"Vorläufige Anwendung" mit völkerrechtlichen Verpflichtungen
EU-Kommissarin Cecilia Malmström will bei TTIP und CETA angeblich die Parlamente der Mitgliedsländer umgehen
Der Umweltschutzorganisation Greenpeace zufolge will EU-Kommissarin Cecilia Malmström Teile der umstrittenen Freihandelsabkommen CETA und TTIP zu völkerrechtlichen Tatsachen machen, bevor die Parlamente der Mitgliedsländer zustimmen. Auf diese Weise könnte ein Scheitern wie beim ACTA-Abkommen umgangen werden.
Der Trick, zu dem sich Malmström selbst bislang noch nicht geäußert hat, trägt den Namen "vorläufige Anwendung". Mit solche einer vorläufigen Anwendung sollen die EU-Mitgliedsländer bindende völkerrechtliche Verpflichtungen eingehen können, ohne dass ihre Legislativen zustimmen. Das schlussfolgern die Greenpeace-Experten aus einer gründlichen Lektüre des bereits vorliegenden CETA-Vertragstexts, in dem es auf den Seiten 489 und 490 heißt:
"This Agreement shall be provisionally applied from the first day of the month following the date on which the parties have notified each other that their respective relevant procedures have been completed. [...] "if the provisional application of this Agreement is terminated and it does not enter into force, a claim may be submitted [...] provided no more than three (3) years have elapsed since the date of termination of the provisional application."
Rechtsgrundlage für solch ein vorzeitiges Inkrafttreten wäre Artikel 218 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), in dem geregelt ist, dass der Europäischer Rat auf Vorschlag eines Vertragsverhandlungsführers einen Beschluss erlassen kann, "mit dem die Unterzeichnung der Übereinkunft und gegebenenfalls deren vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten genehmigt werden". Greenpeace zufolge hat ein Vertreter der EU-Kommission der NGO bestätigt, dass man dem Rat solch ein Vorgehen vorschlagen will.
Der österreichische Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit forderte deshalb vom österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und von dessen Stellvertreter Reinhold Mitterlehner (ÖVP), eine Klarstellung "dass sie im Rat ein Veto gegen die vorläufige Anwendung von umstrittenen Handelsabkommen wie CETA oder TTIP einlegen werden", damit die EU-Kommission "die Sorgen der Menschen in Europa [nicht] ignorieren und den Handelspakt auf Biegen und Brechen durchsetzen" kann.
Zu den TTIP- und CETA-Teilen, die ohne Parlamentszustimmung in Kraft treten sollen, gehören auch die besonders umstrittenen privaten Schiedsgerichte, die einem aktuellen Gutachten nach mit hoher Wahrscheinlichkeit am deutschen Verfassungsgericht scheitern würden, wenn gegen sie geklagt wird, weil es im deutschen Grundgesetz keine Rechtsgrundlage gibt, die solch eine Souveränitätsabgabe erlauben würde. Wegen des immerwährenden Verbots in Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes könnte sie der deutsche Gesetzgeber nicht einmal mit verfassungsändernder Mehrheit einführen.
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