Verkehrswende mit Billig-Bahn und Straßengebühr? Forscher plädieren für Zuckerbrot und Peitsche

Volle Bahnhöfe und Züge sollen vermieden werden. Bild: pxhere.com

Wirtschaftsexperten bezweifeln Effekt vergünstigter Monatstickets. Lösung soll Flexi-Preis für Bahn sein – und Abgabe für die Straße. Hier die Details des brisanten Vorschlags.

Die Wirkung des erprobten Neun-Euro-Tickets ist umstritten und auch das derzeit angebotene "Deutschlandticket" für 49 Euro im Monat überzeugt nicht alle. Nun macht ein Artikel in der Fachzeitschrift "Nature" einen ungewöhnlichen Vorschlag: dynamische Tarife im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Verbindung mit Gebühren für die Straßennutzung. Die Autoren jedenfalls sprechen von einer vielversprechenden Alternative zum "Deutschlandticket".

Die Analyse, die in Zusammenarbeit zwischen dem RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Yale University durchgeführt wurde, zeigt, dass das Neun-Euro-Ticket nur minimale Auswirkungen auf die Nutzung des Autos hatte.

Um den Umstieg auf den ÖPNV zu erleichtern, schlagen die Forscher daher vor, ein subventioniertes, dynamisches Preissystem für den ÖPNV in Verbindung mit einer flexiblen Straßennutzungsgebühr einzuführen.

Die Studie basiert auf Daten aus einer von der Stiftung Mercator geförderten Untersuchung zu den Auswirkungen des Neun-Euro-Tickets. Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie zeigen, dass das Neun-Euro-Ticket nur zu einer geringfügigen Reduzierung der wöchentlichen Fahrleistung mit dem Auto führte, während die Gesamtausgaben für das Ticket sehr hoch waren. Die investierten Gelder zur CO2-Vermeidung hätten daher über den Kosten üblicher Klimaschutzmaßnahmen gelegen.

Ein weiteres Problem des Neun-Euro-Tickets sei die erhöhte Nachfrage nach öffentlichen Verkehrsmitteln gewesen, insbesondere zu Stoßzeiten, was zu Überfüllung in Bussen und Bahnen führte.

Basierend auf diesen Erkenntnissen schlagen die Forscher ein dynamisches Preissystem vor, das sowohl die Nutzung des Autos als auch den ÖPNV berücksichtigt. Die könne durch variable Tarife für den ÖPNV mit besonders günstigen Preisen außerhalb der Hauptverkehrszeiten funktionieren.

Die dafür erforderliche Subventionierung könne teilweise durch eine Straßennutzungsgebühr erfolgen, deren Höhe sich an der Auslastung des Straßennetzes orientiert.

Mark Andor, Studienleiter und Mobilitätsexperte des RWI, ist davon überzeugt, dass das vorgeschlagene Preissystem für die ÖPNV-Nutzer nicht teurer wäre. Die Preise könnten in Stoßzeiten den aktuellen Tarifen entsprechen und in Zeiten mit geringer Auslastung auf sehr niedrige oder sogar null Euro sinken.

Dieses Preissystem würde es ermöglichen, eine optimale Auslastung von Bussen und Bahnen zu erreichen und Anreize für den Umstieg auf den ÖPNV zu schaffen.

Senkung der Preise für ÖPNV alleine reicht nicht

Die Forscher weisen jedoch darauf hin, dass eine Senkung der ÖPNV-Preise alleine nicht ausreicht, um die Nutzung des Autos zu verringern. Deshalb empfehlen sie die Kombination subventionierter ÖPNV-Tarife mit flexiblen Straßennutzungsgebühren, um sowohl den ÖPNV als auch die Straßen effizienter zu nutzen.

Sollte eine Umsetzung der dynamischen Straßennutzungsgebühren aus politischen Gründen nicht möglich sein, könne das flexible Preissystem für den ÖPNV dennoch eingeführt werden.

Die Forscher sind überzeugt, dass ein konsequentes Anwenden dieses vorgeschlagenen Preissystems das Potenzial hat, zu geringeren Schadstoff- und Treibhausgasemissionen, weniger Verkehrsstaus, weniger Unfällen und einer besseren Lebensqualität beizutragen.

Sie betonen, dass dieses Preissystem nicht nur in Deutschland, sondern in jedem Land umgesetzt werden könnte, wenn das Mobilitätsverhalten verändert werden soll.

"Heute machen wir Schluss mit kompliziert und anstrengend", hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zur Einführung des Tickets Anfang Mai gesagt. Er habe insofern recht, als sich die Besitzer eines 49-Euro-Tickets keine Gedanken mehr über Tarifzonen machen und in fremden Städten nicht mehr die Logik der jeweiligen Fahrkartenautomaten entschlüsseln müssten, so Telepolis-Autor Wolfgang Pomrehn dazu.

Das 49-Euro-Ticket oder "Deutschlandticket" war fulminant gestartet. Innerhalb von nur drei Tagen verkaufte die Deutsche Bahn Anfang Mai rund 250.000 dieser Fahrausweise. Das sagte DB-Regionalverkehrschefin Evelyn Palla der Bild am Sonntag.

Die Bahnmanagerin ging zum Start davon aus, dass die Nachfrage in Zukunft hoch bleiben wird. "Wir rechnen damit, dass bundesweit rund sechs Millionen Menschen mit dem Deutschlandticket erstmals ein Abo für den Nahverkehr abschließen werden", so Palla.

Trotz des hohen Preises im Vergleich zum vorherigen Neun-Euro-Ticket konnte der 49 Euro teure Fahrausweis im ersten Monat seiner Gültigkeit bereits zehn Millionen Mal verkauft werden. Etwa die Hälfte der Verkäufe waren Umsteiger von bestehenden Abonnements wie etwa Job-Tickets.

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