Vegetarische Wurst soll nicht mehr Wurst heißen dürfen
Verbraucherschutzsprecher der CDU Niedersachsen befürchtet Täuschung
Der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) liegt ein Entschließungsantrag der CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag vor, der fordert, dass Bezeichnungen wie "Salami", "Wurst", "Schnitzel" oder "Frikadelle" nur noch für Produkte verwendet werden dürfen, die Fleisch enthalten. Werden sie auch auf die Packungen vegetarischer Waren gedruckt, befürchtet der örtliche CDU-Verbraucherschutzsprecher Frank Oesterhelweg nämlich "Verbrauchertäuschung".
Fleischverband für Begriffe wie "Bratstück"
Unterstützt wird Oesterhelweg dabei vom Deutschen Fleischerverband (DFV), dessen Lebensmittelrechts-Sprecher Wolfgang Lutz in der NOZ für "neutrale Begriffe" wie "Bratstück" plädiert und dass damit begründet, dass Sachen, die "äußerlich wie ein Schnitzel aussehen" deshalb noch nicht wie ein Schnitzel schmecken müssen. Erwartungsgemäß anderer Meinung zeigte sich ein Sprecher des deutschen Vegetarierbundes, der stattdessen fordert, die "Verwendung von Bezeichnungen, die herkömmlich für tierische Produkte eingesetzt wurden", für "vegetarische Alternativprodukte" explizit zuzulassen.
Schlechtes Vorbild Brüssel
Der Vorstoß der CDU in Hannover erinnert an Regulierungswut, wie man sie sonst eher von der EU kennt, die zum Beispiel dafür sorgte, dass Erdbeermarmelade heute nicht mehr Marmelade heißen darf, sondern "Konfitüre" oder das an Mangelwirtschaft gemahnende Ersatzwort "Fruchtaufstrich" aufgedruckt bekommt. Solche Regulierungen machten die EU nicht unbedingt beliebter, wie ein Sketch aus der Serie Yes Minister illustriert, in dem es darum geht, den (inzwischen via Volksabstimmung ausgestiegenen) Engländern zu verbieten, ihre zum Frühstück gereichten Bangers als Würste zu bezeichnen, weil sie zu viel Fett und zu wenig Fleisch enthalten.
Bei diesen EU-Verboten ging es meist weniger um die offiziell zur Begründung angeführten Verbraucher (von denen wahrscheinlich niemand glaubt, dass Erdbeermarmelade aus Orangen oder Leberkäs aus Milch gemacht wird), sondern um Marktabschottung. Das könnte auch in Niedersachsen ein verborgener Grund des Vorstoßes sein: Immerhin ist das Bundesland mit 8,58 Millionen im ersten Halbjahr 2016 geschlachteten Schweinen und 161,75 Millionen im selben Zeitraum verarbeiteten Hühnern, Puten und Enten das "Zentrum der deutschen Fleischproduktion".
Teure Distinktion
Darauf, dass der Verbraucherschutz hier nur ein vorgeschobenes Argument sein könnte, deutet auch die Tatsache hin, dass fleischlose Ersatzprodukte häufig nicht etwa billiger, sondern teurer sind, weil sie zum Distinktionsgewinn gekauft und gegessen werden (vgl. Essen als Distinktionsinstrument). Deshalb jubelt man sie Käufern auch nicht unter, sondern druckt das "vegetarisch" oder "vegan" groß auf die Packung. Sollte sich das einmal ändern, könnte man vielleicht über Handlungsbedarf nachdenken - bislang ist dieser jedoch nicht in Sicht.
Darauf, dass auch der CDU klar ist, dass fleischlose Wurst nicht deshalb gekauft wird, weil sie billiger wäre, deuten im Entschließungsantrag enthaltene Ausführungen dazu hin, dass vegetarische Produkte nicht unbedingt gesünder sind als solche mit Fleisch. Tatsächlich müssen viele Hersteller reichlich Salz, Zucker und Fett zusetzen, damit der Geschmack von Soja (Tofu) oder Weizeneiweiß (Seitan) an den von Wurst oder Fleisch erinnert.
Ob das ungesund ist, hängt allerdings nicht nur davon ab, wie viel man davon isst, sondern auch, ob man überhaupt zu den Menschen gehört, deren Körper gesundheitlich darauf ansprechen. Der Salzkonsum wirkt sich beispielsweise nur bei etwa 15 Prozent der Menschen auf den Blutdruck aus. Gehört jemand dazu, sollte er jedoch wissen, dass er mit Hundert Gramm fleischloser Salami 3,3 Gramm Salz zu sich nehmen kann.