Vijay Prashad: Soll Palästina in die Hölle geschickt werden?

Seite 2: Heiße Gewalt, kalte Gewalt

Jahrhundertelang lebten palästinensische Christen, Muslime und Juden Seite an Seite in den Gebieten, die später zu Israel und den OPT gehören sollten, darunter auch im Jordantal. Seit der Vertreibung der palästinensischen Christen und Muslime und der Ankunft der europäischen Juden arbeitete der Rechtsapparat – oder die "kalte Gewalt", wie der Schriftsteller Teju Cole es nennt – gemeinsam mit paramilitärischer und militärischer Gewalt gegen die Palästinenser, um die Fantasie eines ethno-nationalistischen Staatsprojekts (des "Jüdischen Staates", wie es damals genannt wurde) zu schaffen.

Die Eliminierung der nicht-jüdischen Palästinenser war der Schlüssel zu diesem Projekt, entweder durch Massaker (Deir Yassin 1948) oder durch die vollständige Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus ihrem Land (die Nakba 1948). Die Massaker und Bevölkerungstransfers gingen einher mit der Leugnung der Realität Palästinas und des palästinensischen Volkes.

Der Nachfolger von Ze'evi, der derzeitige Finanzminister Bezalel Smotrich, sagte im März dieses Jahres: "Es gibt keine Palästinenser, weil es kein palästinensisches Volk gibt." Dies ist keine Meinung, die als rechtsextreme Tirade abgetan werden kann.

Das Likud-Mitglied Ofir Akunis, Minister für Wissenschaft und Technologie, sagte vor drei Jahren: "Im Westen Israels gibt es keinen Platz für irgendeine Formel zur Gründung eines palästinensischen Staates." Die Formulierung "Westisrael" ist eine erschreckende Aussage über den israelischen Konsens zur vollständigen Annexion des Westjordanlandes unter Missachtung des Völkerrechts.

Der Fokus auf den Gazastreifen ist zentral. Die israelische "heiße Gewalt" ist extrem, die Zahl der Todesopfer unter den Palästinensern – fast die Hälfte davon sind Kinder in Gaza – liegt bei über 5.000. Die israelische Landinvasion wurde vorerst durch die Gegenkraft des palästinensischen Widerstands gestoppt.

Dieser wird jeden israelischen Soldaten bekämpfen, der in die Ruinen von Gaza eindringt. Vor dem israelischen Einmarsch fuhren 450 Lastwagen mit Versorgungsgütern für die 2,3 Millionen Einwohner in den Gazastreifen ein. Als am 21. Oktober neun Lastwagen der Vereinten Nationen und elf Lastwagen des ägyptischen Roten Halbmonds den Gazastreifen erreichten, wurde das als Sieg gewertet.

Amnesty International untersuchte nur fünf Bombardierungen der Israelis und fand Beweise für Kriegsverbrechen, die den Internationalen Strafgerichtshof alarmieren sollten, seine Akte über israelische Gräueltaten wieder zu öffnen. Das sollte auch das Verbrechen der kollektiven Bestrafung durch die Unterbrechung der Wasser- und Stromversorgung des Gazastreifens, die Bombardierung der Zufahrtsstraßen zum Rafah-Übergang nach Ägypten und die Bombardierung des Rafah-Übergangs selbst umfassen.

Großdemonstrationen in der ganzen Welt fordern einen Waffenstillstand (das Mindeste) und ein Ende der Besatzung. Israel ist daran nicht interessiert. Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant erklärte vor dem Parlament, dass seine Streitkräfte einen Drei-Punkte-Plan haben – die Hamas zu zerstören, die anderen palästinensischen Gruppierungen zu vernichten und ein neues "Sicherheitsregime" in Gaza zu schaffen.

Das palästinensische Volk – und nicht nur die bewaffneten Gruppierungen – leistet entschlossenen Widerstand gegen die israelische Besatzung. Die einzige Möglichkeit, wie Gallants neues "Sicherheitsregime" funktionieren könnte, wäre die Auslöschung dieses Widerstands, d. h. die Entfernung aller Palästinenser aus dem Gazastreifen entweder durch Massaker oder durch Enteignung.

Die Vereinigten Staaten schließen sich diesem Vernichtungsplan an: In einem Memorandum des US-Außenministeriums heißt es, dass die Diplomaten der USA keine Ausdrücke wie "Deeskalation", "Waffenstillstand", "Ende der Gewalt", "Ende des Blutvergießens" und "Wiederherstellung der Ruhe" verwenden dürfen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit Globetrotter. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.

Vijay Prashad ist Stipendiat und Chefkorrespondent bei Globetrotter. Er ist Herausgeber von LeftWord Books und Direktor von Tricontinental: Institute for Social Research. Er ist Senior Non-Resident Fellow am Chongyang Institute for Financial Studies der Renmin University of China. Er hat mehr als 20 Bücher geschrieben, darunter "The Darker Nations und The Poorer Nations". Seine jüngsten Bücher sind "Struggle Makes Us Human: Learning from Movements for Socialism" und (mit Noam Chomsky) "The Withdrawal: Iraq, Libya, Afghanistan, and the Fragility of U.S. Power".