Vier Monate Haft für Klima-Aktivistin
Richterin toppt Forderung der Staatsanwaltschaft. Verteidiger legt Rechtsmittel ein. Doch es gibt etwas, das der Verurteilten mehr Angst macht als das Gefängnis.
Die Verurteilung von Maja Winkelmann wegen einer Klebeaktion in der Galerie des Berliner Kulturforums und einer Verkehrsblockade schlägt hohe Wellen. "Erstes Knast-Urteil gegen Klima-Chaotin", titelt am heutigen Donnerstag die Boulevardzeitung BZ, die sich selbst als "Stimme Berlins" bezeichnet.
Die 24-Jährige hatte sich im August 2022 am Rahmen des Gemäldes "Ruhe auf der Flucht nach Ägypten" von Lucas Cranach dem Älteren (1472–1553) festgeklebt und wurde dafür am Mittwoch wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu vier Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
Der beschädigte Holzrahmen war nach Aussage ihres Verteidigers 1952 für 60 D-Mark erworben worden, für sich genommen kein Kunstwerk und nicht wertvoll. Gemessen an der Preis- und Gehaltsentwicklung wäre das heute ein Euro-Betrag im dreistelligen Bereich – verglichen mit dem Wert des Gemäldes, das durch die Aktion nicht beschädigt wurde, dürfte die Einordnung des Anwalts aber zutreffen.
Staatsanwältin wollte 90 Tagessätze
Bemerkenswert ist, dass die Richterin damit die Forderung der Staatsanwaltschaft deutlich übertraf, denn diese hatte für eine Geldstrafe von 900 Euro in 90 Tagessätzen zu je 10 Euro plädiert. Selbst, wenn die Angeklagte dafür eine Ersatzfreiheitsstrafe in voller Höhe abgesessen hätte, wäre sie "nur" auf drei Monate Haft gekommen. Die Höhe der Tagessätze richtet sich nach dem Einkommen, das bei Aktivistinnen der Klima-Initiative "Letzte Generation" in der Regel nicht hoch ist, weil sich deren Aktivitätslevel beim zivilen Ungehorsam kaum mit einem Vollzeitjob vereinbaren lässt.
Richterin Susanne Wortmann sagte zur Begründung des Urteils, eine Bewährungsstrafe komme nicht in Betracht, weil die Angeklagte uneinsichtig sei und gesagt habe, dass sie sich weiterhin an ähnlichen Aktionen beteiligen werde. Die "Letzte Generation" beruft sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das im Frühjahr 2021 effektivere Klimaschutzmaßnahmen angemahnt hatte.
Laufende Verfahren als Grund für schlechte Sozialprognose
Eine Sprecherin der Initiative kritisierte am Mittwochabend, dass die Richterin eine schlechte Sozialprognose auch mit weiteren laufenden Verfahren gegen Maja Winkelmann begründet hatte: "Besonders schockierte uns, dass die Richterin strafverschärfend Sachverhalte berücksichtigte, die sie nicht heranziehen darf, wie etwa weitere laufende Ermittlungsverfahren oder die aktuellen Proteste der Letzten Generation in Berlin."
Der Verteidiger der jungen Frau hatte einen Freispruch gefordert und legt gegen das Urteil Rechtsmittel ein. Die Aktivistin selbst erklärte am Mittwoch, die Verurteilung mache ihr "unheimlich Angst, aber sie macht mich auch unglaublich wütend". Mehr Angst mache ihr nämlich, "was passiert, wenn wir jetzt nicht handeln", betonte sie mit Blick auf die Klimakatastrophe. Sie werde "nicht dabei zusehen, wie wir die Gesellschaft in die Vernichtung führen".
Als schnell umsetzbare Klimaschutzmaßnahmen fordern die Aktiven unter anderem ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen, ein dauerhaftes Neun-Euro-Monatsticket für Busse, Tram und Bahnen sowie ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung.
Mit der Aktion in der Galerie des Kulturforums wollten Winkelmann und eine weitere Aktivistin die Aufmerksamkeit von Kunstinteressierten und Medien auf den drohenden Klimakollaps lenken. Für diese und ähnliche Aktionen musste die "Letzte Generation" viel Kritik einstecken. Allerdings gab es auch besonders empörte Reaktionen auf falscher Grundlage: Dass die Gemälde selbst nicht beschädigt wurden, war in der Berichterstattung nicht immer auf den ersten Blick erkennbar.