Venezuela im Nebel der Desinformation und Propaganda
Die von der US-Regierung massiv gestützte Opposition scheint die für einen Regierungssturz nötige Mobilisierung nicht zu schaffen, der Konflikt legt mit den Sanktionen aber das Land lahm
US-Außenminister Mike Pompeo hat sich gerade damit gebrüstet, dass sein Außenministerium in einer "entscheidenden Mission" die Trump-Regierung "anführt und koordiniert, um gegen Propaganda und Desinformation im Ausland zu kämpfen". Er hatte sich mit Leiterin des Global Engagement Center, Lea Gabrielle, getroffen. Die Abteilung wurde unter anderen Namen bereits unter Barack Obama vor allem gegen die russischen Desinformationsversuche gegründet. Dass man im Ausland Propaganda und Desinformation bekämpft, hindert freilich die Trump-Regierung und vor allem den Präsidenten selbst nicht, eben solche zu verbreiten.
Gerade stellte sich heraus, dass sich Sonderermittler Mueller nach Veröffentlichung der Zusammenfassung seines Abschlussberichts am 24. März in einem Brief an den Justizminister Barr scharf beschwert hatte. Der Brief wurde einige Tage nach der Veröffentlichung geschickt, ist aber nun erst bekannt geworden. Barr habe "den Kontext, das Wesen und die Substanz der Arbeit und der Schlussfolgerungen der Behörde nicht ganz richtig dargestellt". Es gebe Verwirrung in der Öffentlichkeit "über entscheidende Aspekte der Ergebnisse unserer Untersuchung". Das wiederum bedrohe den Zweck der Einsetzung des Sonderermittlers, nämlich "das voll öffentliche Vertrauen in das Ergebnis der Untersuchungen sicherzustellen". Mueller forderte, dass die Einführung und die Zusammenfassungen des Berichts nach den vorgeschlagenen Schwärzungen veröffentlicht werden.
Das Justizministerium hat schließlich den ganzen Bericht mit Schwärzungen veröffentlicht, unklar ist nun, ob mehr Schwärzungen vorgenommen wurden, als dies Mueller für rechtlich notwendig hielt. Gestern wies Barr in einer Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Senats die Kritik Muellers zurück. Während der Anhörung wurde er von den demokratischen Senatoren scharf angegriffen und mitunter als Lügner bezeichnet. Es wurden auch, etwa von Elizabeth Warren, Forderungen nach seinem Rücktritt laut.
US-Regierung verbreitet Gerüchte
Aber wir waren bei Pompeo, der Desinformation im Ausland bekämpfen will. Er sagte im Rahmen der Unterstützung des Guaidó-Putsches unter dem Titel Operacion Libertad am Dienstag, Nicolaus Maduro sei bereit gewesen, aus dem Land zu fliehen, nur die Russen hätten ihn zurückgehalten. Belege hatte er dafür nicht, behauptete aber, es habe bereits ein Flugzeug bereitgestanden, um ihn nach Kuba auszufliegen.
Es war offensichtlich eine ähnliche Desinformation wie sie von US-Sicherheitsberater John Bolton verbreitet wurde, um für Unsicherheit über die Stabilität der Maduro-Regierung und den Rückhalt des Militärs zu sorgen. Bolton hatte, als sich abzeichnete, dass der erhoffte Putsch in die Hosen ging, erklärt, dass die "wichtigsten Personen des Regimes", inklusive angeblich Verteidigungsminister Wladimir Padrino, Maikel Moreno, der Vorsitzende Richter des Obersten Gerichtshofs, und Ivan Rafael Hernandez Dala, der Kommandeur der Präsidentengarde, einig seien, dass Maduro gehen müsse. Sie hätten zugestimmt mitzuhelfen, dass Maduro das Land verlässt. Bolton forderte sie auf, die von Guaidó angebotene Amnestie zu akzeptieren und Maduro zu stürzen, sonst würden sie mit ihm untergehen. Überdies behauptete er, eine "überwältigende Mehrheit der Soldaten" würde Guaidó unterstützen.
Auch Abrams, der Venezuela-Beauftragte der US-Regierung, stellte sich noch am Mittwoch hinter das Gerücht. Die Vertreter der Maduro-Regierung, die mit der Opposition verhandelt hätten, hätten aber nun ihre Smartphones abgeschaltet. Gefragt, ob die Information etwa auf Padrino zutreffe, entgegnete er ausweichend, dass er sich auf hohe Mitglieder der Regierung beziehe. Die drei oben Genannten hätten an Verhandlungen mit der Opposition unter Ausschluss der USA teilgenommen, um über eine Machtübergabe zu sprechen, bei der Leute wie Maduro ihre Würde bewahren können. Sie hätten aber immer nur gesprochen, aber sie wären nicht bereit gewesen, als der Moment des Handelns gekommen war. Jetzt wisse aber Maduro, dass er sich auf diese Menschen nicht mehr verlassen könne.
