Voyager 1 - Unterwegs in die Ewigkeit
NASA plant noch 20 weitere Jahre mit der legendären Forschungssonde
Die NASA-Raumsonde Voyager 1 driftet immer tiefer in die kosmische Unendlichkeit. Nach 23-jähriger Reise hat das am weitesten von der Erde entfernte künstliche Objekt allen drohenden Gefahren durch Sternenstaub, Asteroiden, kosmischer Strahlung und eisiger Kälte im All erfolgreich getrotzt. Nach den Plänen der NASA soll der Raumsondenveteran jetzt aber noch 20 weitere Jahre lang Daten zur Erde funken. Anstatt Voyager abzuschreiben, pflegt die NASA ganz bewusst den Mythos. Wöchentlich informiert sie über den aktuellen Status der Sonde in Form eines Updates. Dabei treibt die Sonde mit einer ungewöhnlichen Fracht ins Sternenmeer
Irgendwann in astronomisch ferner Zukunft. Inmitten des galaktischen Ozeans treibt ein bizarr aussehendes kleines künstliches Gebilde einem unbekannten Planetenufer entgegen. Es ist keine gewöhnliche planetare Küste, auf das es unaufhaltsam zudriftet. Bereits vor Jahrmillionen ist hier eine hochtechnisierte Zivilisation "gestrandet", die längst der interplanetaren Raumfahrt mächtig ist und der der fremde Eindringling nicht verborgen bleibt. Was die Astronomen beim Anvisieren des rätselhaften Objekts sehen, verschlägt ihnen den Atem. Nur kurze Zeit später überschlagen sich schon die Sensationsmeldungen in der Presse. Unmittelbar darauf erfolgt die erste offizielle Verlautbarung, die ein ganzes Weltbild ins Wanken bringt.
Ausgewählte Wissenschaftler, Politiker und Militärs beraten das weitere Vorgehen. Ihren Entschluss, die "intelligente" Sonde aus dem Weltraum zu fischen, setzt kurze Zeit später ein Roboter in die Tat um. Nach einer intensiven Quarantäne beginnen Spezialisten damit, das Raumgefährt auf Herz und Nieren zu untersuchen. Mit ungläubigem Staunen analysieren sie das fremdartige Instrumentarium der Sonde. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich speziell auf eine goldene Platte und Schutzhülle, auf der mysteriöse Symbole eingraviert sind, die - wie ihnen später klar wird - auch eine Anleitung zum Abspielen einer Botschaft beinhalten. Nach einigen Modulationen und Modifikationen setzen sie den kosmischen Plattenspieler in Bewegung. Was sie zu sehen und hören bekommen, verschlägt ihnen ein weiteres Mal den Atem.
Ob eines fernen Tages wirklich eine außerirdische Intelligenz eine derartige unheimliche Begegnung der dritten Art erleben wird, wie in diesem fiktivem Szenario angedacht, halten irdische Wissenschaftler zwar für sehr unwahrscheinlich, aber für theoretisch möglich. Sonst hätte die NASA ihrer Zeit wohl kaum die Raumsonde Voyager 1, die seit knapp einem Vierteljahrhundert im Sternenmeer des Weltalls treibt, mit einer Botschaft für eine fremde, kulturell hochstehende Intelligenz versehen.
Seinen Anfang nahm die Voyager-1-Mission am 5. September 1977 in Cape Canaveral (Florida). Seit ihrem erfolgreichen Raketenstart verliert sich die Raumsonde mit einer Geschwindigkeit von 17,4 Kilometern in der Sekunde immer tiefer in die intergalaktische Unendlichkeit. Von ihrem Heimatplaneten, der zurzeit über 11,817 Milliarden Kilometer entfernt ist, zeugt nur noch ein kaum wahrnehmbarer kleiner Punkt. Bis Voyagers ausgesandten lichtschnellen Funkimpulse auf Mutter Erde treffen, vergehen über 10 Stunden.
Mag sie ihren Namen (Voyager = der Reisende) zu Recht tragen - mit einem gewöhnlichen Reisenden hat dieses 825 Kilogramm "erdschwere" Gebilde allerdings nur wenig gemein. Denn mit seinem Vorgängermodellen Pioneer 10 und 11 und seinem Zwilling Voyager 2, der bereits am 20. August 1977 startete, aber eine langsamere Route nahm, teilt es ein sondentypisches Schicksal: Es wird von seiner einsamen Exkursion nie mehr zurückkehren. Und anstelle einer unbeschwerten Erholungsreise musste das Raumschiff wie seinen "Kollegen" Höchstarbeit verrichten. Am meisten gefordert wurde die nur 20 Watt sendestarke und 3,7 metergroße Parabolantenne der Sonde, als sie beim Vorbeiflug an den Planeten Jupiter (1979) und Saturn (1980) große Datenmengen zur Erde funkte, deren Auswertung bis heute noch andauert. Bei der Jupiterstation wurden zeitweilig 115.200 Bits pro Sekunde übertragen; innerhalb von nur 48 Sekunden gelangten die ersten Bilder vom größten Planeten unseres Sonnensystem zu den einzelnen Stationen des Deep Space Network, deren weltweit zerstreute Schüsselantennen die Fahrt der Voyagersonden auf Schritt und Tritt verfolgten. Das Bildmaterial war einzigartig: Noch heute dokumentieren zehntausende hochwertige Farbfotos - wie etwa die faszinierenden Aufnahmen vom Jupitermond Io -, dass Voyager 1 seiner Mission mehr als gerecht wurde. Kein Wunder, wies sie doch in einer Entfernung von nur 130.000 Kilometern auf dem Trabanten zum ersten Mal außerirdische vulkanische Aktivitäten nach.
