Vom Werden und Vergehen des Neandertalers

Seite 2: Gemeinsame Vorfahren

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Die 430.000 Jahre alten Hominiden von Sima de los Huesos waren keine Denisovaner, wie sich nun bei der Untersuchung des Erbguts aus dem Zellkern der Fossilien zeigte. Die äußeren Merkmale der menschlichen Vorfahren aus der Knochengrube hatten nicht getäuscht - sie sind tatsächlich sehr viel enger mit den Neandertalern verwandt.

Dieses Resultat bedeutet, dass sich die Denisova- und Neandertalerpopulationen früher als bisher gedacht voneinander getrennt haben, nämlich vor deutlich mehr als 430.000 Jahren. Nach der Entdeckung der Denisova-Menschen war vermutet worden, sein letzter gemeinsamer Vorfahre, den er mit dem Neandertaler teilte, habe etwa vor 300.000 Jahren gelebt (vgl. Frühmenschlicher Sex-Reigen). Co-Autor Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie erklärt:

Diese Ergebnisse liefern uns einen wichtigen Fixpunkt auf der Zeitachse der menschlichen Evolution und decken sich mit anderen Hinweisen auf eine ziemlich frühe Teilung der evolutionären Linien von modernen und archaischen Menschen vor 550.000 bis 750.000 Jahren.

Die Resultate der Studie von 2013 waren dennoch nicht völlig falsch. Es besteht eine Verwandtschaft der mitochondrialen DNS mit der des Denisova-Menschen, die wahrscheinlich auf den letzten gemeinsamen Vorfahren zurück geht. Das Team um Matthias Meyer spekuliert, spätere Neandertaler aus dem Jung-Pleistozän hätten sich möglicherweise mit anderen Frühmenschen vermischt, die aus Afrika einwanderten.

Mühevolle und sorgfältige Ausgrabungen an der Fundstelle Sima de los Huesos durch Juan Luis Arsuaga (rechts) und sein Team. Foto: Javier Trueba, Madrid Scientific Films (Pressematerial Nature)

Möglich wurde die Analyse der Gene aus zwei Fossilien durch extrem vorsichtige Ausgrabungsmethoden beim Bergen der uralten Knochen. Matthias Meyer meint:

Sima de los Huesos ist derzeit die einzige Fundstätte außerhalb des Permafrosts in der wir DNA-Sequenzen aus dem Mittleren Pleistozän untersuchen können - einer Epoche, die vor etwa 125.000 Jahren endete. Dieser Erfolg ist uns nicht nur durch die Entwicklung hochempfindlicher Probenbearbeitungs- und Sequenzierungstechnologien gelungen, sondern wurde vor allem auch durch besonders sorgfältige Ausgrabungsarbeiten möglich.

Die Archäologen trugen spezielle Kleidung und Mundschutz, aufwendig wurden mit speziell gesäuberten Instrumenten die Funde freigelegt und sofort gesichert verpackt, um jede Verunreinigung möglichst zu vermeiden. Das Video Relationship of hominins from the Sima de los Huesos cave zeigt, wie vor Ort gearbeitet wurde.

Dieser Schneidezahn eins Sima-Hominiden wurde nach dem Freilegen mit einer Schutzschicht aus Ton umgeben und dann verpackt, um jede Verunreinigung mit moderner DNS zu vermeiden. Foto: Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology (Pressematerial Nature)

In den kommenden Jahren will die Forschergruppe weiteres Genmaterial aus Mitochondrien und Zellkernen von Fossilien aus dem Mittleren- und dem Jung-Pleistozän untersuchen, um die Ergebnisse mit einer breiteren Datenbasis zu untermauern. Was hoffentlich zu neuen Erkenntnissen führen wird - auch zur Unterscheidung und den Übergängen zwischen Homo heidelbergensis und Homo neanderthalensis, und ob diese Einteilung so überhaupt Bestand haben wird.