Vierter deutscher Rücktritt in der EZB
Der verschärfte Krisenmodus der Zentralbank dürfte auch die Kritik von Sabine Lautenschläger im Direktorium verschärft haben, die nun den Hut nimmt
Dass die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) gelinde gesagt umstritten ist, ist wahrlich kein Geheimnis. Das Abschiedsgeschenk von (noch) EZB-Chef Mario Draghi vor seinem Abgang Ende Oktober, mit dem er die Negativzinsen weiter erhöht und auch erneut das kontroverse Anleihekaufprogramm gegen eine starke Minderheit in der EZB gestartet hat (Die EZB verschärft den Krisenmodus wieder), hat einen erheblichen Anteil daran, dass die deutsche Kritikerin der extrem expansiven Geldpolitik im EZB-Direktorium nun am Donnerstag für viele überraschend das Handtuch geworfen hat.
Sabine Lautenschläger war eine erklärte Gegnerin der Draghi-Geldpolitik, der offensichtlich weiter versuchen will, mit der Notenpresse Probleme zu lösen. Statt die Geldschwemme zurückzufahren, wird der Krisenmodus von der EZB nun sogar wieder verschärft, wo doch angeblich gar keine Krise herrscht und nach ihrer Ansicht nicht einmal eine Rezession im Euroraum drohe.
Über die genauen Gründe für den Rücktritt aus dem sechsköpfigen Direktorium von Lautenschläger wird wild spekuliert. Mit der 55-jährigen verliert das EZB-Direktorium jedenfalls die einzige Frau und das einzige deutsche Mitglied. Wahrlich sind diese Rücktritte nicht neu in der Draghi-Ära. Zunächst trat Axel Weber ab, dessen Kritik an der Draghi-Politik ebenfalls bekannt war. Noch im gleichen Jahr trat auch Jürgen Stark angesichts der Geldpolitik ab und 2014 nahm auch Jörg Asmussen vorzeitig seinen Hut, allerdings war der Mann der SPD eher ein Verfechter der Draghi-Politik.
Dass Lautenschläger der Führungsstil von Draghi nicht behagt habe und die "Chemie" zwischen beiden "zuletzt" nicht gestimmt hat, was als Rücktrittsgründe angeführt wird, ist zwar richtig. Aber warum sollte die Frau gerade jetzt aus dem Direktorium abtreten, wo das Ende von Draghi vor der Tür steht? Das gilt ähnlich für die Tatsache, dass sie ihre Arbeit durch Draghi nicht wertgeschätzt wusste, wie es aus EZB-Kreisen heißt, auch da hätte der baldige Abgang eine Veränderung gebracht. Oder nicht?
Die Geringschätzung von Lautenschläger wird aus der äußerst kurzen Pressemitteilung der EZB zum Rücktritt sehr deutlich. Man erwähnt, dass sie Mitglied des Direktoriums und des Rates der EZB ist, nun aber vorzeitig ausscheiden will und ihren Job als stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB-Bankenaufsicht (SSM) bis zum Ende der Dienstzeit verrichtet hat.
Draghi bedankt sich bei Lautenschläger lediglich für ihr Mitwirken beim Aufbau der europäischen Bankenaufsicht und ihr standhaftes Engagement für Europa.
Der Rücktritt der erfahrenen Bankenaufseherin dürfte neben der Geldpolitik auch mit dem Problem bei Zombie-Banken zu tun haben. Lautenschläger, die Vizepräsidentin der Bankenaufsicht war, kennt die Probleme vor allem auch in Draghis italienischer Heimat, wo erst im Januar die Banca Carige unter Zwangsverwaltung gestellt werden musste.
Lautenschläger soll für einen härteren Kurs eingetreten sein und auf schnellere Wertberichtigungen gedrängt haben, die das aufgehübschte Eigenkapital der Banken hätten abschmelzen lassen, die viele notleidende Kredite in den Büchern haben.
Man kann durchaus in dem Rücktritt auch eine präventive Kritik daran sehen, dass ausgerechnet die verurteilte ehemalige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) nun die EZB übernehmen wird. Es ist vermutlich kein Zufall, dass Lautenschläger nun den Hut nimmt, nachdem das Europaparlament gerade Christine Lagarde abgenickt hat.
Die Deutsche geht wohl auch davon aus, dass die höchst umstrittene Personalie weder an der Geldpolitik etwas ändern wird noch eine Rückkehr zum Kollegialsystem vorhat, denn Draghi hatte die Notenbank in ein Präsidialsystem umgebaut.