Verstrahlte im Rassenkrieg

Selbstdarstellung der "Atomwaffen Division". Bild: Screenshot aus einem Video von ProPublica/YouTube

Mordlust und Lächerlichkeit - zwei unabdingbare Zutaten für die Selbstdarstellung der terroristischen Rechten

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Im globalen Theater der Grausamkeiten gilt es, immer neue Spitzenwerte der Entmenschlichung zu erreichen. Einige junge Amerikaner liegen aktuell ziemlich weit vorne, und sie benutzen für ihre corporate identity einen deutschen Namen und Symbole aus der Nazizeit.

Ein Neo-Nazi, der die Eltern seiner Freundin erschießt, weil sie ihn ablehnen. Ein muslimischer Neo-Konvertit, der beschließt, zwei seiner Neo-Nazi-Mitbewohner zu ermorden, mit denen er vorher befreundet war. Ein homosexueller, jüdischer Student, der von einem ehemaligen Klassenkameraden, ebenfalls ein Neo-Nazi, erstochen wird.

Was haben diese schrecklichen Taten aus den Jahren 2017 und 2018 gemeinsam, außer den allgemeinen, massenmörderischen Überzeugungen ihrer Täter? Zumindest zwei Dinge: Alle Täter standen mit einer Gruppe namens "Atomwaffen Division" in Verbindung, die schon seit 2015 besteht, und die offenbar beschlossen hat, dass die Zeit für einen Rassenkrieg gekommen ist. Und zweitens sind die Mörder alle weiß, männlich und um die 20 Jahre alt.

Im Grunde hätte man es ahnen können. Die "Atomwaffen Division" hat nachhaltig und immer wieder angekündigt (unter anderem über ihren Youtube-Kanal), dass sie bereit ist, den Weg vom Lächerlichen zum Grausigen zu gehen, wie das ihre Helden früher schon getan haben: Adolf Hitler, Charles Manson und Anders Breivik zum Beispiel.

Offenbar war es die mannhafte und heroische Tat von James Alex Fields in Charlottesville, die hier als Initialzündung diente. Als er eine Antifaschistin bei einer Demonstration mit seinem Auto ermordete, gab das den Helden der "Atomwaffen Division" den letzten Schub.

Lehrreiche Chat-Protokolle

Das geht auch aus Chat-Protokollen von der ursprünglich für Gamer eingerichteten Plattform Discord hervor, auf die das US-Magazin ProPublica Zugriff bekommen hat. (ProPublica fand laut eigener Aussage auch zuerst heraus, dass Samuel Woodward, der wegen des Mordes an dem homosexuellen jüdischen Studenten Blaze Bernstein angeklagt ist, zu "Atomwaffen Division" gehört.)

Die Autoren von ProPublica haben recht, wenn sie diese Chatprotokolle als lehrreich bezeichnen. Die Volksgenossen nennen sich "Heinrich", "Komissar"(sic) oder "Wehrwolf"(sic). Ihr Anführer mag es allerdings lieber englisch; er hat sich "Rape" ("Vergewaltigung") als Deckname ausgesucht. Als John Cameron Denton (sein wirklicher Name) erfuhr, dass die Presse ihn enttarnt hatte, tobte er sich im Chat aus:

Denken die wirklich, sie können RAPE stoppen? DIE GLAUBEN, DIE KÖNNEN MICH AUFHALTEN. MEIN WIRKLICHER NAME WIRD MICH NICHT DAVON ABHALTEN, DIE GANZE BEVÖLKERUNG ZU VERGEWALTIGEN. (Klemmende Shift-Taste im Original)

John Cameron Denton

Das Auftreten der Nachwuchsarier wirkt so, als wollten sie wirklich um jeden Preis "Amerika sucht den Supernazi" gewinnen. Die Überdeterminierung nimmt dabei schon fast wieder komische Ausmaße an. Natürlich sind sie große Fans des Hakenkreuzes. Seinerzeit schrieb ich in meinem Buch "Instant Nirwana":1

In einer analphabetischen Kultur bringt nichts so sehr die Dinge auf den Punkt wie das Hakenkreuz. Keine langen Reden, kein großes Getue, einfach nur das Brandmal der geilen Gewalt. Wenn das Pack auch nichts sonst versteht - das Versprechen, das im Hakenkreuz liegt, versteht es immer: Unter diesem Zeichen wirst du deine Angst, deinen Haß, deine Dummheit gegen jeden austoben dürfen, der sich nicht wehren kann.

Das Versprechen wirkt um so glaubwürdiger, als es bereits einmal eingelöst worden ist, daher auch seine ungebrochene Popularität. Es wirkt, weil es für den Massenmord steht. In dieser Hinsicht ist das Hakenkreuz das ultimative Zeichen.

Instant Nirwana

In genau diesem Sinn verwenden es die Verstrahlten von "Atomwaffen Division". Aber das reicht nicht. Sie rufen in ihren Videos auch noch "Gas the kikes - race war now!" ("Vergast die Juden - Rassenkrieg jetzt!"), bevor sie in den Wald ballern.

Neben Hakenkreuz und SS-Totenkopf benutzen sie das Radioaktivitätskleeblatt als ihr zentrales Symbol; es taucht auf ihrer Fahne auf und ziert die Aufnäher, die sie an ihren Phantasie-Uniformen angebracht haben. Sie möchten damit zum Ausdruck bringen, dass sie gerne so mächtig und gefährlich wie Atomkraft und Atomwaffen wären.