Von der Verantwortung der Kunst
Seite 2: Wo liegt die Verantwortung für Kunst und ihre Freiheit?
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Die Verantwortung von ruangrupa ist die Versammlung und Präsentierung eines weiten, aber nie vollständigen Spektrums internationaler Künstlerinnen, Künstler und Kunstprojekte. Wenn dabei einige Länder nicht berücksichtigt werden, liegt das in ihrer freien Verantwortung und nicht der vermeintlichen politischen Verantwortung der Bundesregierung. Man renommiert mit der "bedeutendsten Weltkunstausstellung", ist an ihren Entwürfen und Perspektiven aber offensichtlich nicht interessiert.
Sie fordern, dass wir "stärker hinschauen, auch hinhören": "Die lange Kolonialgeschichte mit Gewaltherrschaft und Ausbeutung und die zahllosen blinden Flecken ihrer Aufarbeitung. Die Erfahrung von Unterdrückung und Entrechtung. Der Umgang mit geraubtem Kulturgut."
Gehen Sie in den Pavillon der Künstlergruppe "The Question of Funding" und Sie werden dort gerade darüber in der bis heute andauernden Kolonial- und Gewaltgeschichte Palästinas mehr erfahren als von Ihren Gesprächspartnern im Zentralrat der Juden oder den jagdhungrigen Antisemitismusbeauftragten.
Hat in Ihrem Amt niemand die zahlreichen Berichte der Menschenrechtsbeauftragten der UNO, von Human Rights Watch und jüngst Amnesty International über den Apartheidstaat Israel gelesen? Es gibt genügend Menschenrechtsskandale in der Welt. Aber dieser einer der längsten und einer der gröbsten.
Sie hätten sich gewünscht, "dass vor der Eröffnung dieser Documenta über all das diskutiert worden wäre." Das Angebot von ruangrupa zu einem öffentlichen Forum zur Diskussion über die Vorwürfe ist abgelehnt worden. Man wollte den Kuratoren die Zusammensetzung des Forums nicht selbst überlassen.
Sind Ihnen die jahrelangen heftigen Auseinandersetzungen über die israelische Besatzungspolitik entgangen? Der Streit um Diskussionsräume bis vor das Bundesverwaltungsgericht, welches Anfang dieses Jahres die BDS-Bewegung von den Vorwürfen freisprach, die Sie jetzt wieder hervorholen? Erst das Bundesgericht hat der Diskussion den notwendigen Freiraum geschaffen.
Der unqualifizierte Beschluss des Bundestages, der die BDS-Bewegung als antisemitisch bezeichnet? Selbst wenn es so wäre, könnte damit kein Verbot, keine Ablehnung eines Diskussionsraums begründet werden. Ihr Vorwurf "Boykottieren statt diskutieren" trifft nicht die BDS-Bewegung.
Da ist Ihnen etwas durcheinandergekommen. Er trifft die Stadträte, die ihre Kommunen verpflichtet haben, Diskussionen über den Palästina-Konflikt keine Räume zu gewähren – bis das Bundesverwaltungsgericht die Beschlüsse für rechtswidrig erklärte.
Sie wollen schließlich, Herr Bundespräsident "diesen Ort, die documenta stärken. Wir brauchen sie". Richtig, aber nicht so. Die palästinensische Künstlergruppe heißt nicht ohne Hintersinn "The Question of Funding". Wie wäre es, wenn Sie Ihre Stärkung mit einer kräftigen Spende an die Künstlergruppe aus Ramallah unterstreichen? Es wäre eine angemessene Wiedergutmachung.