VW-Aktionärsversammlung: "Letzte Generation" nimmt Autokonzern ins Visier – statt Autofahrer

Im Zweifel sind natürliche Lebensgrundlagen wichtiger. Foto: Letzte Generation

Statt des Berufsverkehrs wurden Zufahrtswege zur Hauptversammlung des Autokonzerns blockiert. Aktionäre bangen um E-Auto-Geschäft. Klimabewegung will echte Verkehrswende.

Die Hauptversammlung der Volkswagen Aktiengesellschaft in Berlin hat begonnen – auf der Tagesordnung stehen unter anderem die Risiken des China-Geschäfts in Zeiten geopolitischer Spannungen, verpasste Chancen auf dem E-Auto-Markt und Möglichkeiten, dort durch hohe Investitionen doch noch aufzuholen, sowie der noch nicht ausgestandene Dieselskandal.

Allerdings gab es für die Teilnehmenden der Aktionärsversammlung Hindernisse bei der Anfahrt: Die Klima-Initiative "Letzte Generation" nimmt inzwischen vermehrt Großkonzerne und Superreiche in den Blick, nachdem ihre Blockaden des Berufsverkehrs auch in linken Kreisen auf Kritik gestoßen sind. So blockierten die Aktiven am Mittwochmorgen Zufahrten zum Berliner Messegelände, wo die VW-Aktionärsversammlung stattfindet.

Physiker: "VW AG muss ihrer Verantwortung gerecht werden"

An zwei Stellen hätten sich jeweils sechs Personen auf die Fahrbahn begeben, bestätigte die Polizei. Mehrere Personen hätten sich mit Mehrkomponentenkleber an der Straße festgeklebt. Als die Verklebungen zunächst nicht gelöst werden konnten, sei das Tiefbauamt angefordert worden, um die Aktiven aus der Straße zu flexen. Die "Letzte Generation" störe heute "gemeinsam mit vielen anderen Akteuren der Klimabewegung" die Versammlung der Volkswagen AG, teilte die Gruppe mit.

Die Porsche-Piech-Familie, die reichste Familie Österreichs, besitzt einen Großteil der Anteile an Volkswagen. Die Organisatoren der Proteste sehen in dieser Tatsache, in Verbindung mit der mangelnden Klimapolitik des Konzerns, eine große Ungerechtigkeit: Die Superreichen hinter dem VW Konzern treffen klimaschädliche Entscheidungen, unter denen der Rest der Bevölkerung leiden wird, während sie selbst sich von den Folgen ihres Handelns freikaufen können.


Aus einer Stellungnahme der "Letzten Generation"

An Aktion beteiligte sich auch der Physiker Christian Bläul, der Konzerne wie VW in der Verantwortung für zunehmende Extremwetterereignisse mit Todesopfern und schweren Sachschäden weltweit sieht. "Um den riskanten Kurs zu bremsen, brauchen wir dringend eine Mobilitätswende: mehr bezahlbare Mobilität mit weniger CO2. Die VW AG muss ihrer Verantwortung gerecht werden. Die Aktionär:innen müssen auf ökologische Alternativen zurückgreifen", forderte er an diesem Mittwoch.

Mobilitätswende vs. Antriebswende

Von einer Mobilitätswende wird vor allem gesprochen, um den Unterschied zur reinen Antriebswende für den motorisierten Individualverkehr zu verdeutlichen, an die Auto-Fans denken, wenn sie das Wort "Verkehrswende" hören. Die Klimabewegung will vor allem weniger Autos und den Ausbau von ÖPNV und Schienenverkehr – nicht etwa die heutige Autoflotte vollständig durch Elektroautos ersetzen, zumal unklar ist, wo ausreichend "grüner Strom" dafür herkommen soll.

In einem Verkehrswende-Camp am VW-Standort Wolfsburg haben Klimabewegte in den letzten Tagen Ideen für eine grundlegende sozial-ökologische Verkehrswende diskutiert und die Kooperation mit Beschäftigten gesucht, deren Jobs womöglich erhalten bleiben könnten, wenn dort erst einmal Straßenbahnwaggons produziert werden.

Die VW-Aktionäre sind derweil eher besorgt, dass in China die Nachfrage nach deutschen E-Autos völlig versiegen könnte, weil dort einheimische Hersteller fixer waren – abgesehen davon, dass Sanktionen wegen des Taiwan-Konflikts das dortige Geschäft erschweren könnten.