Von Frankreich zu Russland: Afrikas politische Neuausrichtung

Monument der Afrikanischen Renaissance in Dakar

Monument der Afrikanischen Renaissance in Dakar, Senegal. Bild: Barke11 / CC BY-SA 4.0 Deed

Während einige afrikanische Länder sich in autoritäre Regime verwandeln, gibt es in anderen Hoffnung auf demokratische Veränderungen.

Der Tschad hatte keine Wahl. Jedenfalls keine freie Wahl. Am vergangenen Donnerstagabend wurden die offiziellen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom Montag bekannt gegeben.

Herrschaftsstrukturen im Tschad

Demnach hat in dem Land, das seit Dezember 1990 durch dieselbe Familie regiert wird – erst über dreißig Jahre lang durch den im April 2021 zu Tode gekommenen Vater, jetzt durch den Sohn (vielleicht eines Tages dann durch den Heiligen Geist) –, der seit April 2021 amtierende "Übergangspräsident" und Macht-Erbe die Wahl gewonnen.

Die offiziellen Zahlen sprechen von 61 Prozent der abgegebenen Stimmen für Mahamat Idriss Déby, Sohn des im April 2021 getöteten Langzeit-Autokraten Idriss Déby Itno.

Oppositionelle sprechen von schwerem Wahlbetrug. So weit Routine in dem autokratisch regierten Land in Zentralafrika.

Frankreich und seine ehemaligen Kolonien: Die Rolle des Neokolonialismus

Um die Demokratie scheint es in der Mehrzahl derjenigen Länder Afrikas, die Französisch als Amtssprache führen und ehemals durch Frankreich kolonisiert waren, schlecht bestellt.

Und dies gilt sowohl für die Staaten, die sich in jüngster Zeit – primär in den Jahren 2021 bis 2023 – von Paris ab- und Moskau zuzuwenden begannen, als auch für jene, deren Regierungen weiterhin mit dem französischen Neokolonialismus relativ gut können.

In die erste Gruppe zählen die drei, infolge sukzessiver Putsche durch Militärregierungen geführten Sahel-Länder Mali, Burkina Faso und Niger. Alle drei traten im Januar dieses Jahres am selben Tag aus der – ökonomisch und politisch eng an Frankreich angelehnten – Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, englisch ECOWAS oder französische CEDEAO abgekürzt, aus.

Schönfärberei des Erdbebens seitens der Linken

Das ist von der Wirkung her mit einem Vorgang zu vergleichen, bei dem etwa Frankreich, Italien, Spanien und Portugal gemeinsam auf einen Schlag aus der Europäischen Union austreten würden.

Insbesondere im russlandfreundlichen Teil der Linken – welcher Moskau zugutehält, eine globale Gegenmacht zu den USA zu bilden, und sich deswegen gerne auch mal mit Kritik zurückhält –, im traditionellen DKP-Spektrum und darüber hinaus wird die Entscheidung in Bamako, in Ouagadougou und Niamey, den traditionellen außenpolitischen Bündnispartner zu wechseln, begrüßt.

Wobei dies gerne mit einer Emanzipation der Massen in diesen Ländern verwechselt wird.

Autoritäre Tendenzen in Mali und Burkina Faso

Allerdings haben selbige Massen dort derzeit wenig zu melden. Der Trend geht weitaus eher ins Autoritäre.

In Mali hat die amtierende Militärregierung vor Kurzem die Aktivität sämtlicher politischen Parteien, es gab ihrer um die 300, aber auch von "politisch" tätigen Nichtregierungsorganisationen und Vereinen verboten.

Im Nachbarland Burkina Faso wächst die Repression, zuletzt auch gegen den vormals relativ mächtigen Gewerkschaftsbund CGTB.

Frankreichfreundliche Staaten

In die zweite Gruppe, die der nach wie vor frankreichfreundlich gesonnen Staaten, zählt insbesondere die Côte d’Ivoire, die Elfenbeinküste.

