Unterhaus segnet Kompromiss zur zweiten Brexit-Stufe ab

Kabeljau, gebacken. Foto: Christian Michelides. Lizenz: CC BY-SA 4.0

Bis 2026 gibt es zwischen der EU und dem UK keine Zölle - danach entscheidet der Fisch darüber

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Gestern stimmte das britische Unterhaus dem am Heiligabend erzielten Handelsabkommen nach der Ausstiegs-Übergangsfrist zwischen der EU-Kommission und der britischen Regierung mit 521 zu 73 Stimmen zu. Damit kann der Kompromiss am 1. Januar vorläufig in Kraft treten. Weil Johnson im Unterhaus nicht nur eine stabile Mehrheit hat, sondern nach der "Besser-als-kein-Vertrag"-Äußerung Keir Starmers auch mit Unterstützung aus der oppositionellen Labour Party rechnen durfte, galt eine Zustimmung im Unterhaus als ebenso sicher wie eine im EU-Parlament, welches für ein Absegnen des Kompromisses seine Weihnachtspause nicht unterbrechen wollte. Die Botschafter der 27 EU-Mitgliedsländer hatten den Handel bereits am Dienstag schriftlich ratifiziert.

"Neu gestartete Beziehung unter souveränen Gleichberechtigten"

Der 1.246 Seiten umfassende Handelsvertrag, der das Verhältnis zwischen der EU und dem UK ab dem 1. Januar 2021 regeln wird, wurde vom britischen Premierminister Boris Johnson als Grundlage einer "neu gestarteten Beziehung unter souveränen Gleichberechtigten" gelobt. Statt einer Unterordnung werde es nun eine Zusammenarbeit geben, bei der alles ebenso reibungslos funktionieren soll wie zuvor: Im Flugverkehr, in den Stromnetzen, bei der Anerkennung von Sozialversicherungsansprüchen und bei der Kriminalitätsbekämpfung.

Vor allem soll es ohne Zölle auf beiden Seiten weitergehen. Zumindest bis 2026. Bis dahin gilt nämlich ein Kompromissteil zu den bis zuletzt umstrittenen Fischereirechten in britischen Gewässern. Während dieser Zeit reduziert sich die Menge, die Fischer aus EU-Mitgliedsländern in britischen Gewässern fangen dürfen, nach und nach um insgesamt etwa ein Viertel. Die genauen Zahlen richten sich nach den einzelnen Fischarten.

"Wütend, enttäuscht und betrogen"

Andrew Locker, ein Sprecher der britischen National Federation of Fishermen's Organisations (NFFO), zeigte sich gegenüber der BBC angesichts des weiterhin recht umfangreichen Zugangs fremder Konkurrenz "wütend, enttäuscht und betrogen". Deshalb ist nicht ausgeschlossen, dass ein anderer britischer Premierminister als Boris Johnson - zum Beispiel Jacob Rees-Mogg - die Regelung in fünfeinhalb Jahren auslaufen lässt. In diesem Fall hätte Brüssel die vertraglich festgehaltene Option, Strafzölle gegen britische Exporte zu verhängen.

Mehr kontrolliert werden soll an den Grenzen zwischen der EU und dem UK aber auch ohne solche Zölle. Brüssel rechnet wegen der Kontrolle von "Produktstandards" im begleiteten Transport mit etwa zehn Prozent und im unbegleiteten Handel mit etwa 30 Prozent mehr Aufwand.

Vorteil Fehlerkorrektur

Ob und wie London nun die neu gewonnenen Freiheiten nutzt, wird sich zeigen. Aktuell ist noch kein konkreter Bürokratieabbau in nennenswertem Umfang in Aussicht - aber eine neue Vorschrift, wie sie auch aus Brüssel kommen könnte: Ein Verbot für Supermärkte mit mehr als 49 Angestellten, Naschwerk und Brausen neben den Bändern an den Kassen zu platzieren. Auf diese Weise sollen Eltern davon abgehalten werden, quengelnde Quälgeister in langen Warteschlangen mit Zucker und Fett ruhigzustellen.

Ein nationales Verbot hat gegenüber einer gleichinhaltlichen Vorschrift aus Brüssel allerdings den Vorteil, dass es sich relativ einfach wieder aufheben lässt, wenn sich in der Praxis keine positiven, sondern negative Auswirkungen einstellen sollten. Auf EU-Ebene gelang das bislang nicht einmal mit der jährlich zweimaligen Zeitumstellung, bei der ein Anlauf zur Fehlerkorrektur in den Gremien versandete.

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