Juan Guaidó mischte bei solchen Aussagen mit, wobei es sicherlich zwischen Vertretern der Regierung und der Opposition Gespräche gibt. Zunächst ließ er verlauten, dass ein Militärflughafen gestürmt worden sei, was nicht der Fall war, und schließlich behauptete er, nachdem seine Aufforderung ans Militär, auf seine Seite zu wechseln, gescheitert war, dass Maduro weder die Kontrolle über die Streitkräfte noch über das Volk habe.
Pompeo droht weiterhin militärische Intervention an
Maduro hatte im Beisein des Verteidigungsministers und hoher Militärs die Niederschlagung des Putsches erklärt und gedroht, dass die Verantwortlichen für den Putsch zur Rechenschaft gezogen werden müssten. Er bezichtigte Trump und seine Leute "psychischer Störungen", während Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, sagte, Washington habe sein Bestes gegeben, um die venezolanische Armee zu destabilisieren: "Jetzt werden Fakes als Teil des Informationskriegs verwendet."
Auch gestern wiederholte Pompeo wieder, dass die USA militärisch intervenieren würden, falls dies notwendig wäre. Von Washington wird schon lange gedroht, dass alle Optionen auf dem Tisch lägen. Es gab aber schon einen Rückzieher vom Venezuela-Beauftragten Abrams, bislang sind keine Hinweise bekannt, dass konkrete Vorbereitungen laufen. Admiral Craig Faller, Kommandeur des zuständigen SouthCommand, ist zwar emsig in Lateinamerika unterwegs, sieht aber, wie er am Mittwoch sagte, keine militärische Rolle. General Joseph Dunford, der oberste Kommandeur, sagte, was man halt so sagt, wenn angeblich alle Optionen auf dem Tisch liegen, dass man auf alles vorbereitet sei. Vor dem Streitkräfteausschuss des Repräsentantenhauses sagte eine Sprecherin des Pentagon, es gebe im Fall Venezuela keine Anweisung, Pläne zu diskutieren.
John Bolton versucht auch weiter mit plumper Propaganda den Konflikt in Gut und Böse darzustellen: "Interim President Guaido bravely leads the Venezuelan people through the streets, while Maduro hides in a military bunker somewhere, surrounded by his Cuban overseers and corrupt cronies. Guaido shows the courage of a leader; Maduro is nothing but a cowardly autocrat."
Noch sieht es nicht so aus, als würde Guaidó den Umsturz erreichen
Guaidó hofft weiter, dass er genügend Menschen mobilisieren kann, um die Stimmung im Land zu kippen. Er hatte für den 1. Mai zu Protestkundgebungen und Märschen im ganzen Land aufgerufen, um in die letzte Phase des Kampfes gegen die "Usurpation" einzutreten. Tatsächlich versammelten sich in vielen Städten tausende Anhänger des Oppositionsführers, die mit Bildern belegt werden, während die Maduro-Regierung dagegen mit Bildern von Regierungsanhängern konkurriert.
Das Volk ist gespalten, das ist auch der Grund, warum der von Guaidó und den USA betriebene Versuch, die Regierung zu stürzen, sich seit Monaten dahinschleppt. Die US-Regierung suggeriert, dass letztlich nur Soldaten aus Kuba Maduro an der Macht halten würden. Kuba bestreitet, bewaffnete Kräfte in Venezuela zu haben, für Washington ist die Behauptung auch Legitimation, neue Sanktionen gegen Kuba vorzubereiten, um es wirtschaftlich zu strangulieren.
Guaidó scheint selbst nicht recht an einen Erfolg zu glauben, sondern will mit den Gewerkschaften einen Generalstreik vorbereiten, weil die von der Maduro-Regierung beschlossene Erhöhung des Mindestlohns ab dem 1. Mai wegen der hohen Inflation nichts bewirke. Allerdings könnte der Bewegung allmählich die Luft ausgehen, wenn nach den immer neuen Versprechungen nichts wirklich vorankommt. Jetzt hat sich Guaidó möglicherweise selbst eine Falle gestellt, als er von der "letzten Phase" sprach.
Die große Frage ist, wie lange die Maduro-Regierung noch zögert, gegen Guaidó vorzugehen, der immerhin zu einem Putsch aufgerufen und eine militärische Intervention ins Spiel gebracht hat. Mit dem Schritt, sich mit bewaffneten Soldaten zu umgeben, auch wenn es nur wenige waren, kann man auch nicht mehr von einer friedlichen und unbewaffneten Oppositionsbewegung sprechen. Guaidó spielt mit der Provokation, was persönlich mutig ist, weil er die US-Regierung hinter sich weiß, aber auf die Trump-Regierung ist kein Verlass.
Die Maduro-Regierung hat Guaidó und die Protestbewegung bislang gewähren lassen - und damit dem Bild widersprochen, dass sie eine Diktatur oder "Usurpation" sei -, weil sie alles vermeiden will, was zu einer militärischen Intervention führen könnte. Gleichzeitig wird die Regierung deswegen wohl auch als geschwächt betrachtet. Sollte sich der Konflikt noch lange hinziehen und es nicht zu Gesprächen mit der Opposition kommen, ist dies für die Regierung auch gefährlich, weil die Misere, die Korruption und der wirtschaftliche Niedergang den verbliebenen Rückhalt weiter schwächen werden.