Vom privaten Raumflug zum technologischen "Heiligen Gral"

Nach der Verleihung des Preises an die Entwickler von SpaceShipOne wollen die Mitglieder der X Prize-Stiftung schnell mit einem weiteren Preis an den Erfolg anschließen: Teleportation oder kalte Fusion könnten die nächsten Ziele sein

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Es hätte nicht viel gefehlt und der 1996 ausgelobte Ansari X-Prize, der der privatwirtschaftlich betriebenen Weltraumfahrt einen Schub geben sollte, wäre ohne Preisträger wieder verschwunden. Das Preisgeld in Höhe von 10 Millionen US-Dollar stand aufgrund eines Vertrags mit einer Versicherung nur bis Ende des Jahres zur Verfügung. Symbolisch wäre dies sicherlich kein gutes Zeichen gewesen, aber nun hat Burt Rutans Firma Scaled mit SpaceShipOne am 4. Oktober den Preis geholt - und damit vielleicht die Tür zur kommerziellen Weltraumfahrt eröffnet.

Noch wird es eine Weile dauern, bis die ersten zahlenden Kunden mit SpaceShipOne wenigstens einmal kurz den Weltraum besuchen und die Schwerelosigkeit erleben können. Richard Branson hat bereits angekündigt, dass er mit dem SpaceShipOne ab 2007 mit seiner Firma Virgin Galactic Flüge in den Weltraum anbieten werde - für etwa 200.000 US-Dollar. Dafür hat Branson fünf Passagierraumschiffe auf der Basis von SpaceShip One bestellt. Auch Space Adventure, eine Firma, bei der man bereits Reservierungen für Flüge in den Weltraum reservieren kann und die auch daran beteiligt war, mit Dennis Tito den ersten "Touristen" zur Internationalen Weltraumstation zu bringen, ist auch in Gesprächen mit Branson und anderen Unternehmen, um ab 2007 Flüge in die Schwerelosigkeit anzubieten. Erst einmal kann man bei Space Adventures Weltraumtraining und die Erfahrung von Schwerelosigkeit, wenn auch auf der Erde, kaufen.

Ganz realistisch spekuliert die Firma zunächst auf die ersten Kunden, die gewissermaßen als Pioniere in die Geschichte eingehen wollen und dafür auch bereits sind, viel Geld zu zahlen. Muss man für einen Besuch auf der ISS noch 20 Millionen US-Dollar zahlen. Einen zweiwöchigen Kurs zur Vorbereitung gibt es ab 200.000 US-Dollar, der die Betreuung durch einen Astronauten, "Edge of Space"-Flüge mit MIGs, eine Start- und Landesimulation in der Zentrifuge und einen Flug mit der Erfahrung der Schwerelosigkeit einschließt. Vieles lässt sich auch einzeln buchen. Optimistisch bietet man einen Flug in die Schwerelosigkeit auf 100 km Höhe für nur 102.000 US-Dollar an.

Von jetzt an, so hoffen wir, werden private Unternehmer beim Weltraumflug die Hauptrolle spielen. Das All ist nicht länger reserviert für ein paar Regierungsangestellte oder einen Milliardär, der sich ein vierundzwanzig Millionen Dollar teures Ticket leisten kann. Ein Raumflug ist nun eine Sache für jedermann.

Peter Diamandis, Präsident der X Prize Stiftung in einem Interview

Und der Weltraum, zumindest aber die Reise an den Beginn des Weltraums, scheint tatsächlich einige zu locken, auch wenn eine solche Reise "für jedermann" noch in weiter Ferne liegt. Angeblich haben bereits 125 Interessenten mehr als 100.000 US-Dollar für zukünftige Tickets gezahlt, um zu den Ersten zu gehören. Sie sind tatsächlich die Pioniere, die die Entwicklung von privatwirtschaftlich finanzierter Weltraumtechnologie interessant machen. Und der Ansari X-Prize dürfte sicher auch eine Rolle gespielt haben, Aufmerksamkeit auf die Weltraumfahrt zu lenken, so dass Unternehmer, Entwickler und zahlungskräftige Interessenten zusammen kommen, um die teure, staatlich finanzierte Weltraumfahrttechnik billiger und damit für viele Menschen verfügbar zu machen.

