Verstärkt sich rassistische Gewalt durch rassistische Äußerungen im Netz?

Wissenschaftler glauben, bei Twitter einen solchen Zusammenhang gefunden zu haben

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Ähnlich wie bei Computerspielen, die Gewaltausübung beinhalten, ist schon lange die Frage, ob Äußerungen, die online Hass und Gewalt gegenüber Menschen beinhalten oder dazu aufrufen, im realen Leben Gewaltanwendung bzw. die Bereitschaft dazu auslösen. Gerade hat Donald Trump mal wieder auf Twitter rassistische Äußerungen gegenüber nicht-weißen Politikerinnen geäußert (Trump in der nationalistischen, sexistischen und rassistischen Überbietungsspirale). Kausal lässt sich da wohl schwer etwas belegen, intuitiv gibt es aber einen Unterschied zwischen einem expliziten Spiel und Äußerungen, die in einem realen Kontext gegenüber realen Menschen gemacht werden.

In der Kunst, verstanden als ein von der Wirklichkeit abgegrenztes Geschehen, ist das Erleben oder interaktive Ausführen von Gewalt in der Regel distanziert, so dass hier nicht Nachahmung geschürt, sondern vielleicht Katharsis erfolgt, es wird also Erregung abgeführt, was Aggressivität im wirklichen Leben mindern, zumindest nicht verstärken könnte. Allerdings dürfte hier auch der Kontext eine wichtige Rolle spielen. Ein Ego-Shooter-Spiel, das im Rahmen der militärischen Ausbildung gespielt wird, um Gewaltanwendung im wirklichen Leben vorzubereiten und einzuüben, ist von demselben Spiel zu unterscheiden, das ohne Blick und Zwang auf Anwendung eben gespielt wird.

Geht es um Äußerungen, die anderen Menschen bedrohen oder diskriminieren, so ist eigentlich davon auszugehen, dass sie für Personen, die bestimmte Menschen ablehnen oder sie als Bedrohung empfinden, als Verstärkung und Rechtfertigung dienen können, wenn sie wissen, dass sie hier konform mit einer für sie wichtigen Gruppe sind. Und wenn Hass-Rede Gewalt verstärkt, müsste sie eigentlich zensiert/verboten und die Sprecher strafrechtlich verfolgt werden, was aber voraussetzt, dass definiert werden kann, wann eine Äußerung in welchen Kontexten Gewalt schüren könnte. Dabei gibt es natürlich auch das Problem, dass dies auch zur Stabilisierung eines autoritären Systems gegenüber einer Opposition beitragen kann, die auf das Recht auf Widerstand pocht.

Wissenschaftler von der New York University glauben jedenfalls herausgefunden zu haben, wie sie schreiben, dass die Verbreitung von Hass auf Twitter auch zu rassistischer Gewalt führen kann. Sie haben mit einem KI-Programm rassistische Äußerungen auf Twitter daraufhin abgeklopft, ob sie in Verbindungen mit rassistischer Gewalt in 100 amerikanischen Städten stehen. Es wurden 73 Millionen Tweets von 2011 bis 2016 analysiert, die von der FBI gesammelt worden. Für das Training der KI wurden die 11 Städte ausgewählt mit den meisten Hasspostings, nämlich mit 73 Millionen. Durchsucht wurden sie mit den von Hatebase.org ausgewiesenen Begriffen für rassistische Äußerungen. Das Ergebnis: In den Städten, in denen mehr rassistische Tweets gepostet werden, gibt es auch mehr Hasskriminalität, die mit ethnischer Herkunft verbunden sind.

Das betrifft allerdings nur Tweets, die direkt rassistische Ansichten vertreten. Davon unterschieden werden Tweets, die rassistische Äußerungen oder Handlungen eines anderen beschreiben oder kommentieren, oder solche, die über sich selbst als Opfer von Diskrimination berichten. Letztere zeugen von Selbstreflexion und haben zur Folge, dass dort, wo diese überwiegen weniger rassistische Gewalt vorkommt. Phoenix, Boston, Columbus, Los Angeles, New York, Seattle oder Kansas City stechen heraus.

Wenn die Zahl der diskriminierenden Tweets in einer Stadt mit der Zahl rassistischer Gewalt korreliert, ist die Frage, was das bedeutet. Verstärken rassistische Äußerungen performativ die wirkliche rassistische Gewalt oder wird einfach dort, wo es einen höheren Rassismus und eine höhere Bereitschaft zur Gewalt gibt, auch eher rassistischer Hass geäußert? Wahrscheinlich es hier müßig zu fragen, was Henne oder Ei ist, weil es Wechselwirkungen gibt, die sich aufgrund vieler Komponenten aufschaukeln. Mit dem Programm EMPATH wurde auch herausgefunden, dass in bestimmten Städten mehr diskriminierende Worte und Formulierungen verwendet werden.

Die Studie hat eigentlich nur herausgefunden, dass dort, wo Rassismus herrscht, sich auch mehr rassistische Gewalt ereignet - oder umgekehrt. Das ist ziemlich banal, zeigt aber, dass alleine mit statistischen Untersuchungen, in dem Fall auch mit KI-Unterstützung, keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden. Letztlich lässt sich daraus nur ableiten, dass dort, wo Rassismus online in hohem Ausmaß vorhanden ist, auch die Gewalt höher ist, aber nicht, dass eine Zensur von rassistischen Äußerungen die rassistische Gewalt reduzieren würde. Es könnte sich ja der Effekt einstellen, dass sich der Rassismus aufgrund der Zensur noch verstärkt. Allerdings wäre langfristig zu vermuten, dass eine geringere Online-Präsenz von Rassismus auch ein Absinken der Gewalt zur Folge haben könnte, weil Rassismus sich dann weniger als Volksmeinung legitimieren kann.

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