Von der Straße in den US-Kongress
Im US-Abgeordnetenhaus werden mehr Vertreter außerparlamentarischer Bewegungen präsent sein. Und die rechte Sekte QAnon
Während die Entscheidung über das Präsidentenamt in den USA nach wie vor offen ist, weisen die ersten Ergebnisse der Kongresswahlen auf eine weitere Polarisierung des politischen Systems der USA hin. Dabei spielen außerparlamentarische Bewegungen eine zunehmende Rolle. So wurden am Dienstag vier weibliche, farbige Politikerinnen des linken Flügels der Demokraten in das Abgeordnetenhaus wiedergewählt, die als The Squad bekannt sind.
Zu der Gruppe der Parlamentarierinnen gehören die ersten beiden muslimischen Frauen, die in den US-Kongress gewählt wurden: Ilhan Omar aus Minnesota und Rashida Tlaib aus Michigan. Hinzu kommen Ayanna Pressley aus Massachusetts und Alexandria Ocasio-Cortez aus New York, eine der Vordenkerinnen eines Green New Deal.
Im 1. Kongressbezirk von Missouri, zu dem St. Louis und Ferguson gehören, hat sich die Demokratin Cori Bush gegen den Republikaner Anthony Rogers durchsetzen können. Cori Bush hatte bei den Vorwahlen im August einen überraschend deutlichen Sieg gegen den über zehn Legislaturperioden amtierenden
Kongressabgeordneten William Lacy Clay erreichen können, dessen Familie seit mehr als 50 Jahren quasi das politische Monopol in der Region hatte. Bush hingegen ist alleinerziehende Mutter und Krankenschwester. Sie war früher obdachlos und hatte im Jahr 2014 nach der Ermordung des 18-jährigen Michael Brown (Dial 911 for Murder) durch Polizisten eine führende Rolle beim sogenannten Ferguson-Aufstand gespielt.
Erfolgsmeldungen gab es aber auch für rechte Bewegungen wie QAnon. Für sie hat im Bundesstaat Georgia Marjorie Taylor Greene den 14. Kongressdistrikt gewonnen. Ihr Gegner, der Demokrat Kevin Van Ausdal, hatte sich im September aus "persönlichen Gründen" aus dem Rennen zurückgezogen. Greene setzte auf die Waffenlobby, eine migrantenfeindliche Rhetorik und eine aggressive Positionierung gegen das Recht von Frauen auf Schwangerschaftsabbruch. Unterstützt wurde sie von der QAnon-Sekte, deren Verschwörungstheorie sie im Wahlkampf propagierte: Präsident Trump befinde sich in einem geheimen Krieg mit satanistischen Eliten, die Kinder missbrauchen.
Post verweigerte gezielte Auslieferung von Wahlunterlagen
Wer sich bei diesen Wahlen für eine grundlegende demokratische Reform des US-Parlamentarismus einsetzte, hatte es aber nicht nur mit solchen skurrilen Gestalten zu tun, sondern durchaus auch mit strukturellen Problemen. So ignorierte die Postbehörde USPS einen Gerichtsbeschluss, der sie dazu anhielt, in den Verteilzentren gezielt Briefwahlunterlagen ausfindig zu machen und rasch zu auszuliefern, damit sie in der Auszählung noch berücksichtig werden.
Die Anordnung erfolgte, nachdem USPS bekannt gegeben hatte, dass über 300.000 landesweit verschickte Briefwahlscheine für die Zustellung nicht zurückverfolgt werden konnten. Die Postbehörde hatte am Wahltag bis 15.30 Uhr Zeit, um die Kontrollen durchzuführen und sicherzustellen, dass alle Stimmzettel vor Abschluss der Wahlen ausgeliefert werden.
Stattdessen erklärte USPS, man müsse den eigenen Zeitplan einhalten und könne der Anordnung nicht nachkommen. Der Rechtsstreit betraf Einrichtungen in zwölf Postbezirken und 15 Bundesstaaten, darunter auch sogenannte Battleground States wie Arizona und Pennsylvania, in denen Briefwahlunterlagen eigentlich auf jeden Fall in die Auszählung einfließen müssen.
Der Fall ist auch heikel, weil US-Postchef Louis DeJoy ein entschiedener Unterstützer von Trump ist. Schon im Vorfeld der Wahl war er unter Beschuss geraten, nachdem Änderungen im Betriebsablauf zu erheblichen Verzögerungen bei der Briefwahl geführt hatten.
Zudem berichtete die New York Times, dass Briefwahlunterlagen von Afroamerikanern und Latinos häufiger abgelehnt werden, als entsprechende Dokumente weißer Wähler. Dies betreffe auch umkämpfte Bundesstaaten wie Georgia und Florida.