Virus als Spiel, Spiel als Virus

Das neue Computerspiel "Pox" präsentiert einen ungewöhnlichen Gegner: den Killervirus

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Interaktiv funktioniert Pox selbst wie ein Krankheitserreger. Jugendliche Trendsetter werden in einer großen Vermarktungskampagne als "Virus-Erzeuger" eingesetzt

Nimmt man die brandneuen Spiele der größten Spielzeugschau in den USA als Hinweis, dann sind die Kids den Schlachten mit Pokemon-Monstern, Martial Arts-Kämpfern und Ausserirdischen entwachsen und im Zeitalter von Aids und BSE bereit für das Spiel gegen eine realistischere Bedrohung: ansteckende Krankheiten.

Obwohl der Krieg gegen Krankheitserreger manche Eltern beunruhigen wird, weisen Psychologen darauf hin, dass das spielerische Töten von Viren zumindest besser sei als das von Menschen. In "Pox" von Hasbro Inc., dem größten dieser Spiele, geht es um eine Reihe von unbekannten Killerviren, die nur durch noch stärkere Kombinationen von Krankheitserregern unschädlich gemacht werden können.

Die Spieler entwickeln den stärksten Pox, oder Virus, indem sie einen Bazillus im Kampf besiegen, und dann dessen Eigenschaften in einen neuen Organismus einfließen lassen, der den Kampf weiterführt. Die Viren bestehen aus drei austauschbaren Teilen mit unterschiedlichen Kräften, und verhalten sich variabel je nach gewählter Kombination. Das Design des 25 Dollar teuren Spiels, das für Jungen ab acht Jahren konzipiert ist, wurde darauf angelegt, so leise und heimtückisch wie die Übertragung von Krankheitserregern zu funktionieren. Auf "multi user" - Status geschaltet, sucht sich eine in der Hand gehaltene Pox-Einheit in einem Radius von zehn Metern automatisch andere Einheiten, und beginnt via Radiofrequenz gegen sie zu kämpfen. Dabei ist es egal, ob vom Auto, vom Rucksack oder vom Schreibtisch aus.

Später können die Spieler verpasste Schlachten nochmal auf einem eingebauten Schwarz-Weiß Monitor abspielen, um Gewinne, Verluste und Strategien zu checken. Und wie bei richtigen Infektionen, wissen die Spieler nicht unbedingt immer, wo die Ansteckung herrührt.

"Pox" ähnelt einem Computer-Virus, und ist damit eine neue Variante des alten Spiels von der angedeuteten Kriegsführung. "Es ist ein bisschen wie ein virtuelles Haustier, doch statt sie zu versorgen, bekämpft man sie", meint Melissa Comer Williams, eine Spielzeugindustrie-Analystin der Research Investment Bank in New York.

"Pox" wird von Hasbro Inc. durch eine für Computerspiele ungewöhnliche, millionenschwere Marketingkampagne gelauncht. Eine Webseite des Produkts mahnt doppeldeutig: "Be sure you catch it", unterstützt von der folgenden Beschreibung: "Sie kennen keine Grenzen...sie sind unzählbar viele und nicht zu stoppen...sie schlagen ohne Warnung zu...UND SIE UNTERSTEHEN DEINER KONTROLLE!"

Hasbro Inc. hofft den Reiz des Spiels durch sogenanntes virales (-virusartiges-) Marketing aufzubauen, wobei ein Trend wie eine Erkältung von Benutzer zu Benutzer übertragen wird. Ob diese Kampagne erfolgreich ist, wird von Experten bezweifelt. "In den 17 Jahren, die ich in der Spielzeugindustrie zubrachte, habe ich noch keine derartige Markteinführung erlebt," meint Jim Silver, Herausgeber des Branchenblatts Toy Book. "Letztendlich wird sich das Spiel durchsetzen, wenn es gut ist. Falls es nicht gut ist, wird es durchfallen. In dieser Industrie kann man den Konsumenten einen Monat lang für dumm verkaufen, aber nicht ein Jahr".

Im Mai startet Hasbro Inc. in Chicago eine Kampagne aus TV, Internet und Printwerbung und verschenkt Spielpakete. Außergewöhnlich ist daran, dass die Firma "Pox" an 1500 Kinder verschickt, die in ihren Schulen als Trendsetter gelten - mit Erlaubnis der Eltern wohlgemerkt. Neben temporären Tattoos, T-Shirts und anderen Artikeln, enthält das Paket zehn "Pox"-Spiele für die Freunde des Trendsetters. Damit ist die wichtigste Funktion von "Pox", das Gruppenspiel, sofort erhältlich. Zur gleichen Zeit wird Hasbro Inc. "Pox-Mobile" zu Kindertreffpunkten schicken, damit sie das Spiel ausprobieren können. Im August werden die "Pox"-Pakete dann in neun weitere US-Metropolen geschickt. Dann können Kinder aus anderen Landesteilen das Spiel auch online über www.p-o-x.com bestellen.

Einige der ungewöhnlichen Funktionen beim Spielen von "Pox" stammen laut John Chandler, Senior Vice President von Hasbro Inc., aus der Recherche über das Selbstbewusstsein von 10 bis 14jährigen Jungen und deren Abneigung, im Beisein Gleichaltriger zu verlieren. Wenn ein Spieler das Pox eines anderen überwältigt, dann sieht er nur das Pox, welches er gewonnen hat, nicht aber dessen Erschaffer oder Strategen.