Venezuela-Guyana-Konflikt: Droht ein neuer Öl-Krieg in US-Einflusszone?

Seite 2: Brasilien, Russland, China als Player

Da das Essequibo-Gebiet zwei Drittel von Guyana betrifft, fühlt sich nun das Land in seiner Existenz bedroht. Der guyanische Präsident Irfaan Ali brachte den Konflikt vor die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS). Die Vereinigten Staaten drohten Venezuela im Falle einer Annexion militärisch einzugreifen und ordneten eine gemeinsame Luftübung mit Guyana an.

Der drohende Konflikt steht nicht im Interesse der Mehrheit der lateinamerikanischen Staaten, die sich zur "Zone des Friedens" erklärten, sich bisher aus den globalen Turbulenzen der letzten 20 Jahre mit der Strategie des "Active Non Alignment" heraushielten und damit eine größere internationale Autonomie aufbauen konnten.

Ein möglicher Zusammenstoß zwischen Venezuela und Guyana könnte auch einen Konflikt zwischen den Großmachtinteressen zwischen den USA und Russland und womöglich auch Chinas in Lateinamerika hervorrufen und den Frieden auf dem Kontinent gefährden. Der brasilianische Präsident Lula, die 2011 gegründete "Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten" (CELAC) und die "Gemeinschaft Karibischer Staaten" (CARICOM) kamen nun der OAS und den USA zuvor und veranlassten ein Treffen zur friedlichen Streitbeilegung zwischen den venezolanischen und guyanischen Präsidenten in St. Vincent & Grenadinen.

Beide Präsidenten verpflichteten sich nun, den Frieden in der Region aufrechtzuerhalten und dem Dialog Priorität einzuräumen. Allerdings behielt sich Irfaan Ali das Recht vor, über Investitionen und die Verteidigung des Landes selbst entscheiden zu können.

Es wurde eine "Gemeinsame Kommission der Außenminister und Techniker" gebildet, die im ersten Quartal 2024 in Brasilien tagen soll. Dabei könnte es zu Vereinbarungen über die Nutzung der Region kommen.

Das zeigt die gewachsene internationale Handlungsmacht und Kompetenz der lateinamerikanischen Staaten im Gegensatz zur Drohpolitik der USA und OAS, regionale Konflikte einzuhegen und die gemeinsamen kontinentalen Interessen unabhängig von einer westlichen Hegemonie geltend zu machen.

Allerdings ist der Konflikt nicht endgültig gelöst und erfordert weiterhin größte Anstrengungen und diplomatisches Gespür, um den Frieden in der Region aufrechtzuerhalten.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit Welttrends.

Raina Zimmering, geb. 1951, habilitierte zur Außenpolitik lateinamerikanischer Staaten, lehrte und forschte als Professorin an der Universidad Nacional de Colombia en Bogotá und an der Johannes Kepler Universität Linz in Österreich. Seit 2017 ist sie Senior Research Fellow am Institut für Internationale Politik in Potsdam.