Update: Das Weiße Haus erklärt Bush zum Wahlsieger
Noch ist nichts offiziell entschieden, doch selbst wenn Kerry überraschenderweise noch gewinnen sollte, hätte er es schwer, da der Kongress weiterhin von den Republikanern dominiert wird - OSZE-Beobachter kritisieren das amerikanische Wahlsystem scharf
Sie wurde als die wichtigste Wahl verkauft. Niemals hat eine Wahl mehr gekostet, um die Menschen anzustacheln, sich an der Wahl zu beteiligen. Zwar sind mehr Menschen diesem Aufruf gefolgt, die Wahlbeteiligung liegt mit vermutlich 60 Prozent aber nicht sehr hoch für eine propagierte "Schicksalswahl", auch wenn die Teilnahme von 120 Millionen ein amerikanischer Rekord wäre. Offenbar konnten die jungen Bürger nicht besser motiviert werden, dafür scheint die religiöse Wählerschaft von der Bush-Kampagne mobilisiert worden zu sein. Die Dominanz der "kulturellen Werte", d.h. auch der Religion lässt bei einem Wahlsieg von Bush, mit dem zu rechnen ist, die USA weiter in Richtung eines religiös geprägten Staates treiben.
Der Anteil der jungen Wähler scheint, den ersten Beobachtungen zufolge, in etwa gleich geblieben zu sein. Zwar haben sie überwiegend für Kerry gestimmt, das aber hat sich für diesen nicht, wie von den Demokraten erhofft, zu Buche geschlagen. Deutlich aber scheint zu sein, dass die 18-24-Jährigen, die 2000 noch gespalten zwischen Bush und Al Gore waren, sich nun eher von den Republikanern abkehren. Wie auch allgemein der Fall wählen die jungen Menschen, die sagen, ihnen seien "moralische Werte" wichtig, überwiegend Bush, während diejenigen, denen die Wirtschaft am Herzen liegt, für Kerry stimmen. Wem der Terrorismus wichtiger ist, stimmt für Bush, wer den Irak-Krieg entscheidend findet, ist für Kerry. Allgemein stimmten mehr Frauen, Schwarze und junge Wähler für Kerry, während für Bush eher Weiße, Kirchengänger und Veteranen stimmten.
Vermutlich wird Bush nach den vorliegenden Hochrechnungen weiter im Weißen Haus bleiben können - und zwar mit einer deutlicheren Bestätigung als bei den letzten Wahlen. Er hat mit bislang 254 Wahlmännern mehr als Kerry, der zur Zeit 252 für sich verbuchen kann; auch absolut liegt er vorne: Über 58 Millionen haben für ihn gestimmt (51%), für Kerry nur 54,5 Millionen (48%). Im Unterschied zum letzten Wahl hat damit Bush nicht nur mehr Wähler für sich gewonnen, sondern es steht auch die Mehrheit der Amerikaner hinter ihm.
Im Weißen Haus ist man sicher bereits sicher: Bush hat die Wahl gewonnen, erklärte vor kurzem der Stabschef Andrew Card. Man gebe dem Kerry-Lager noch Zeit, die Wahlergebnisse zu überdenken. Aber er kündigte an, dass Bush in den kommenden Stunden eine Erklärung abgeben wird, in der er den Sieg verkünden dürfte.
Fox News sieht Bush bei 269 Wahlmännern und Kerry bei 242, da Ohio schon Bush zugeschlagen wurde. In Colorado wurde eine Veränderung des Wahlverfahrens abgelehnt, nach der das Mehrheitswahlrecht abgeschafft worden wäre. In den 11 Bundesstaaten, in denen dies zur Wahl stand, sprachen sich die Menschen für ein Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen aus: Indiz für den Trend zum christlichen Fundamentalismus. Auch im Senat und im Repräsentantenhaus konnten die Republikaner zulegen, die auch bei den Gouverneurswahlen vorne liegen. Selbst wenn Kerry also überraschenderweise doch noch gewinnen sollte, hätte er große Schwierigkeiten, gegen die Mehrheit im Kongress etwas durchzusetzen.
Die höhere Wahlbeteiligung ist auch hier nicht zugunsten von Kerry ausgefallen. In Ohio liegt er noch vorne, auch wenn noch nicht alle Stimmen ausgezählt sind. In Florida war das Ergebnis eindeutig. Nicht mehr ein paar Hundert wie noch im Jahr 2000, sondern über 350.000 Stimmen hat Bush hier mehr als Kerry erzielen können, so dass er mit 52 Prozent der Stimmen klar in Führung liegt. Die Wahlbeteiligung lag mit fast 7 Millionen deutlich höher als 2000, als sich 5,7 Millionen an der Wahl beteiligten.
Überraschend geringfügig scheinen die Probleme mit den Wahlcomputern gewesen zu sein. Entgegen den Erwartungen gab es relativ wenig Abstürze, wenn auch Fehler, beispielsweise bei der Angabe der Zwischenergebnisse, in vielen Bundesstaaten auftraten.
Unerwartet harte Kritik kommt allerdings nun von den internationalen Wahlbeobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die in 11 Bundesstaaten, darunter auch in Florida waren. Leiterin des internationalen Teams von 75 Beobachtern ist Rita Süssmuth (CDU). Die Ergebnisse der Wahlbeobachtung werden am 4. November der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Die Stimmauszählung an den Wahlcomputern konnte von den Wahlbeobachtern beispielsweise gar nicht überprüft werden.
Die Beobachter kritisierten, dass die Wahlverfahren in vieler Hinsicht keineswegs den besten Standards entsprechen, die weltweit praktiziert werden. Die USA hätten eines der kompliziertesten Wahlsysteme. Überdies monierten sie, dass sie weniger Zugang zu den Wahlen gehabt hätten als in Kasachstan, oft durften die Beobachter nicht einmal in unmittelbare Nähe, sondern konnten sich nur Dutzende Meter vor den Wahllokalen postieren. Und die Wahlcomputer seien weniger gut gesichert gewesen als jüngst in Venezuela. Dort wurde die Eingaben ausgedruckt und die Stimmzettel wie üblich in Urnen gesammelt, so dass sie auch nachgezählt werden konnten.
Die International Herald Tribune zitiert den Polen Konrad Olszewski, einen der OSZE-Wahlbeobachter, der in Miami war: "Ehrlich gesagt war die Beobachtung der Wahlen in Serbien vor ein paar Monaten viel einfacher. Dort gibt es ein nationales Wahlgesetz und es werden Wahlzettel verwendet, die ich allen anderen Verfahren vorziehe."
Die teils sehr unterschiedlichen Wahlgesetze machen es den Beobachtern schwer, die Wahlen zu überprüfen, weil nicht nur praktisch viele Wahlen gleichzeitig stattfinden, sondern eben auch die Prozeduren variieren. So können keine allgemeinen Schlüsse gezogen werden. In manchen Bundesstaaten und Counties war es den Beobachtern überdies verboten, die Wahllokale zu betreten. Das war beispielsweise in Ohio der Fall, wo möglicherweise die Entscheidung zwischen Bush und Kerry fallen wird.
Ron Gould, ein OSZE-Beobachter aus Kanada monierte vor allem die Registrierungsverfahren, mit denen sich die Bürger zur Wahl anmelden müssen. Da es keinen Personalausweis gibt, sollten die USA zumindest das machen, was auch in anderen Ländern wie El Salvador oder Namibia gemacht wird: Wer bereits gewählt hat, muss seinen Finger mit Tinte oder den Fingernagel mit Farbe markieren, auch wenn dies gerade vor kurzem in Afghanistan nicht so gut geklappt hatte.