Vorbild für den Ansari X-Prize war der mit 25.000 US-Dollar dotierte Orteig-Preis, den Charles Lindbergh 1927 für seinen transatalantischen Flug mit der The Spirit of St. Louis einheimste und damit zeigte, dass ein kleines Team mit privaten Geldern staatliche Programme überbieten kann. Und weil nun alles erst einmal erfolgreich gelaufen ist, soll nun der Ansari X Prize wiederum als Vorbild für weitere Preise dienen, um den technischen Fortschritt zu fördern und zu beschleunigen. Zusammen mit dem World Technology Network (WTN), einer Organisation von Technikern, Wissenschaftlern und Unternehmern, die mit Konferenzen und Preisen technische Entwicklungen fördern will, planen die Mitglieder der X Prize-Stiftung, den Schwung ausnutzend, einen neuen Preis, den WTN X Prize, zu kreiieren.

Der neue Preis soll aber nicht nur eine technische Entwicklung anstoßen, sondern für eine ganze Reihe von Entwicklungen ausgelobt werden, die als die wichtigsten Probleme oder Chancen dieses Jahrhunderts betrachtet werden. Man müsse dabei nicht nur darauf achten, die richtigen Technologien auch im Hinblick auf potenzielle Geldgeber auszuwählen, sie sollen auch Themen ansprechen, die die Menschen faszinieren, und Entwicklungen anstoßen, die großen Einfluss haben werden, aber auch in einer überschaubaren Zeit zu realisieren sind. Gedacht wird etwa an Heilmethoden für Krankheiten wie Krebs oder aber an die Lösung von Problemen, die als technologischer "Heiliger Gral" bezeichet werden: Künstliche Intelligenz, Teleportation, Nanotechnologie, kalte Fusion oder ein überzeugendes Virtual-Reality-System. Auch die Lösung globaler Probleme, wie sie beispielsweise in Form der UN Millennium Development Goals (MDGs) im Jahr 2000 verkündet wurden, z.B. Hunger und Armut reduzieren oder beenden, die Gleichheit der Geschlechter vorantreiben, die Lebensgrundlagen zu schützen oder jedem Mensch eine Grundausbildung in der Schule zu gewähren. Das freilich sind Aufgaben ganz anderer Art als die Entwicklung eines wieverwendbaren Fahrzeugs für den Weltraumtourismus oder -transport.

Erst einmal hat man nur große Ideen, alles scheint möglich zu sein nach dem ersten Erfolg, der ausgebeutet werden soll. Um geeignete Ziele (und Geldgeber) für den neuen Preis zu finden, fordern die Initiatoren alle zur Einsendung von Vorschlägen auf, schließlich würden alle Menschen von einer besseren Welt träumen:

Wir fragen Sie, weil Ihre Träume die Quelle einer großen Menge an Kreativität und Hoffnung sind. Im Geist des ersten Schritts der Menschheit in den Weltraum bitten wir Sie, Ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen, um dabei zu helfen, die Menschheit auf die nächste Ebene zu heben. Sind Sie bereit für die Herausforderung?

Heute wird im Rahmen des 2004 World Technology Summit des WTN das Konzept des neuen Preises vorgestellt. Zu vermuten ist allerdings, dass sich mit dem eilig entworfenen Konzept und den vagen Zielen der Erfolg des Ansai X Prize nicht wiederholen lassen wird. Der hatte ein zwar kniffliges, aber durchaus lösbares Problem zum Ziel gehabt, das mit Wunschbildern verbunden ist. Das Raumfahrzeug sollte aber im Grunde nur billiger sein, um damit mehr Menschen die Fahrt an den Rand des Weltraums zu ermöglichen. Bei Teleportation oder kalter Fusion ginge es aber wie bei den anderen Themen auch um Grundlagenforschung, während die Lösung globaler gesellschaftlicher Fragen mit einem Preis wohl nicht erreichbar ist.