Verdi gegen Verbraucherschutz
Die Gewerkschaft sammelt Unterschriften gegen die Kontrolle von "Bankberatern"
Kurz nach der Lehmann-Pleite durfte Melanie Bergermann in der Wirtschaftswoche plötzlich das schreiben, was davor jahrelang unter den Teppich gekehrt worden war: Dass Kunden in deutschen Geldinstituten "eiskalt angelogen" wurden und dass man alles unternahm, damit sie Formulare bloß nicht mit nach Hause nahmen und dort durchlasen.
Als die Zig-Milliarden an Steuergeldern, mit denen heute die angebliche Notwendigkeit einer Krankenversicherungs-Kopfzuzahlung und einer "Pauschalisierung" der Unterkunftskosten von Hartz-IV-Beziehern begründet wird, an die Banken flossen, da wurden viele Änderungen versprochen: Gesetze sollten die Gefahren von Spekulationen begrenzen, Managergehälter sollten sinken und "Bankberater" sollten Kunden nicht mehr mittels Täuschen und Verschweigen in angeblich sichere Anlageformen locken dürfen. Letzteres sollte durch neue Aufklärungspflichten für Bankmitarbeiter sichergestellt werden.
Von der Stiftung Warentest durchgeführte Stichproben ergaben jedoch, dass dieses Ziel nur sehr bedingt erreicht wurde. Selbst dort, wo Protokolle angefertigt und ausgehändigt wurden, waren sie häufig so vorformuliert, dass sie das Gegenteil von dem bewirkten, was bei ihrer Einführung versprochen worden war: Sie schützten nicht Verbrauchern, sondern halfen lediglich Banken, sich mit zusätzlichem Kleingedruckten pauschal vor Haftungsansprüchen zu schützen.
Weil die Banken die von der Stiftung Warentest ermittelten Ergebnisse bestritten, kündigte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner im Dezember an, dass Geldinstitute zukünftig auch mit Kontrollen staatlicher Ermittler rechnen müssten, die verdeckt als Kunden agieren. Allerdings ließ sie offen, welche Sanktionen sie verhängen will, wenn Verstöße amtlich nachgewiesen werden.
Die Gewerkschaft Verdi will diesen sehr behutsamen Schritt zur Einhegung des "rechtsfreien Raums" Geldinstitut verhindern: Der Funktionär Uwe Foullong spricht in diesem Zusammenhang von einer "Kriminalisierung der Bankberater". Um Aigners Verbraucherschutzpläne zu vereiteln, sammelt er jetzt deren Unterschriften. Laut WAZ kamen bereits 60.000 zustande. Es scheint, dass viele Bankmitarbeiter in einer Art und Weise beraten, dass sie Angst vor Kontrollen haben müssen.
Zur Sympathiewerbung für Verdi dürfte diese Unterschriftensammlung nicht unbedingt beitragen: Dabei kämpft die Gewerkschaft bereits seit ihrer Gründung nicht nur mit einem immer massiver werdenden Imageproblem, sondern auch mit einem rapiden Mitgliederschwund: Zum Zeitpunkt ihrer Gründung hatte die neu entstandene "größte Dienstleistungsgewerkschaft der Welt" fast 2,9 Millionen Mitglieder. Knapp zehn Jahre später sind es nur noch 2,1 Millionen.
Ein Mitgliederschwund, der sich durch Arbeitsplatzabbau nur zum Teil erklären lässt. Auch deshalb, weil es heute insgesamt mehr Beschäftigte gibt als vor zehn Jahren. Eine weitere wichtige Ursache liegt offenbar in der Unzufriedenheit von immer mehr Mitgliedern über eine fast beispiellose Versagensgeschichte: Außer "Lohnerhöhungen" unter oder nur knapp über der Inflationsrate kam selten etwas heraus - dafür gab es regelmäßig unbezahlte Verlängerungen der Arbeitszeit. Mit ihrem Beharren auf prozentualen Lohnsteigerungen statt Festbetragsforderungen agierte Verdi darüber hinaus zum Nachteil von Geringverdienern und betrieb eine Art gewerkschaftlicher Niedriglohnpolitik.
Möglicherweise um davon abzulenken, dass nach Tarifverhandlungen immer häufiger die Maximalziele der Arbeitgeber schöngeredet werden mussten, verlegte sich Verdi auf Forderungen wie die nach einer Totalüberwachung des Internets zum Aufspüren vom Immaterialgüterrechtsverletzungen und einem neuen Monopolrecht für Verleger. Damit brachte sie auch viele ihrer Mitglieder gegen sich auf, für die ein solches (irreführend "Leistungsschutzrecht" benanntes) Verlegermonopol extrem negative Folgen auf die Weiterverwertbarkeit ihrer eigenen Texte hätte.
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