Venezuela: Debatten um uneingeschränkte Solidarität mit Opposition
Mehrheit in Bundestag und Europaparlament stellt sich hinter "Interimspräsidenten" Guaidó. 30-Tage-Frist für Neuwahl wird ignoriert
Die konservative Mehrheit im Europäischen Parlament hat heute inmitten des Machtkampfes in Venezuela den selbsternannten "Interimspräsidenten" Juan Guaidó anerkannt. 439 der Abgeordneten votierten für den Beschluss konservativer und liberaler Fraktionen, 104 stimmten dagegen, 88 Parlamentarier enthielten sich.
Die Befürworter des Papiers forderten die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten auf, ihrer Entscheidung zu folgen. Als Grund führten sie Äußerungen des amtierenden Präsidenten Nicolás Maduro an. Dieser hatte die EU-Forderung nach einer umgehenden fairen Neuwahl des Präsidenten öffentlich abgelehnt und stattdessen die Neuwahl des Parlaments erwogen.
Ob sich die EU-Staaten auf eine gemeinsame Linie in der Frage der Anerkennung Guaidós einigen können, ist allerdings unklar. Vor allem Deutschland, Frankreich und Großbritannien drängen auf die EU-weite Übernahme eines achttägigen Ultimatums, mit dem die Maduro-Regierung aufgefordert wurde, neue Präsidentschaftswahlen anzuberaumen. Griechenland wendet sich dagegen, Italien und Schweden sollen nach Angaben aus Brüssel Gesprächsbedarf angemeldet haben.
Gegenüber dem uruguayischen Präsidenten Tabaré Vázquez soll EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini eingestanden haben, dass in der EU über die Anerkennung Guaidós keine Einigkeit besteht. Das Thema stand heute auch bei einem informellen Außenministertreffen in der rumänischen Hauptstadt Bukarest auf der Tagesordnung.
Bei einer Aktuellen Stunde im Bundestag hatte Außenminister Heiko Maas (SPD) Maduro am Mittwochnachmittag vorgeworfen, gegen Standards von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit zu verstoßen. Maduro habe das erdölreichste Land der Welt an den Abgrund geführt. "Angesichts dessen kann man nicht neutral bleiben", sagte Maas unter Rückgriff auf einen früheren Tweet. Der SPD-Politiker bekräftigte die politische Unterstützung Deutschlands für Guaidó.
Jan Korte von den Linken bezweifelte, dass es der Bundesregierung in Venezuela tatsächlich um die Wiederherstellung von Demokratie und Rechtsstaat gehe. In diesem Fall müsse sie auch gegen die Machthaber in Saudi-Arabien, Ägypten und der Türkei vorgehen, argumentierte er in seiner Rede, die von zahlreichen Zwischenrufen unterbrochen wurde. Deutschland müsse sich an die Seite Mexikos und Uruguays stellen anstatt an die der USA, die nur auf die Erdölreserven Venezuelas aus seien.
Mexiko und Uruguay wollen einen Dialog ermöglichen
Die Regierungen Mexikos und Uruguays haben indes eine internationale Konferenz neutraler Länder gefordert, um einen Dialog zwischen den politischen Lagern in Venezuela wieder in Gang zu setzen. Die Konferenz soll am 7. Februar in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo stattfinden. Nach Angaben Mexikos werden dabei die Vertreter von mindestens zehn Ländern und internationaler Organisationen erwartet.
Mexiko und Uruguay haben sich bislang geweigert, der venezolanischen Regierung von Präsident Maduro die Anerkennung zu entziehen. Die USA, Kanada und lateinamerikanische Nationen haben Guaidó anerkannt, der sich in der vergangenen Woche zum Interimspräsidenten Venezuelas erklärt (Putschversuch in Venezuela) hat.
In einer Stellungnahme von Uruguay und Mexiko heißt es, Ziel der Konferenz sei es, "die Grundlage für einen neuen Dialogmechanismus zu schaffen, der alle Kräfte in Venezuela einbezieht, um zur Wiederherstellung des Friedens in diesem Land beizutragen".
Dass die uneingeschränkte Solidarität der Bundesregierung und des Europäischen Parlaments mit Guaidó die Situation noch zuspitzen könnte, vermutete in der Bundestagsdebatte der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour. In Artikel 233 der venezolanischen Verfassung, auf den sich der selbsternannte Gegenpräsident stützt, stehe "dass sich der Interimspräsident innerhalb von 30 Tagen wählen lassen muss, um legitim zu sein". Eben das müsse jetzt erwähnt werden, mahnte Nouripour: "Wir können nicht auf der einen Seite sagen: "Maduro muss weg" - was ich teile - und gleichzeitig keine Bedingungen für einen Interimspräsidenten aufstellen, damit er nicht auf die Idee kommt, er könne legitim im Amt bleiben, weil es Unterstützung von der falschen Seite gibt."
Ähnlich äußerte sich der österreichische Grünen-Europaabgeordnete Michel Reimon: "Ich habe mich bei der Venezuela-Abstimmung enthalten. Die Forderung nach schnellen Neuwahlen war nämlich nicht mehr in der Resolution und ich finde, das muss die Grundlage sein, um Legitimität für jede Regierung herzustellen."