Von der Oase zur Wüste
Wann ein Ökosystem bei Wassermangel umkippt, ist bislang nicht voraussehbar
In einem Rückblick (Self-organized patchiness and catastrophic shifts in ecosystems) erläutern Max Rietkerk und seine Mitarbeiter in Science eine Entwicklung, die noch viele Probleme mit sich bringen wird.
Pflanzen wachsen, wenn sie ausreichend Wasser erhalten. Obwohl gut wachsende Blätter die Verdunstung vermindern, brauchen Pflanzen aber regelmäßig Flüssigkeitsnachschub. Dabei wird der Kreislauf durch den Regen aufrecht erhalten. Setzt man das Wechselspiel zwischen Pflanzen und Wasser in eine Modellbetrachtung um, erscheint das Wachstum als "positives Feedback", indem das Ausmaß der Entwicklung von Pflanzen von der Wasserversorgung bestimmt wird.
In Dürregebieten wie der Negev-Wüste wird die Wasserversorgung auf verschiedene Weise sichergestellt. Da ist zunächst die Verdampfung, die sich im Umkreis bis etwa 10 cm auswirkt, und dann der Regen für die allgemeine Bewässerung. Dennoch bedeutet "Wasser" nicht alles. Wenn der Regen nämlich nur wenige Schauer bringt oder über das Jahr hinweg unter einen Schwellenwert absinkt, bricht das System zusammen, weil die Mindestanforderung der Bewässerung nicht mehr erfüllt ist.
Pflanzen brauchen Wasser auch in Dürregebieten und Savannen
Aus der Sicht des Forschers entsteht daraus ein bistabiler Zustand. Der eine Pol ergibt sich infolge des positiven Feedbacks, der zweite entsteht bei Wassermangel, wenn der Schwellenwert unterschritten wird. Die Negev-Wüste und alle Dürregebiete sind typische Beispiele für diesen Zustand. Die Oberfläche erscheint fleckenhaft oder in Form von Labyrinthen gekennzeichnet – die Bodenstruktur lässt auf das Ausmaß der Wassernot schließen.
Die Savannen zeichnen sich durch eine andere Art des bistabilen Zustands aus. Hier interpretieren Lejeune und Mitarbeiter ein Modell der Interaktion und Verteilung. So erlauben Büsche und Bäume, dass die lokal angebotenen Nährstoffe festgehalten und dass ferner zusätzliche Stoffe durch die Wurzeln heran gebracht werden. Außerdem verhindern die Wurzeln die Bodenerosion und damit den weiteren Verlust des Nährbodens. Auf diese Weise entstehen nicht selten "Inseln der Fruchtbarkeit". Dennoch ist auch dieser Zustand "bistabil", weil der selbstorganisierte Savannen-Stil im Falle einer Dürre in die Zone ohne Sträucher und Bäume übergeht.
Unbekannte Schritte in die Katastrophe
Ob in den Dürregebieten, den Savannen oder in Torflandschaften: Der Übergang in die Unfruchtbarkeit ist keineswegs vorhersehbar. Nach Ansicht von Scheffer und Mitarbeitern sind viele Zustände am Rande des "katastrophalen Übergangs" angesiedelt. "Wir nehmen gewöhnlich an, dass alles normal ist, wenn sich die Natur nicht zu rasch ändert. Außerdem bleibt uns "der Schritt zurück", falls eine sichtbare Gefahr abzuwenden ist", erklärte Scheffer und ergänzte: "Wir werden kaum einen Effekt sehen bis zum entscheidenden Punkt. Dann wird der Weg zurück zu einer gewaltigen Anstrengung".
Der Grund für diesen Vorgang sind nichtlineare Prozesse. Sie erfassen das Ökosystem, ohne den Menschen vorzuwarnen und bringen das System überraschend zum Umschlagen. Beispielsweise entsteht in Niger die Bodenbewässerung durch die Bildung von "Reservoirs": der Regen wirkt zunächst durch das Einsickern und später, indem er von der Seite her die Pflanzen bewässert. Ähnliche Beobachtungen sind in australischen Busch gemacht worden. Damit wird die räumliche Beschaffenheit zu einer weiteren Größe, die in der Simulation erst mühsam erarbeitet werden musste.
Menschen, die in diesen Gebieten leben, bringen eine weitere Komponente ein: Anbau und Ernte. Auf den ersten Blick entspricht die Ernte einem durchaus positiven Effekt. Bei genauer Betrachtung handelt es sich aber um eine kurzzeitige Wirkung, die keine rechte Aussage zum Langzeiteffekt erlaubt. Tatsache ist, dass bei einer andauernden Bewirtschaftung unbewusst die Versorgungsstruktur beeinflusst wird. Das kann die über lange Sicht ständige Ausnutzung des Bodens sein, beispielsweise, wenn dadurch die Wasserversorgung nicht mehr ausreicht. Oder auf lange Sicht eine Ernte, die schließlich den Boden überfordert. Inwieweit dadurch die Bodenverhältnisse beeinflusst werden, entzieht sich der Beurteilung. Somit gibt es noch keine allgemeine Lösung, das Problem detailliert und rechtzeitig abzuschätzen.
Ferner erscheint die Argumentation der amerikanischen Behörden gegenwärtig sehr großspurig. Denn es ist völlig unklar, ob die gentechnologisch entwickelten Getreidearten den afrikanischen Boden belasten und dadurch den katastrophalen Schritt auslösen.