Vom Küstenkind zum Chef-Diplomaten: Merz' Mann fürs Außenamt

Johann Wadephul (2. von links): Deutschlands nächster Außenminister?
(Bild: penofoto/Shutterstock.com)
Der Koalitionsvertrag steht, das Personalkarussell dreht sich. Baerbocks Nachfolger steht in den Startlöchern: Was ein neuer Minister Wadephul bedeuten würde.
Noch ist es nicht offiziell, aber die Gerüchteküche brodelt: Angeblich soll der CDU-Politiker Johann Wadephul die Nachfolge der scheidenden deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) antreten.
Annalena Baerbock fällt, nach Kontroversen und Kritik weich, sie wechselt wohl in das Amt der UN-Generalversammlungspräsidentin.
Zentrale Aufgaben für die künftige Besetzung im Neubau am Werderschen Markt in Berlin wird die Positionierung des deutschen Staates in den Niederungen eines sich abzeichnenden postamerikanischen Zeitalters sein.
Aktuell vor allem der noch immer schwelende Ukraine-Konflikt, das Verhältnis zu Russland wie zur kommenden Supermacht China, die Regionalkonflikte von Jemen bis Palästina und die Sicherung deutscher Wirtschaftsinteressen in einer zunehmend konfrontativen Politik.
Nordlicht, Soldat, Jurist, Berufspolitiker
Johann Walter David Rudolf Wadephul, wie er mit vollem bürgerlichem Namen heißt, ist ein echtes Küstenkind. Er erblickte 1963 in der nordfriesischen Küstenstadt Husum das Licht der Welt und trat mit 19 Lenzen nach dem Abitur in die Junge Union wie in die CDU ein.
Nach dem Abitur diente Wadephul vier Jahre als Zeitsoldat in der Bundeswehr und studierte Rechtswissenschaften in Kiel. 1996 promovierte er zum Dr. jur., zwischenzeitlich arbeitete Wadephul in einer Anwaltskanzlei in Neumünster.
Wadephul durchlief den klassischen parteipolitischen Karriereweg: vom Landesvorsitzenden der Jungen Union in seinem Heimatland Schleswig-Holstein über das Amt des Generalsekretärs des CDU-Landesverbandes bis zum Abgeordneten im Schleswig-Holsteinischen Landtag (2000 bis 2009).
In seiner zweiten Legislaturperiode leitete Wadephul als Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion die Geschicke der Christdemokraten an der Nordseeküste. Im Oktober 2009 folgte der Wechsel in den Deutschen Bundestag, im November 2010 die Berufung in den CDU-Parteivorstand.
Mittlerweile kann Wadephul auf zweieinhalb Jahrzehnte Berufspolitik zurückblicken, zuständig für den beschaulichen Wahlkreis Rendsburg-Eckernförde (als direkt gewählter Abgeordneter des 21. Deutschen Bundestages), widmete er sich zunehmend außenpolitischen Themen. Wadephul war stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion für den Bereich Außenpolitik, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Verteidigungsausschuss.
Wichtiger erscheinen dagegen seine vermeintlich kleineren Ämter: Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Nato, stellvertretendes Vorstandsmitglied der Deutsch-Französischen Versammlung oder auch Vorsitzender der Deutsch-Südkaukasischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag. Privat ist er verheiratet, lebt in Molfsee bei Kiel und hat drei Kinder.
Pistorius statt Wadephul?
Der ehemalige Zeitsoldat und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik wurde bereits als möglicher Verteidigungsminister gehandelt, nach NDR-Informationen bleibt dieses Amt aber bei der SPD und Boris Pistorius. Pistorius stach damit den noch 2023 im Rahmen einer Nato-Übung zum Oberstleutnant der Reserve beförderten leidenschaftlichen Soldaten aus.
Obwohl Wadephul eine wichtige Figur in der CDU-Außenpolitik war, hielt sich seine öffentliche Bekannt- und Beliebtheit in Grenzen. In Zeiten von Debatten um die Wiedereinführung der Wehrpflicht, Sonderkrediten für die Bundeswehr und dem anvisierten Umbau zur Kriegsführungsfähigkeit im Jahr 2029 braucht es, so die herrschenden Kreise, wohl mehr als einen guten Strategen im Hintergrund.
Wadephul ist ein Mann der zweiten Reihe, wenn auch ein langjähriger Freund des designierten Bundeskanzlers Friedrich Merz. Fotos zeigen beide schon 2001 zusammen.
Auch wenn Wadephul seit Jahren für höhere Ausgaben für die Bundeswehr kämpft, kommt er am derzeit laut Umfragen beliebtesten Politiker Deutschlands, Boris Pistorius (SPD), nicht vorbei.
Zudem müssen die Posten annähernd paritätisch zwischen CDU und SPD aufgeteilt werden. Für den Merz-Intimus bleibt somit das Außenministerium. Pistorius fällt die Aufgabe zu, seine Popularität bei heiklen Themen wie der Wehrpflicht oder dem "Gürtel-enger-schnallen" für die Bundeswehr zu nutzen.
