Vorsicht, die Kamikaze-Mikrodrohnen kommen
Die US-Army wird demnächst Mikrodrohnen einsetzen, die als Geschosse mit einer Sprengladung zum Töten von Gegnern dienen können, und beginnt damit eine neue Etappe des Roboterkriegs
Drohnen haben sich für das Pentagon seit dem Beginn des Afghanistankriegs als Wunderwaffe gezeigt, weil sich mit diesen nicht nur Gegner aus sicherer Entfernung und weitaus billiger als mit bemannten Flugzeugen überwachen, sondern auch jagen und töten lassen.
Der Einsatz der Drohnen geht weit über die eigentlichen Kriegsgebiete in Afghanistan und im Irak hinaus. Seit Jahren führt das Pentagon einen Drohnenkrieg im pakistanischen Grenzgebiet, bei mehr als 2000 Menschen getötet wurden. Eingesetzt wurden die Drohnen auch im Jemen, in Somalia oder auch Libyen.
Noch sind die bewaffneten Drohnen wie die Predator- oder Reaper-Flugroboter große Flugzeuge, die in großer Höhe fliegen und etwa mit Hellfire-Raketen mutmaßliche Gegner oder deren Stellungen oder Häuser beschießen oder Bomben abwerfen. Die großen Drohnen sind zwar relativ sicher vor Angriffen, wenn die Gegner nicht entsprechend mit Flugabwehrraketen ausgerüstet sind, sie können auch lange in der Luft bleiben und große Entfernungen überwinden, aber sie sind nicht gerad unauffällig, die Motoren erzeugen auch gut hörbare Geräusche. Das dient zwar dazu, den Menschen auf dem Boden Angst einzuflößen, weil jeder Zeit ein Angriff möglich ist, hat aber auch seine Nachteile.
Schon seit Jahren wird versucht, Drohnen immer kleiner zu machen. Doch bislang haben die entwickelten Mikrodrohnen nur Kameras mitgeführt, aber noch keine Waffen, was schlichtweg ein Gewichts- und Größenproblem ist. Offenbar will man das im Pentagon schnell ändern. So schloss die US Army Anfang September mit dem kalifornischen Unternehmen AeroVironment einen Vertrag über 4.9 Millionen US-Dollar für die Kampf-Mikrodrohne Switchblade ab.
Sie soll eine neue und flexible Waffe für eine schnelle Reaktion sein, um mit hoher Präzision und geringem Risiko für Kollateralschaden zuschlagen und töten zu können ("high-precision low collateral damage strike"). Wie viele Systeme die Army damit kaufen kann und wie viele sie demnächst einsetzen wird, geht aus der Mitteilung nicht hervor.
Eine neue Dimension - auch im Waffenhandel
Klar ist jedoch, dass mit Switchblade der Roboterkrieg in eine neue Dimension eintreten wird. Denn solche bewaffneten Mikrodrohnen werden auch in die Hände der Gegner der USA und überhaupt in die von Aufständischen, Terroristen und Kriminellen wandern, wodurch die Welt ein Stück weiter unsicherer wird, auch wenn das Pentagon vorübergehend vielleicht die Überlegenheit vergrößern kann.
Doch heute geht das Wettrüsten nicht mehr in Richtung immer größerer Waffensysteme, die sich wie die Atombombe nur Staaten mit großem Aufwand und viel Investitionen leisten können, sondern in Richtung Miniaturisierung. Zwar reduziert sich dadurch auch die Zerstörungskraft, aber in asymmetrischen Kriegen entfaltet auch der Einsatz eines Maschinengewehrs oder einer Ladung Sprengstoff ausreichend Wirkung, um für Panik und Aufmerksamkeit sorgen zu können.
AeroVironment berichtet, dass sich die Mikrodrohnen von einer Röhre starten lassen, die ebenso wie sie selbst in einen Rucksack passt. Beim Start entfaltet die gerade einmal 2 kg schwere Drohne ihre Flügel. Sie überträgt Bilder, fliegt, angetrieben durch einen Elektromotor, leise mit hoher Geschwindigkeit und ist bewaffnet, eigentlich aber scheint sie das Konzept des Selbstmordattentäters technisch umzusetzen. Sie hat offenbar keine Waffen, sondern ist selbst die Waffe, also eine Kamikaze-Drohne, die, so der Bericht der Nachrichtenagentur AFP, in den Gegner hineinfliegt wie ein Geschoss und beim Aufprall eine kleine Sprengladung zündet.
Die "ideale Waffe für die gegenwärtige Kämpfe"
Sie ist eine "ideale Waffe für die gegenwärtige Kämpfe", preist Bill Nichcols von der Army Switchblade an. Der Vorteil sei, dass die Kampf-Mikrodrohnen sofort und direkt von den im Kampf befindlichen Truppen eingesetzt werden können, die somit nicht mehr auf andere Einheiten angewiesen sind. Und sie hat den Vorteil, dass man nicht sonderlich vorsichtig mit ihr umgehen muss, schließlich ist ihr Endzweck die mörderische Selbstvernichtung. Man braucht keine große Anstrengung der Fantasie, um sich vorstellen zu können, welche Wunderwaffe solche Kamikaze-Drohnen auch für Attentäter oder Mörder sein können.
Unter offenem Himmel wäre niemand mehr sicher, nicht zum Opfer eines solchen Anschlags werden zu können. Wenn die Kamikaze-Drohnen billig genug werden, dürften sie auch das Ende der Selbstmordanschläge einläuten und so manche der als Helden gefeierten Todeskandidaten profanisieren. Vermessen wäre jedenfalls der Glaube, man könne solche Waffen so kontrollieren, dass die "Bösen" sie nicht in die Finger bekommen. Aber wer böse ist, ist immer relativ.