Venezuelas Gegenbotschafter in Deutschland muss offline gehen

Sozial-Media-Präsenz nach Intervention des Außenamtes gelöscht. Vertreter von "Interimspräsident" war eigenmächtig als Diplomat aufgetreten

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Die Anerkennung des selbsternannten venezolanischen Interimspräsidenten Juan Guaidó verschafft der Bundesregierung zunehmende Probleme. Nun musste das Auswärtige Amt selbst den Vertreter Guaidós in Deutschland in die Schranken weisen: Otto Gebauer hatte sich in sozialen Netzwerken als "Botschafter der Bolivarischen Republik Venezuela" präsentiert und war auf Konfrontationskurs mit Bundesbehörden gegangen. Erst nach Intervention des Auswärtigen Amtes löschte er die entsprechenden Konten auf Facebook, Twitter und Instagram. Der Fall belegt, inwieweit sich das Auswärtige Amt mit der Venezuela-Politik seiner Führung in die diplomatische Sackgasse manövriert hat.

Denn während die Bundesregierung Guaidó nach dessen Selbstproklamation im Januar als rechtsmäßigen Präsidenten anerkannthatte und damit zumindest teilweise der US-Linie gefolgt war, pflegt das Außenamt gezwungenermaßen weiter Kontakte mit der venezolanischen Botschaft. Denn Guaidó hat nach wie vor keine reale Macht im Land.

Zudem sind die Folgen der deutschen Venezuela-Politik erheblich: Gutachten aus dem Bundestag bescheinigten Maas, mit der Anerkennung Guaidós gegen Völkerrecht verstoßen zu haben; für den aus Venezuela ausgewiesenen deutschen Botschafter Daniel Kriener zeichnet sich nach wie vor keine Rückkehr auf seinen alten Posten ab; die deutsche Botschaft ist nach dem Abzug mindestens einer weiteren führenden Diplomatin de facto arbeitsunfähig.

Trotz der offenen Unterstützung für Guaidó und seinen Vertretern musste die Bundesregierung nun aber aus anderen Gründen einschreiten. Der ehemalige Militär und Putschist Gebauer hatte im Netz Landleuten konsularische Dienste angeboten und Kontakte zu "Bundesbehörden, politischen Organisationen, Gewerkschaften und Unternehmern" betont. In einem seiner letzten Postings beschuldigte er die Bundespolizei, am Flughafen in Frankfurt am Main "jugendliche Venezolaner festzuhalten".

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu am Donnerstag auf Anfrage, die Bundesregierung habe "das öffentliche Auftreten von Herrn Gebauer mit ihm thematisiert". Eine Unterredung hatte offenbar bereits in der vergangenen Woche stattgefunden. Wenig später gingen die entsprechenden Seiten offline. Auf Nachfragen reagierte Gebauer nicht.

Interimspräsident anerkannt, Botschafter nicht

Gebauer war von Guaidó nach dessen Selbsternennung zum "Botschafter" in Deutschland bestimmt worden. Die Bundesregierung brachte schon das in die Bredouille. Sie erklärte Ende März auf parlamentarische Nachfrage, man werde Gebauer nicht offiziell akkreditieren.

Gemäß der Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Anfrage der Linkspartei hat die Bundesregierung den Emissär Mitte März zwar erstmals "als persönlichen Vertreter von Interimspräsident Guaidó" empfangen. "Weitere Schritte sind nicht geplant", heißt es in dem Antwortschreiben jedoch. Gebauer selbst hielt sich nicht an diese Vereinbarung. Unter goldenem Staatswappen präsentierte er sich als "Botschafter und Chef des diplomatischen Dienstes der Bolivarischen Republik Venezuela in der Bundesrepublik Deutschland". Die Aktion war offenbar mit Guaidó abgestimmt: Ähnliche gelayoutete Seiten mit zudem immer gleichen URL-Aufbau stellten seine Vertreter in Großbritannien, Malta, Österreich, Marokko, Polen und Portugal online. Sie sind nach wie vor erreichbar.

Das alles wäre nicht weiter aufgefallen, hätte sich Gebauer nicht - offenbar aus Gründen der Profilierung - mit Bundesbehörden angelegt. Auf Twitter schrieb er, die Polizei in Frankfurt halte seit Tagen mehrere junge Venezolaner fest. Dort konnte man zwar bestätigen, dass sich eine venezolanische Staatsangehörige seit dem 4. Juni im Transitbereich des Flughafens aufhielt, nachdem die Bundespolizei ihr die Einreise verweigert hatte. "Gegen die verfügte Zurückweisung hatte sie über ihre anwaltliche Vertretung Rechtsmittel eingelegt", erklärte ein Polizeisprecher auf Nachfrage.

Nach richterlicher Bestätigung der verfügten Einreiseverweigerung sei die Frau schließlich am 13. Juni nach Bogota zurückgewiesen worden. Der mehrtägige Aufenthalt selbst war demnach freiwillig und sie hätte jederzeit abreisen können. Seither befänden sich "keine venezolanischen Staatsangehörigen im Gewahrsam der Bundespolizei am Flughafen Frankfurt", so der Polizeisprecher.