Dort ließ sich der amtierende Staatspräsident Alassane Ouattara – er kam im April 2011, nach einem mehrjährigen Bürgerkrieg mit seinem Amtsvorgänger Laurent Gbagbo, unter direkter Mitwirkung der französischen Armee an die Macht – im Jahr 2020, dank einer Neuinterpretation des dortigen Grundgesetzes, eine verfassungswidrige dritte Amtszeit spendieren. Proteste wurden niedergeschlagen.

Geopolitisches Taktieren des Tschad zwischen Paris und Moskau

Eine Zwischenposition nimmt insofern der Tschad, wo soeben die oben zitierte Wahl stattfand, ein. Das Land übt sich außenpolitisch ein Stück weit in der Annäherung an die Russische Föderation und rückt dafür von den USA ab.

Dies dürfte allerdings kaum implizieren, dass die Staatsführung auch den französischen Einfluss beendet: Frankreich hat nicht nur Truppen dort seit 1986 fest stationiert, sondern rettete die Machthaber in N’Djamena unmittelbar durch militärisches Eingreifen vor dem Ansturm von Rebellen, wie im Februar 2008 und im Februar 2019.

Offenkundig ist die Staatsführung in N’Djamena jedoch darum bemüht, mehrere Eisen im Feuer zu halten, in Paris und in Moskau zugleich, und dadurch die eigenen Spielräume auch gegenüber ihren auswärtigen Stützen zu erweitern.

Nur, mit Demokratisierung oder Emanzipation hat weder das bündnispolitische Schielen in die eine noch in die andere Richtung etwas zu tun. Herzlich wenig sogar. Die Autokratie im Tschad klammert sich vielmehr eisern an ihre Macht fest.

Angriffe auf Oppositionelle und Gewalt gegen politische Gegner

In der Nacht vom 28. zum 29. Februar, wenige Stunden nach der Verkündung des Wahldatums – vom Montag dieser Woche -, wurde dort der Oppositionspolitiker Yaya Dillo bei einem Angriff von starken Sicherheits- und Militärkräften auf seinen Wohnsitz getötet.

Dillo, er war ein Neffe des früheren und Cousin des jetzigen Präsidenten aus dem Déby-Clan, hatte eine Partei unter dem klangvollen Namen "Sozialistische Partei ohne Grenzen" (Parti socialiste sans frontières) gegründet.

Er hatte das Regime seit einigen Jahren gestört, zumal er aufgrund seiner Verwandtschaftsverhältnisse zur herrschenden Familie auch in deren ethnische Gruppe, die der Zaghawa, hinein um Einfluss werben konnte.

"Friendly fire" aus der Waffe eines Cousins

Bereits die Ankündigung seiner Kandidatur zur bislang letzten Präsidentschaftswahl vom April 2021 – die Idriss Déby laut offiziellen Zahlen haushoch gewann, deren Ergebnisverkündung er allerdings nicht mehr erlebte – hatte seinen Onkel auf die Palme gebracht.

Bei einem schon damals durchgeführten Angriff von Sicherheitskräften auf sein Familienhaus waren damals, am 28. Februar 2021, seine Mutter und einer seiner Söhne getötet worden. Genau drei Jahre später traf es nun also auch ihn.

Hartnäckig hielt und hält sich übrigens deswegen das Gerücht, demzufolge nicht – wie offiziell behauptet – die Rebellengruppe FACT den Altpräsidenten Idriss Déby Itno tötet, sondern "friendly fire" aus der Waffe eines Cousins, der ihm als Adjutant diente, sich aber am Tod von Familienmitgliedern im Hause Yaya Dillos störte.

Dieses Mal wurde, am 1. März, gleich auch der Parteisitz der von Dillo gegründeten Formation demoliert und mit Baggern abgetragen. Wohl, um wirklich auf Nummer sicher zu gehen.