Vereinte Nationen bereiten weltweite Pakte zu Flüchtlingen und Migration vor

Seite 3: Das Spannungsverhältnis zur nationalen Souveränität

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Selbstverständlich ist das Ziel nachvollziehbar, vor dem Hintergrund weiterer künftiger Flüchtlings- und Migrationsströme - die offenkundig als unaufhaltsame Entwicklung eingestuft werden - die Wege, Zielorte und Lebenschancen von Flüchtlingen und Migranten in betroffenen Aufnahmeregionen und Herkunftsländern zu "managen".

Dies verlangt allerdings zugleich den Aufnahmeregionen und staatlichen Finanziers einiges ab. Den Aufnahmestaaten wird die nicht ganz einfache Rolle zugeschrieben, für zahllose Menschen aus dem Ausland annehmbare Rahmen- und Lebensbedingungen zu schaffen, vor allem sie in den Arbeitsmarkt einzugliedern.

Eine entscheidende Frage dürfte in diesem Zusammenhang sein, inwieweit die internationalen Aktivitäten in einem Spannungsverhältnis zur nationalen Souveränität stehen.

Einerseits - räumt António Guterres ein - haben die Staaten und ihre Bürgerinnen und Bürger "berechtigte Gründe, sichere Grenzen zu verlangen und darüber zu entscheiden, wer ihr Hoheitsgebiet betreten und darin bleiben darf".

Andererseits erklärt er eine "Politik, die Migration einschränken will," ausdrücklich zur "kontraproduktiven Politik", welche "die Verwundbarkeit der Migranten" erhöhe. Seine Lösung: "Wir müssen Sicherheit als etwas begreifen, das eine gegenseitige Verstärkung der Sicherheit der Staaten, der Sicherheit der Öffentlichkeit und der Sicherheit der Migranten beinhaltet."

Die nationalen Spielräume werden enger

Befürworter der Pakte lassen keinen Zweifel daran, dass die nationalen Spielräume enger werden. So kritisiert Steffen Angenendt, Leiter der Forschungsgruppe "Globale Fragen" beim Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit, die wenigsten Regierungen seien bereit, in dem Politikfeld Flucht und Migration verbindliche Verpflichtungen einzugehen:

"Viele Regierungen betrachten diesen Politikbereich immer noch als ihre nationale 'domaine reservée' [eine in die alleinige Zuständigkeit eines Staates fallenden Angelegenheit], in der sie Kompetenzen nur höchst zögerlich oder gar nicht abgeben wollen. Die gilt, obwohl ihnen klar ist, dass sie kooperieren müssen, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen, und dass internationale Zusammenarbeit immer auch mit einer Einschränkung der nationalen Entscheidungsbefugnisse verbunden ist."

"Heikel" seien auch finanzielle Verpflichtungen.

In der Tat: Die Staaten müssen kooperieren und Finanzen vorhalten, damit die in Vorbereitung befindlichen Pakte funktionieren, und dabei die sicherlich unterschiedlichen Interessen von Herkunfts-, Transit- und Aufnahmeländern ausgleichen. Offen bleibt jedoch weiter, wie viele Millionen Flüchtlinge und Migranten die Unterstützer der neuen Dokumente in bestimmten Zeiträumen konkret vor Augen haben und wie viel Geld die wohlhabenderen/Industrie-Länder bereit sind, in die Hand zu nehmen.

Problematische Auswirkungen auf Aufnahmeländer bleiben unterbelichtet

Vor allem bleiben potenzielle problematische Auswirkungen auf die Aufnahmeländer und -regionen in den Pakten deutlich unterbelichtet. Hierzu gehören Veränderungen der Gesellschaftsstrukturen, mögliche Unverträglichkeiten und Konflikte kultureller Werte, die geringe formale Bildung und unzureichende berufliche Qualifikation von Teilen der Zuwandernden, hohe Beanspruchung vorhandener Sozialsysteme, usw..

Den Nöten und erhofften Zukunftsperspektiven der Flüchtlinge und Migranten gerecht zu werden und gleichzeitig den nationalen Aufnahmestaaten die versprochenen Vorteile zu verschaffen und sie nicht zu überfordern oder zu destabilisieren, könnte durchaus der Quadratur des Kreises gleich kommen.