Update: Erfolgreiche Demonstration

Der Abschuss des Spionagesatelliten, bei dem für das Pentagon viel auf dem Spiel stand, ist geglückt

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Das Zeitfenster für den Versuch des Pentagon, mit dem seegestützten Raketenabwehrsystem den abstürzenden Spionagesatelliten zu zerstören, war mit der Landung der Raumfähre Atlantis aufgegangen. Wie vorgesehen wurde mit einer der modizierten SM-3-Abfangraketen vom Aegis-Zerstörer USS Lake Erie der Spionagesatelliten getroffen. Zunächst hatte es geheißen, dass der Abschussversuch wegen schlechten Wetters und hohem Seegang im Pazifik verschoben werden müsste, wie ein Offizier berichtete. Zeit wäre bis zum 29. Februar, allerdings an jedem Tag nur für wenige Sekunden, erklärte ein Pentagon-Sprecher am Tag zuvor.

Der getroffene Satellit. Bild aus eine Pentagon-Video

Wie das Pentagon berichtet, ist der funktionsunfähige Spionagesatellit vor dem Eintritt in die Atmosphäre von der USS Lake Erie abgeschossen worden. Obgleich mit drei Abfangraketen ausgestattet, reichte der erste Abschuss, um den Satelliten in 247 km Höhe zu treffen. Das Pentagon behauptet weiter, es sei primär um die Zerstörung des Treibstofftanks gegangen, der für die Menschen auf der Erde eine Gefahr darstellen könne. Ob dieser getroffen und zerstört wurde, konnte aber noch nicht mitgeteilt werden. Für das seegestützte Aegis-System des Raketenabwehrsystems sowie für das Weiße Haus, das seit Jahren mit vielen Milliarden die Raketenabwehr forciert, ist dies ein großer Erfolg. Siehe auch: China wirft der US-Regierung Doppelzüngigkeit vor.

Start einer SM-3-Abfabngrakete. Bild: MDA

Allgemein wird der Abschuss als ein Versuch gesehen, auf die Zerstörung eines alten Wettersatelliten durch eine chinesische Rakete zu reagieren und zu demonstrieren, dass das amerikanische Raketensystem einsatz- und funktionsfähig ist. Das Pentagon und die US-Regierung halten allerdings weiter daran fest, dass die Aktion einzig dem Zweck diene, von der Menschheit Schaden abzuwenden, indem mit einer Zerstörung verhindert wird, dass Menschen in Kontakt mit dem giftigen Hydrazin-Treibstoff geraten (Geplanter Abschuss des US-Satelliten ein Test des Raketenabwehrsystems?). Das aber ist nach Meinung von Experten so unwahrscheinlich, dass es nur ein vorgeschobener Grund sein kann.

Russland und China haben bereits Einwendungen geäußert. Beide Staaten versuchen schon seit geraumer Zeit, ein UN-Abkommen zu erreichen, um die Militarisierung des Weltraums zu unterbinden. Grund dafür ist trotz aller Bemühungen bei der Weltraumtechnik die Überlegenheit der USA, die seit Reagans Star Wars-Programm und vor allem seit Beginn der Bush-Regierung nicht nur an Raketenabwehrsystemen arbeitet, sondern auch die Satelliten in der Umlaufbahn gegen mögliche Angriffe schützen will. Eine bis zur Nominierung zum Verteidigungsminister von Rumsfeld geleitete Kommission hatte vor einem Pearl Harbor im Weltraum gewarnt, was mit dem Amtsantritt der Bush-Regierung und trotz der terroristischen Bedrohungen zu einer massiven, jedes Jahr viele Milliarden verschlingenden Entwicklung und Installation der verschiedenen Versionen des Raketenabwehrsystems geführt hat. Zudem wurde immer wieder vom Pentagon und dem Weißen Haus festgehalten, dass die USA die Vorherrschaft im Weltraum beanspruchen.

Screenshot einer Simulation des Abschusses und des Niedergangs der Satellitenteile von Analytical Graphics, Inc. and Applied Defense Solutions.

Bislang liefen die Tests des see- und landgestützten Raketenabwehrsystems, das mit Abfangraketen ballistische Interkontinentalraketen während des Flugs durch den kinetischen Aufprall zersören soll, unter nicht sehr realistischen Bedingungen und oft auch nicht sonderlich erfolgreich. Nun als Rettungsaktion ausgegeben einen Abschuss unter Realbedingungen zu versuchen, dürfte neben der Demonstration gegenüber China und Russland auch eine wichtige Gelegenheit sein, den in- und ausländischen Skeptikern das System vorzuführen. Zwar sagt das Pentagon, es würde sich nur um eine einmalige Aktion handeln, zu der man Raketen, Sensoren und andere Systemkomponenten modifiziert habe, gleichwohl ist der Abschuss des Satelliten kurz vor dem Eintritt in die Atmosphäre durchaus mit dem Wiedereintritt einer Interkontinentalrakete vergleichbar - und wäre eine der letzten Chance, sie noch zu zerstören, ohne Gefährdungen fürchten zu müssen.

Trotz aller Modifizierungen und behaupteter Einmaligkeit werden die Systemkomponenten getestet, aber eben auch das Gesamtsystem. Insofern ist der geplante Abschuss zwar wichtig, um das Raketenabwehrsystem auch nach dem Ende der Amtszeit von Bush politisch durchsetzen zu können und eine Legitimation zum auch in den USA umstrittenen Aufbau neuer Stützpunkte wie in Polen und Tschechien zu erhalten, aber auch sehr wagemutig. Obgleich wenn sicherheitshalber drei Abfangraketen bereit stehen, besteht das Risiko, dass der vor aller Welt demonstrierte Versuch scheitert, der schon einmal technisch auf gutes Wetter und Tageslicht angewiesen zu sein scheint (Gegner wüssten also, wann sie ihre Raketen schicken müssen) . Schon bei der Pressekonferenz wanden sich die Pentagon-Mitarbeiter, als sie gefragt wurden, ob und wann der Abschuss der Raketen bekannt gegeben werde. Verheimlichen ließe sich der Abschuss der Raketen nicht, aber man könnte Zeit gewinnen wollen, um bei einem Scheitern "gute" Erklärungen zu finden, um den Schaden möglichst klein zu halten.

Eine Blamage würde ein Scheitern wohl auf jeden Fall sein, die sich auch direkt auf die Höhe der Gelder auswirken dürfte, die im nächsten Haushaltsjahr bewilligt würden. Für 2009 sind an die 10 Milliarden US-Dollar vorgesehen. Aber offensichtlich ist man sich bei der Missile Defense Agency (MDA) entweder ziemlich sicher, erfolgreich den Satelliten zerstören zu können, oder man wurde politisch genötigt, das System, in das so viele Milliarden geflossen sind, nun als effizient demonstrieren zu müssen. Letztlich hat es der Verteidigungsminister Robert Gates noch immer in der Hand, ob er den Befehl geben wird.