Vorbild Iran?

In Ägypten wird ein Vorschlag zur zivilen Nutzung von Atomenergie begeistert aufgenommen; andere Länder der Region hegen ähnliche Ambitionen

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Mit dem Vorschlag, dass auch Ägypten ein Programm zur zivilen Nutzung von Atomenergie beginnen sollte, erntete Gamal Mubarak, der Sohn des ägyptischen Präsidenten, vorgestern auf einem Parteitag der regierenden NDP (National Democratic Party) viel Beifall; gestern wiederholte er seinen Vorschlag auf einer Pressekonferenz. Wie die New York Times mitteilt, regt dies bei manchen zur Sorge an, das iranische Beispiel könnte in der Region Schule machen. Zumal mehrere Länder ähnliche Ambitionen äußern.

Es gibt vieles, was nach Ansicht von Experten gegen eine solch vereinfachte Parallelisierung Ägyptens mit Iran spricht. Vor allem dass Ägypten ein strategischer Partner der USA in der Region ist, dem jährlich 2 Milliarden Dollar aus Amerika für Militär-und Entwicklungshilfe zufließen. Problematisch werde ein solches Atomprogramm auch erst dann, wenn Ägypten wie Iran darauf bestehen würde, den kompletten Brennstoffzyklus in eigener Regie durchzuführen.

Als bemerkenswert wurde allerdings in diesem Zusammenhang von einigen Medien ein Punkt der Rede von Gamal Mubarak herausgestellt, in dem er deutlich auf Distanz zu den Plänen der USA in der Region geht und die Eigenständigkeit Ägyptens betont:

Wir akzeptieren keine Visionen von außerhalb, die im Rahmen der sogenannten „Greater Middle East Initiative“ versuchen, die arabische Identität und die vereinten arabischen Bemühungen aufzulösen.

Zwar wird dieser Satz wie auch der Vorschlag zu einem ägyptischen Kernenergie-Programm zunächst als Rhetorik verstanden, mit der sich Gamal Mubarak ein starkes politisches Profil verschaffen will, das ihn trotz lebhafter Widerstände als Nachfolger seines Vaters qualifizieren könnte, dennoch bleiben beunruhigende Aspekte.

Zum einen das äußerst restriktive Vorgehen gegen Oppositionelle (vgl. Anti-Gerücht-Spezialtruppe), mit dem Hosni Mubaraks Regierung in den letzten Monaten für internationale Schlagzeilen gesorgt hat. Und zum anderen die ägyptischen Islamisten, allen voran die Muslim-Bruderschaft, die sich auch zum Streit über die Äußerungen des Papstes wieder als lautstarke Kraft gezeigt hat und über Einfluss in der Bevölkerung verfügt. Aus Anti-Amerikanismus ist auch in Ägypten politisches Kapital zu schlagen, auch dies deutet die Rede des Präsidentensohnes an.

Ägypten ist nicht das einzige Land des „Greater Middle East“, das in letzter Zeit atomare Ambitionen geäußert hat. Bei einer Konferenz des Golfstaatenbündnisses GCC zu Anfang dieses Monats in Bahrein, wo das iranische Atomprogramm diskutiert wurde, von dem sich auch manche arabische Staaten bedroht fühlen, appellierte der GCC-Generalsekretär an die arabische Welt, die Entwicklung eigener friedlicher Nuklearprogramme ernsthaft in Betracht zu ziehen.

Der Gedanke, dass Iran neben Israel aus „Balance-Gründen“ nicht die einzige Atommacht in der MENA(Middle East North Africa)-Region sein dürfe, wird in diesem Zusammenhang öfter geäußert und lenkt den Blick auf atomare Pläne in verschiedenen Ländern.

So soll Algerien an einem Nuklearprojekt arbeiten, über Uran verfügen und stand vor Jahren schon einmal unter stärkerem Verdacht, auch militärisches Nuklearpotential aufzubauen. Von der Türkei wusste die Washington Post im März dieses Jahres, dass man dort daran denke, ein Atomprogramm wieder aufzunehmen, u.a. weil man sich von den Plänen des Nachbarlandes Iran bedroht fühle. Auch über Saudi-Arabien kursieren immer wieder indizienangereicherte Gerüchte, wonach das Königreich mit pakistanischer Hilfe an einem geheimen Atomprogramm arbeiten würde.