorgelegt wird, hatte May die dazugehörige Zusatzerklärung entfernt.

Keir Starmer, der Brexit-Ministeranwärter im Schattenkabinett der Labour Party, hatte das als Anlass genommen, die Abgeordneten seiner Partei dazu aufzufordern, auch diesmal gegen den Handel zu stimmen. Ohne eine Zusatzerklärung über die künftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU hätte die Annahme des Ausstiegsvertrages seinen Worten nach zu einem "Ausstieg mit verbundenen Augen" geführt. Sprecher der Tories warfen Labour wegen dieser Begründung vor, keine inhaltlichen Argumente mehr zu haben, die gegen den Ausstiegsvertrag sprächen.

Nachfolgedebatte

Neben dem größten Teil der Oppositionsabgeordneten und der nordirischen Protestantenpartei DUP stimmten auch heute wieder viele Tories gegen die Vorlage ihrer Parteichefin - zum Beispiel European-Research-Council-Vize Mark Francois (der gemeint hatte, er werde auch dann nicht dafür votieren, wenn man ihn mit einer Schrotflinte im Mund dazu auffordern würde). Jacob Rees-Mogg, Boris Johnson und Mays ehemaliger Brexit-Minister Dominic Raab stimmten dagegen dafür.

Raab wird von britischen Medien als einer der potenziellen Nachfolger der Premierministerin gehandelt und scheint in Sozialen Medien bereits eine Kampagne zur Wahl für den Parteivorsitz begonnen zu haben. Ein anderer Anwärter dafür ist Boris Johnson, der sich 2016 aus dem Rennen um Parteivorsitz und Premierministeramt zurückzog, weil ihm sein ehemaliger Unterstützer Michael Gove in den Rücken fiel und selbst kandidierte (vgl. Wer wird Premierminister?).

"Boris goes for the kill" titelte die Daily Mail heute, nachdem der inzwischen etwas weniger exzentrisch frisierte Urenkel des letzten osmanischen Innenministers Mays Deal bereits vor der Abstimmung als "tot" bezeichnete. Darauf, dass der Altphilologe Appetit auf den Premierministerposten hat, deutet auch seine öffentlich geäußerte Ansicht hin, May müsse auch dann ihren Hut nehmen, wenn das Unterhaus ihr Abkommen erneut ablehnt (vgl. Brexit: May verspricht baldigen Abgang, wenn Deal bei dritter Vorlage angenommen wird).

Dass Gove, der Johnsons Pläne 2016 durchkreuzte, ebenfalls noch einmal antritt, gilt zwar nicht als ausgeschlossen, aber angesichts der eher begrenzten Beliebtheit des pausbäckigen Journalisten als unwahrscheinlich. Etwas bessere Chancen werden dem in Brexitfragen neutralen Gesundheitsminister Matt Hancock, Soft-Brexit-Befürworter und Außenminister Jeremy Hunt, Kabinettschef David Lidington, Innenminister und "Remainer" Sajid Javid sowie dem ehemaligen Brexit-Minister David Davis zugebilligt.

BBC: Ein Jahr Verlängerung?

Nun wird der EU-Rat den Termin für den Ausstieg nicht bis zum 22. Mai, sondern nur bis zum 12. April verlängern. EU-Ratspräsident Donald Tusk setzte unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses eine Sondersitzung seines Gremiums am 10. April an. Bis dahin soll ihm May mitteilen, ob das Vereinigte Königreich nun doch an den Europawahlen Ende Mai teilnehmen wird. In diesem Fall könnte der Ausstiegstermin den Informationen des BBC-Brüsselkorrespondenten Adam Fleming nach um ein Jahr verschoben werden.

Entschließt sich May, Großbritannien an der Europawahl teilnehmen zu lassen, könnte das Ergebnis sowohl für die Tories als auch für die Labour Party und die schottischen Separatisten von der SNP ernüchternd ausfallen, wenn viele Wähler für Nigel Farages neue Brexit Party (der sich bereits in den ersten Tagen nach ihrer Gründung über 100.000 Briten anschlossen) oder die aus abtrünnigen Labour- und Tory-Abgeordneten bestehende GIMP-Gruppe stimmen (vgl. Drei Tory-Abgeordnete schließen sich Labour-Abspaltung an). Diese beiden Gruppierungen hätten dann eine Basis, auf der sie bei Wahlen für das Westminster-Parlament Abgeordneten der Altparteien Sitze streitig machen könnten.

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