Vom Winde verweht oder Saatgutpiraterie?
Biotech-Konzern Monsanto wirft einem kanadischen Farmer Piraterie vor, der aber bereits seinerseits den Konzern des unkontrollierten Verbreitens von Gen-Samen beschuldigt
In Saskatoon, Kanada, hat gestern ein Prozess begonnen, dessen Ausgang auf jeden Fall spannend sein dürfte. Monsanto, einer der führenden Saatgutkonzerne für genetisch veränderte Pflanzen, wirft einem Farmer vor, patentierte Samen angepflanzt und deren Produkte geerntet und verkauft zu haben, während dieser auf die Gefahr hinweist, dass Samen von genveränderten Pflanzen sich unkontrolliert verbreiten können.
1998 wurde von Privatdetektiven auf Feldern des kanadischen Farmers Percy Schmeiser eine Rapsart gefunden, die von Monsanto hergestellt wird und gegen das Herbizid Roundup resistent ist. Der Farmer bestreitet, dass er unter Verletzung des Patentrechts Samen der genveränderten Rapsart angepflanzt habe, und behauptet, dass diese ohne sein Zutun durch den Wind oder von Lastwagen, die mit Samen beladen waren, auf seine Felder gelangt seien. Schließlich würden sich auch die Samen von genverändertem Raps wie die von normalem auf natürliche Weise verbreiten. Die Rechtsanwälte des Beschuldigten werfen Monsanto vor, dass sich die Samen unkontrolliert über das Land verbreiten. Monsanto habe ein Patent "mit dem illegalen Zweck" erhalten, eine "schädliche Pflanze durch natürliche Mittel auf die Ländereien von unschuldigen Parteien zu verbreiten."
Schmeiser will allerdings den Spieß umdrehen und seinerseits Monsanto anklagen, seine Felder mit den Samen kontaminiert zu haben. Überdies beschuldigt er den Konzern, dass Privatdetektive ungenehmigt in sein Grundstück eingedrungen seien. "Ich habe diese Pflanzen niemals auf meinem Land angebaut" sagt Schmeiser. "Die Frage ist, wo die Rechte von Monsanto enden und meine beginnen." Da die Pflanzen widerrechtlich von seinem Grundstück entwendet worden seien, könnten sie vor Gericht auch nicht als Beweismittel herangezogen werden.
Monsanto behauptet allerdings, das es sich in diesem Fall nicht um ein paar Samen handeln würde, die zufällig auf ein Feld geraten waren, sondern dass 90 Prozent der Pflanzen auf 300 Hektar Monsanto-Pflanzen gewesen sind. Dafür könne man die Natur nicht verantwortlich machen. Monsanto hat nicht nur 1999 in Kanada 16 weitere Farmer wegen Saatgutpiraterie angeklagt, sondern auch eine Hotline eingerichtet, so dass Farmer ihre Nachbarn verpfeifen können, und ein Detektivbüro beauftragt, um nach Saatgutpiraten zu suchen. Sollte Schmeiser den Prozess verlieren, könnte dies für ihn teuer werden. Monsanto hat eine Schadensersatzforderung in Höhe von 100000 Dollar geltend gemacht.
Das Unternehmen verkauft zwar die Samen, behält aber, ähnlich wie bei Software, die Rechte an der veränderten DNA. Eine Wiederaussaat auch des selbst geernteten Samens wird untersagt. Für eine neue Aussaat müssen neue Samen gekauft werden. Umstritten sind vor allem die Verträge, die diejenigen, die Samen von Monsanto kaufen, unterzeichnen müssen. Im "technology use agreement" verpflichten sie sich, das Herbizid Roundup zu kaufen und keine aus der Ernte stammenden Samen aufzubewahren oder wieder zur Aussaat zu verwenden. Natürlich dürfen keine Samen weiter gegeben oder verschenkt werden, vor allem aber lässt sich der Konzern das Recht einräumen, auch noch drei Jahre nach der Aussaat von Monsanto-Samen die Felder der Kunden jeder Zeit kontrollieren und Stichproben entnehmen zu können.
Letztes Jahr haben Monsanto und AstraZenec aufgrund großen öffentlichen Drucks die weitere Forschung an der sogenannten Terminator-Technologie vorerst eingestellt - oder behaupten dies zumindest öffentlich. Damit werden die Samen der reifen Pflanzen gentechnisch steril gemacht, um die erneute Aussaat zu verhindern. Bislang stand es den Landwirten offen, Samen aus ihrer Ernte aufzubewahren und sie erneut anzusäen. Kritiker betonen, dass dies gerade für Bauern aus Entwicklungsländern lebensnotwendig ist, da sie nicht das Geld für den Kauf immer neuer Samen haben würden. Überdies würden die Konzerne die Landwirte dadurch noch mehr als bislang von sich abhängig machen. Ähnlich wie in der Digitaltechnik geht es auch in der Biotechnologie darum, das "geistige Eigentum" technisch zu schützen, wofür die Terminator-Technologie steht.
Auch wenn Monsanto möglicherweise tatsächlich vorerst auf die Anwendung dieses biologischen Kopierschutzes verzichten will und dafür wie im Fall Schmeiser vor das Gericht zieht, so ist die Technik damit natürlich nicht aus der Welt. Neben einigen anderen Konzernen wie Delta & Pine Land, die weiter an dieser Technik forschen, hält etwa das amerikanische Landwirtschaftsministerium mehrere Patente auf die Terminator-Technologie. Eine etwas raffiniertere Variante des Kopierschutzes ist die sogenannte "Traitor technology" oder die "Genetic use restriction technology" (GURTs). Hier werden die Pflanzen gentechnisch so hergestellt, dass sie zwar wiederverwendbare Samen hervorbringen, die gentechnisch erzeugten neuen Eigenschaften aber nur dann entwickeln, wenn sie mit bestimmten Chemikalien gedüngt werden, die natürlich auch der Saatguthersteller verkauft (Ein Bericht warnt vor den Auswirkungen gentechnisch veränderten Saatguts und der Terminatortechnik in den Entwicklungsländern.
Neben den Fragen des Patentschutzes steht zur Diskussion, inwieweit Saatgutkonzerne für die Verbreitung von Samen verantwortlich gemacht werden können. Erst vor zwei Wochen wurde bekannt, dass eine kanadische Firma genveränderte Rapssamen untermischt in normales Saatgut in einige europäische Länder, darunter auch Deutschland, importiert hatte.