Veraltete Japan-Fantasy-Lächerlichkeit

Metal Gear Rising: Revengeance - unterschiedliche Schnetzelware auf Xbox 360 und Playstation 3

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Kojima Productions ist seit jeher bekannt für seine pathetisch erzählten Videospiel-Blockbuster, in denen die Helden nadelstichartig voranschreiten; Platinum Games hingegen steht für spleenige Irrsinns-Action, wie sie übertriebener kaum inszeniert werden könnte. Nun kreuzen sich die Wege der beiden japanischen Top-Entwickler. Das Ergebnis heißt Metal Gear Rising: Revengeance und soll erwähnte Stärken addieren.

Metal Gear Rising: Revengeance spielt in dem von Videospielentwickler Hideo Kojima 1987 ersonnenen Science-Fiction-Universum. Während die Metal Gear-Spiele, die später nach ihrem Helden Solid Snake zu Metal Gear Solid umbenannt wurden, zu den einflussreichsten Vertretern im Stealth-Action-Genre zählen, dreht der von Kojima Productions eingesetzte Entwickler Platinum Games den Spieß einmal um. Die Hauptrolle übernimmt diesmal Raiden, der 2001 in Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty (Playstation 2) seinen Erstauftritt hatte und ein zweites Mal 2008 in Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots (Playstation 3) wiederkehrte. Jetzt hat er sein eigenes Spin-off, das an die Schwertkampf-Action von Spielen wie Ninja Gaiden oder Onimusha anknüpft und dem Genre schneller Combo-Action-Adventures wie Devil May Cry, God of War oder Bayonetta einen weiteren Eintrag hinzufügt - Metal Gear-Fans, die Stealth-Action erwarten, seien also gewarnt.

Ebenso Freunde einer guten Story. Im typisch-übertriebenen Japan-Stil, der hier nicht selten aufs Peinlichste überreizt wird, erzählt Platinum Games Raidens Geschichte vier Jahre nach den Ereignissen von Metal Gear Solid 4. Der androgyne Jüngling hat für seine Rückkehr ein komplettes Redesign zum Cyborg-Ninja durchlaufen müssen. Zusätzlich zu seinem kybernetischen Exoskelett, ebensolchen Prothesen und einem Schutzanzug definiert sich Raidens Charakter über seine Waffe, das japanische Langschwert Katana. In einem Virtual Reality-Tutorial lernt der Spieler die Grundlagen von Raidens Fähigkeiten kennen: wie er läuft, springt und kämpft. Leider kommen die genauen Beschreibungen der Kampf-Moves etwas zu kurz - und das, obwohl gerade ihr gekonnter Einsatz die Substanz der mit fünf bis acht Stunden etwas kurz geratenen Einzelspielerkampagne ausmacht.

Zu Beginn lernt der Spieler in einer viel zu lang und belanglos erzählten Zwischensequenz Raidens neue Rolle als Bodyguard eines afrikanischen Ministerpräsidenten kennen. In einer Zukunft, in der übermenschlich starke Cyborgs zum Alltag gehören, schützen selbst Panzerpatrouillen nicht vor dem ambitionierten Anschlag einer kriegstreiberischen Partei. So macht Raiden seine erste Bekanntschaft mit einem ebenbürtigen Schwertkämpfern namens Sundowner. Nach einem Wortduell zum Vergessen ergreift der Held seine Klinge und verfolgt den Widersacher. Mit Genre-typischen Fähigkeiten wie Sprint und Sprung weicht er Lasern und Geschossen aus und trifft auf seinem Weg zu Zwischen- und Oberbossen unterschiedliche Schnetzelware wie Soldaten oder Metal Gears (Mechs/Laufroboter).

Das Kampfsystem hat Platinum Games auf wenige Knöpfe verteilt - einer für normale und einer für härtere Hiebe. Unterschiedlich kombiniert gelingen dem Spieler dennoch ansehnliche Angriffe, die zu noch stärkeren Combos führen. Das A und O von Metal Gear Rising: Revengeance stellt die Schwertbedienung per Analogstick dar: Seine 360-Grad-Klingensteuerung macht besonders dann Sinn, wenn sich Raidens Energieanzeige aufgefüllt hat und die Zeit abbremst. Während die Gegner wehrlos sind, kann er sie mit gezielten Echtzeithieben ordentlich in Stücke schneiden. Trifft er dabei im richtigen Augenblick ein rot umrahmtes Ziel am Körper, aktiviert sich der Zandatsu-Move und und Raiden reißt dem Gegner in einer Quicktime- Animation dessen Rückgrat-ähnliche Nanomaschine aus dem Körper. Auch wenn das Schwertkampfprinzip in Verbindung mit dem "Zandatsu"-Einsatz nur eine Weiterentwicklung finaler Todesstöße aus ähnlichen Games ist, gehört spielerisches Geschick zum Auslösen dieser Bonussequenz - ein einzigartiges Gameplay-Element, das in einen Flow versetzt.

Doch nicht alles am Kampfsystem von Metal Gear Rising: Revengeance ist erfreulich. Die fließende Action wird zu oft von öden Zwischensequenzen unterbrochen und auch die Technik hat ihre Schwächen - besonders in engeren Räumen und wenn mehrere Gegner angreifen. Eine Kamera, die dem Spieler nicht zeigt, wo der Angriff herkommt, gehört zwar noch regelmäßig zu den Ärgernissen von 3D-Beat ’em ups, dennoch sollten solche Fehler führenden Entwicklern wie den beiden beteiligten Studios heute nicht mehr unterlaufen.

Ein weiterer Kritikpunkt an Metal Gear Rising: Revengeance ist das undurchsichtige Kontersystem. Eine Ausweichfunktion vor gegnerischen Angriffen hat Raiden nicht. Stattdessen kann er gezielt parieren. Dazu muss der Spieler einen Button drücken und Raiden synchron in die richtige Richtung lenken. Allerdings ist es selbst mit viel Übung schwer, an der Animation des Gegners eindeutig abzulesen, in welche Richtung er eigentlich schlägt. Besonders in den von Metal Gear gewohnt bombastischen Bosskämpfen - z.B. gegen Cyborg-Freaks wie die mehrarmige Mistral oder den vorfiletierten Monsoon - sind Gegenangriffe durch korrektes Parieren dennoch überlebensnotwendig. Daher ist der Spieler gut beraten, diese fast nebensächlich ins Spiel eingeführte Möglichkeit früh genug zu trainieren.

Mit den vorigen Metal Gear-Spielen hat Metal Gear Rising: Revengeance also nur noch wenig gemein - abgesehen von einigen total deplatziert wirkender Schleicheinlagen zwischendurch. Vielmehr hat Platinum Games mit seinem speziellen Stil aus dem Franchise einen neuen Zweig abgeleitet. Während Fans des Genres zwar neues Futter bekommen, hat die gesamte Präsentation von Metal Gear Rising: Revengeance nicht annähernd so viel kreativen Witz wie das kürzlich erschienene DmC - Devil May Cry, sondern rutscht mehr in veraltete Japan-Fantasy-Lächerlichkeit ab. Dank des einzigartigen Kampfsystems kommt es zugebenermaßen zu berauschenden Momenten, die hohe Qualität der auf den Punkt gebrachten Platinum-Action-Reißer Bayonetta undVanquish erreicht das Spiel nur zu keiner Zeit.

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