Neuausrichtung" der Außenpolitik?
Derzeit beantwortet Johann Wadephul noch brav die provinziellen Fragen zum Verkehrsaufkommen in Rendsburg, dessen gewählter Abgeordneter er ist, doch schon bald dürfte er zu Höherem berufen sein und keine Zeit mehr haben. Denn er soll die deutsche Außenpolitik wieder auf Vordermann bringen, eine Abkehr von der vermeintlich feministischen Außenpolitik seiner Vorgängerin vorantreiben und den belehrenden Zeigefinger gegenüber anderen Staaten im Schrank verstauen.
Aber tut er das wirklich? Trotz der ständigen Betonung der transatlantischen Freundschaft legt Wadephul den Finger in die Wunde: In den USA zähle "fast nur noch der Präsident", deshalb sei es wichtig, dass Deutschland "dort auch eine Stimme entwickelt".
Mit Blick auf den sich anbahnenden Zollstreit mit den USA bekennt Wadephul vorsichtig Farbe: Man solle zwar verhandeln, aber auch sagen, dass man sich "wehren kann, wenn die Verhandlungen nicht gut laufen".
Das klingt eher nach einer oberflächlichen Abkehr von der bisherigen Außenpolitik, denn Deutschland wird mit dem Nato-Mann Wadephul weiter fest an der Seite der USA stehen, auch wenn die Risse größer werden.
An der Seite der Ukraine
Zentral ist sein Engagement für die Ukraine. So reiste Wadephul im Dezember 2024 gemeinsam mit Friedrich Merz nach Kiew. Er steht für die bedingungslose Unterstützung der Ukraine, eingebettet in eine deutsch-französisch-europäische Zusammenarbeit, die es allerdings kaum noch gibt.
Es gibt keine einheitliche EU-Marschrichtung, viele offene Fragen und Einzelinteressen beherrschen die Szenerie. Unter dem selbsterklärten Mantra des "Friedensprojektes" EU soll der "völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen die Ukraine" und der "Krieg gegen Israel" verhindert werden.
Dabei steht Wadephul nicht für die Friedensverhandlungen von Riad, sondern für ein gnadenloses "Weiter so" im Menschengemetzel zwischen Kiew und Moskau, wie der Deutschland-Funk berichtet.
Noch Anfang April lehnte Wadephul eine Lockerung der gegen Russland gerichteten Sanktionen kategorisch ab, eine Normalisierung der Beziehungen, auch der wirtschaftlichen, könne es mit Russland nicht geben. Anfang des Jahres forderte Wadephul mit Blick auf das ukrainische Verteidigungssystem drei Milliarden Euro Unterstützung.
Geld gegen Abschiebungen
Es ist bereits durchgesickert, dass die neue Regierung Merz plant, finanzielle Entwicklungshilfe an Abschiebeabkommen zu knüpfen. Im Koalitionsvertrag selbst heißt es:
Die Kooperationsbereitschaft der Partnerländer bei der Begrenzung irregulärer Migration nach Europa und bei der Rücknahme eigener Staatsangehöriger ist ein zentraler Faktor für den Umfang der bilateralen staatlichen Zusammenarbeit.
Das klingt nicht nach christlich-humanistischem Menschenbild, passt aber in den deutschen Zeitgeist der Debatten nach Magdeburg oder Aschaffenburg und in das politische Klima der Heilsversprechen in Vorwahlzeiten.
Wadephul, der in letzter Instanz für solche Verhandlungen zuständig wäre, würde sich zum Komplizen einer kritikwürdigen Abschiebepraxis machen und sich in die Merkel'sche Tradition der Türsteherabkommen mit Tunesien oder der Türkei einreihen.
Machtloser Minister?
Schon im Vorfeld droht Bedeutung zu schwinden. Denn nach ersten Berichten wollen die Koalitionäre eine alte Ampel-Idee Wirklichkeit werden lassen: die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates.
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Dieser soll sich mit Fragen der nationalen Sicherheit, mit Terrorismus und militärischen Konflikten befassen. Konkret geht es also um die Zuständigkeitsbereiche des Außenministeriums und des Verteidigungsministeriums.
Die Crux: Der Sicherheitsrat soll im Kanzleramt und damit direkt bei Friedrich Merz angesiedelt werden. Ein empfindlicher Bedeutungs- und Entscheidungsverlust für Baerbocks Nachfolge. Der neue im Amt, so scheint es, soll vor allem ein verlängerter Arm für einen außenpolitisch agileren Kanzler Merz werden.
Insgesamt steht CDU-Mann Wadephul für ein militär- und sicherheitspolitisches "Weiter so", für eine enge Einbettung in Bündnisstrukturen, für einen Ausgleich mit Frankreich Wadephul in Paris: deutsch-französische Beziehungspflege, gegen einen schnellen Frieden in der Ukraine, als Nato-Vertrauter und Transatlantiker skeptisch gegenüber einer Entspannung mit Russland wie China und für einen zu befürchtenden Deal-Raubbau beim Asylrecht.