Verschwörungstheoretiker fahren bei Rot über die Ampel
Eine Studie von britischen Psychologen versucht nachzuweisen, dass Anhänger von Verschwörungstheorien zu "antisozialem" und "kriminellem" Verhalten neigen.
Die Studie mit dem Titel "Glaube an Verschwörungstheorien und Bereitschaft zur Alltagskriminalität" erschien im Januar 2019 im renommierten "British Journal of Social Psychology". Eine der Autorinnen, Karen Douglas, Psychologieprofessorin an der University of Kent, fasst die Ergebnisse so zusammen:
Unsere Forschung hat zum ersten Mal gezeigt, welchen Einfluss Verschwörungstheorien auf die persönliche Haltung zur Alltagskriminalität haben können. Menschen, die der Auffassung sind, dass andere sich verschworen haben, könnten unethischen Handlungen gegenüber aufgeschlossener sein.
Karen Douglas
Was dabei mit Alltagskriminalität gemeint ist, beschreibt die Studie so:
Zur Alltagskriminalität zählen allgemein übliche Delikte, die von den meisten Menschen irgendwann in ihrem Leben einmal begangen werden, wie etwa das Überfahren einer roten Ampel, eine Barzahlung mit dem Ziel, Steuern zu hinterziehen, oder das Verschweigen von Mängeln beim Verkauf von Waren.
Aus der Studie
Von den Autoren werden solche Verhaltensweisen als "antisozial" und "low level crime" eingestuft. Als "Glaube an Verschwörungen" gilt dabei bereits die Annahme, dass "Regierungen Informationen vor der Öffentlichkeit geheim halten" - eine Mutmaßung, die wohl eher dem gesunden Menschenverstand entsprechen dürfte.
Grundlage der Studie ist eine Onlinebefragung von 250 Briten. Diesen wurden unter anderem 7 Verschwörungstheorien vorgelegt, von denen allerdings nur eine in der Untersuchung auch genannt wird ("Es gab eine offizielle Operation des britischen Geheimdienstes MI6, Prinzessin Diana zu ermorden, die von Teilen des Establishments gebilligt wurde"). Dass die Anhänger solcher Sichtweisen selbst zu kriminellem Verhalten neigten, wird von den Autoren so erklärt:
"Verschwörungstheorien könnten Menschen zu unethischem Verhalten ermuntern, als Möglichkeit, mit einer Welt zurechtzukommen, in der sich Verschwörungen ereignen."
Mit anderen Worten: Wenn im Großen betrogen wird, muss man sich im Kleinen auch nicht an die Regeln halten - eine Sichtweise, die sicherlich weit verbreitet ist. Die Autoren schreiben von einem "Gefühl des Mangels an sozialem Zusammenhalt und gemeinsamen Werten". Die tieferliegende Frage, welche der ganz großen Betrügereien ("Verschwörungstheorien") womöglich real und welche nur Fantasie sind, blendet die Studie aus. Nahegelegt wird, dass Verschwörungstheorien generell falsch und "schädlich" seien.
Beschäftigung mit Verschwörungstheorien erhöht "Desillusionierung"
Unfreiwillig komisch wirkt die Feststellung der Autoren, dass die Beschäftigung mit Verschwörungstheorien eine anschließende "Desillusionierung" der Probanden "erhöhe". Desillusionierung wird hier wiederum als etwas Unerwünschtes und Schädliches betrachtet - da sich damit ja die Bereitschaft zur Kriminalität vergrößere.
Auf der vorletzten Seite der Studie räumen die Autoren gleichwohl ein, dass die Kausalitäten auch ganz andere sein könnten: "Wir können nicht ausschließen, dass das kriminelle Verhalten der Teilnehmer Folge ihrer finanziellen Situation war und nicht ihres Glaubens an Verschwörungen." Von dieser Möglichkeit wurde freilich in der Pressemitteilung zur Studie nichts berichtet, auch nicht in den internationalen Medienberichten dazu, wie im Independent, bei Daily Beast oder in der New York Post.
Ebenfalls kein Thema in den Berichten ist der berufliche Hintergrund der Studienautoren. Zwei von ihnen, Karen Douglas von der University of Kent und Daniel Jolley von der Staffordshire University, sind Mitglieder von "COMPACT - Comparative Analysis of Conspiracy Theories", einem seit über drei Jahren bestehenden internationalen Forschungsnetzwerk, das von der EU finanziert wird und Verschwörungstheorien untersuchen soll, wiederum unter der impliziten Vorgabe, diese seien generell falsch und gefährlich.
Vizechef dieses offiziellen europäischen Forschungsverbundes ist Prof. Michael Butter von der Universität Tübingen, der seine Karriere zum großen Teil darauf aufgebaut hat, den Leitmedien und dem Wissenschaftsbetrieb als Stichwortgeber dafür zu dienen, wer oder was als unseriös und Verschwörungstheorie einzuordnen ist. Jüngst war dies etwa in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung gegen das neueste Buch von Dirk Müller zu beobachten. Auch die Systemkritik eines Rainer Mausfeld weist Butter zufolge "stark populistische und mitunter auch verschwörungstheoretische Züge" auf.
In diesen Rahmen passt nun auch die vorliegende Studie der britischen Psychologen - als Versuch, kritische Stimmen nicht nur als unseriös, sondern auch als gefährlich darzustellen. So heißt es im Fazit der Studie: "Verschwörungstheorien könnten Menschen dazu bringen, sich aktiv antisozial zu verhalten." Am Ende, soviel wird klar, geht es um Deutungshoheit: Kriminell sind nicht etwa etablierte Kreise an der Spitze der Gesellschaft, sondern vor allem diejenigen Zweifler, die den Etablierten Böses zutrauen.
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