Fachgutachten kritisierten frühzeitig Anerkennung Guaidós

Nach dem folgenden Eklat hinter den Kulissen dürfte den Fachpolitikern im Auswärtigen Amt endgültig klar sein, in welch eine schwierige Situation die Entscheidung von Maas zur Anerkennung Guaidós die Bundesregierung gebracht hat. Der Schritt stellte per se einen Bruch mit den bisherigen außenpolitischen Standards der Bundesregierung dar.

Zwei Gutachten des Bundestages, die von der Linksfraktion in Auftrag gegeben wurden, hoben hervor, dass die Bundesregierung damit von ihrer bisherigen Praxis abweiche, nur Staaten, nicht aber Regierungen förmlich anzuerkennen. Deutschland positioniere sich mit der Anerkennung Guaidós zu einer innenpolitisch nicht geklärten Frage des venezolanischen Verfassungsrechts und greife damit proaktiv in einen offenen Machtkampf in dem südamerikanischen Land ein, konstatierte eines der Papiere: "Dies erscheint unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der 'Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates' völkerrechtlich ebenso fragwürdig wie die (vorzeitige) Anerkennung eines Oppositionspolitikers als Interimspräsidenten, der sich im Machtgefüge eines Staates noch nicht effektiv durchgesetzt hat."

Diese Erkenntnis scheint sich nun auch in Berlin durchzusetzen. Auf Nachfrage teilte das Auswärtige Amt fast wortgleich zu bisherigen entsprechenden Anfragen mit, man habe Gebauer "am 13. März 2019 erstmals als persönlichen Vertreter des venezolanischen Interimspräsidenten Juan Guaidó empfangen und wird auch weiterhin mit ihm in Kontakt stehen". Es folgte allerdings ein nicht unerheblicher Zusatz: "Für die bestehenden diplomatischen Vertretungen Venezuelas in Deutschland ergeben sich daraus keine Konsequenzen."

Damit folgt die Bundesregierung nach wochenlangem Zögern der Mehrheitsmeinung innerhalb der Europäischen Union, nach der in der Frage der diplomatischen Vertretung eine pragmatische Lösung gefunden werden muss. Einen dieser Venezuela-Außenpolitik immanenten Widerspruch löst auch dies jedoch nicht: Man erkennt eine Gegenregierung an, hält mit der alten Regierung jedoch wie gehabt diplomatischen Kontakt. Der einzige Unterschied ist, dass Gespräche mit dem Botschafter Venezuelas nicht mehr in der Lateinamerika-Abteilung des Auswärtigen Amtes, sondern in einem Restaurant auf der anderen Straßenseite des Werderschen Marktes in Berlin stattfinden. Dessen Namen lautet bezeichnenderweise "Foreign Affairs".

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Venezuelas Botschafter betont Anerkennung seiner Mission

Der Botschafter Venezuelas in Deutschland, Orlando Maniglia, sieht in der Position der Bundesregierung einen Ausdruck der realpolitischen Verhältnisse. Er begrüße die Intervention des Auswärtigen Amtes gegenüber dem kurzzeitigen Gegenbotschafter, sagte er im Interview: "Ich persönlich habe nichts mit Herrn Gebauer zu besprechen, der, und das wäre normal, von mir aus als Vertreter des Parlaments auftreten kann. Aber den akkreditierten Botschafter von Venezuela in Deutschland gibt es nur einmal."

Nach Maniglias Angaben verzeichnet das Konsulat einen deutlichen Anstieg von Anträgen auf Reisepässe und auf Verlängerung von Reisepässen. "Das ist ein Ergebnis unserer Anstrengungen, diese Aufläufe zu normalisieren", sagte er. In der Vergangenheit hatte es unter dem Eindruck der Krise erhebliche Probleme mit der Ausstellung und Verlängerung von Ausweisdokumenten gegeben. Die Resonanz der venezolanischen Staatsbürger deutet Maniglia nun als Zeichen der Anerkennung seiner Botschaft. Dies treffe auch auf übrigen diplomatische Vertretungen in Berlin zu: "Sie alle schicken mir weiter Einladungen zu ihren Veranstaltungen."

Die EU betonte indes, dass "eine verstärkte Koordinierung zwischen allen internationalen Akteuren für eine Verhandlungslösung erforderlich ist". Ziel seien "freie und faire" Neuwahlen. "In diesem Zusammenhang bekräftigt die Europäische Union ihre Unterstützung für den von Norwegen unterstützten Prozess, an dem die verantwortlichen politischen Akteure aus Venezuela beteiligt sind", heißt es in einer Erklärung weiter. Die EU rufe alle Beteiligten aus Venezuela auf", sich in gutem Glauben an diese Prozess einzubringen". Der Name Guaidós kommt in der Erklärung nicht mehr vor.