Venezuela: Kein Befreiungsschlag für niemanden

Seite 3: Fehler und Parteinahme in Medienberichten

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Dass die Aufrufe zum Dialog in Venezuela von der Opposition bislang nicht beachtet wurden, liegt auch an ihrer Diskursdominanz. Dazu trägt die Berichterstattung vieler internationaler Medien bei, die - auch in Deutschland - einseitig berichten. Dazu einige Beispiele:

  • Das öffentlich-rechtliche Nachrichtenportal tagesschau.de berichtete aus Mexiko, die Mehrheit der Venezolaner lehne die Abstimmung ab - und machte dies sogar zur Headline. Die angeführte Umfrage des Instituts Datanálsis belegt das. Es gibt allerdings auch Umfragen, die das Gegenteil aussagten, die aber nicht vorkamen;
  • Im gleichen Bericht von tagesschau.de heißt es unter Berufung auf eine Regierungskritikerin, die Abstimmung am Sonntag sei illegal, weil vorab ein Referendum hätte abgehalten werden müssen. Das Problem: Keiner der betreffenden Artikel 347-350 der venezolanischen Verfassung decken diese Aussage;
  • Das Nachrichtenportal Spiegel Online zieht die Bewertung von Oppositionspolitiker Henrique Capriles von einem "schwarzen Tag für Venezuela" in die Headline;
  • Das Online-Portal der Wochenzeitung Die Zeit veröffentlichte eine Hauptmeldung mit dem Titel: "Die USA und sechs weitere Länder wollen Wahl in Venezuela nicht anerkennen." Es handelt sich allesamt um Länder der Organisation Amerikanischer Staaten, die 35 Mitglieder hat. Der Titel hätte also auch heißen können: "28 amerikanische Staaten wollen Wahl in Venezuela anerkennen." Oder zumindest "akzeptieren".

Angesichts dieser politisch-medialen Phalanx ist fraglich, ob die Pattsituation in Venezuela mit der verfassunggebenden Versammlung aufgelöst werden kann. Acht Millionen Stimmen sind zwar mehr, also das MUD-Bündnis Mitte des Monats in einem "Plebiszit" behauptet zusammengetragen zu haben. Den erwarteten Befreiungsschlag für das Regierungslager bedeutet dies aber nicht. So ist zu erwarten, dass der Kampf um Venezuela weitergeht. Innerhalb des Landes und auf internationaler Ebene.