Durch die Entdeckung zahlreicher Neumonde eben noch in aller Munde (beide Sonden entdeckten 22 neue Trabanten), geriet Voyager 1 aber nach getaner Arbeit schnell wieder in Vergessenheit. Statt dessen durchlebte ihre auf einen anderem Kurs treibende Zwillingssonde (Voyager 2) Jahre später einen zweiten Frühling, als sie atemberaubende Bilder von den äußeren Planeten Neptun und Uranus lieferte. Um die Voyagervorboten im All, die bis auf den heutigen Tag insgesamt über 900 Millionen Dollar an Kosten verschlangen, wurde es zeitweilig ruhig. Mitte Februar 1998 jedoch brachte sich Voyager 1 aber wieder vehement in Erinnerung, als sie den bislang fernsten Kundschafter im All überholte: Pioneer 10. Seitdem ist sie das am weitesten von der Erde entfernte, von Menschenhand geschaffene Objekt im Universum.
Kein irdisches Gefährt operiert so weit entfernt seiner Heimat. Und kein technisches Weltraum-Gerät funktioniert trotz aller kosmischen Widrigkeiten immer noch so zuverlässig, dass selbst nach 23 Jahren Dienst im All NASA-Wissenschaftler ihm die Treue halten. Tatsächlich soll die Verbindung mit Voyager 1 bis zum Jahre 2020 aufrechterhalten werden, sofern die Batterieenergie das reibungslose Übertragen von Datenmaterial solange ermöglicht. Ob der Raumflugkörper bis dahin aber die erhofften Informationen über den Einfluss der Sonne außerhalb des Sonnensystems übermitteln kann, steht für den Projektleiter der Voyager-Mission Dr. Ed B. Massey jedoch in den Sternen, denen sich die Sonde unaufhaltsam nähert: "Momentan ist die Energie, die unsere Antennen von Voyager 1 einsammeln, 20 Milliarden mal schwächer als die Batterieleistung einer digitalen Uhr". Ähnliche Erfahrungen machen gegenwärtig auch die SETI-Forscher des Phoenix-Programms, die in Arecibo (Puerto Rico) mit der weltgrößten Schüssel (305 Meter Durchmesser) nach außerirdischen Funksignalen fahnden. Tagtäglich visieren sie die 11 Milliarden Kilometer entfernte Raumsonde Pioneer 10 an, um die Leistungsfähigkeit ihrer Antennen zu überprüfen. Auch wenn von Pioneer 10 nur ein Trilliardstel Watt die Erde erreicht, können deren Empfänger das schwache Piepsen der Sonde immer noch registrieren.
Außergewöhnlich ist in der Tat, dass die Besatzung der Voyager aus jeweils sechs Computern besteht, die aus Redundanzgründen und als Reservegeräte paarweise zusammenarbeiten. Sie lagern in einem zehneckigen Elektronikkasten von 1,8 Meter Durchmesser und 47 Zentimeter Höhe. Sie erledigen automatisch alle anfallenden Routineaufgaben. So teilen sich zwei der sechs Bordrechner eine Überwachungsrolle als Kommandant, wohingegen das zweite Paar ausschließlich für die Lagekontrolle der Sonde verantwortlich ist. Und das dritte Elektronengehirnpärchen sammelt und speichert die Flugdaten. Auf elektronischer Ebene herrscht demnach an Bord eine klare Hierarchie und Aufgabenverteilung. Fällt ein Vogayer-Rechner aus, springt sein Partner ein, ganz selbstständig, ohne irdische Hilfe.
Träfe Voyager dereinst wirklich auf eine außerirdische Kultur, was frühestens in Jahrmillionen denkbar wäre, fänden diese dort eine 31 Zentimeter große, vergoldete "Schallplatte", auf der die NASA-Konstrukteure in vorsorglicher Weitsichtigkeit Bild- und Toninformationen der menschlichen Zivilisation und ihrer Mitbewohner gespeichert haben. Dabei ist die in den Metallrillen der Platte eingegrabene Information derart sicher deponiert, dass ihr selbst die Weltraumstrahlung und die aufprallenden astralen Staubkörner nichts anhaben können. Und in punkto Langzeitspeicherung ist die Weltraum-Record ohnehin einsamer Rekordhalter. Denn mit einer Überlebensdauer von bis zu eine Milliarde Jahren - in diesem Zeitraum fliegt Voyager immerhin viermal um das Zentrum unserer Galaxis - stellt sie jeden Computer, jede Bibliothek oder jedes Archiv weit in den Schatten. Grußbotschaften in 60 Sprachen, 90 Minuten Musik und Alltagsgeräusche von Lebewesen einer längst vergangenen Kultur - darunter das Freudengeschrei von Kindern oder der Gesang von Buckelwalen - würden wieder zu neuem Leben erwachen, sofern ET & Co das beigefügte Abspielgerät reaktivieren können.
Wenn das kosmische Intermezzo der Menschheit nur noch eine Randnotiz in der galaktischen Enzyklopädie ist, werden wenigstens O-Töne und Photographien von Menschen und Tieren davon Zeugnis ablegen, das es uns irgendwann und irgendwo einmal gegeben hat.
Die Sounds of Earth sind unter folgendem Link zu hören